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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Correspondenz und Notizen.



Anständliches aus Wien.

Wir beginnen klarer zu sehen in Oestreich, ist auch das, was wir zu sehen
bekommen, peinlich -- immerhin, man weiß doch, woran man ist, man regelt An¬
sicht und Plan, man weiß, woran sich zu halten. Wir beginnen -- staune
o Deutschland -- ja wir beginnen sogar das verhaßte Ministerium Schwarzenberg
etwas milder zu beurtheilen.

Daß wir so weit gekommen sind, beweist allerdings den entsetzlich tiefen Stand
unsers konstitutionellen Barometers, doch haben wir wenigstens den Barometer
selber bisher behalte", dessen Merkursäule sich wieder heben kaun, stehe sie auch
heute auf viel Regen, auf Erdbeben und Sturm weisend. Es gibt in Oestreich,
wie anderwärts, eine Partei, welche das ganze Wetterglas gar zu gern in
Trümmer schlüge.

Wir wissen jetzt, daß in unserm Olymp zwei Mächte im Kampf liegen, aus
den Gewitterwolken dieses Kampfes schießen, je nach den Chancen der Kämpfer,
erwärmende Lichtstrahlen, oder schreckende Blitze zu uns nieder.

Es gibt ein verantwortliches Ministerium und eine unverantwortlich stupide
Hofpartei in jenem Olymp, und diese stellt dem Constitutionalismus, wo sie nur
immer kaun, ein Bein, um ihn zu Fall zu bringen; sie stützt sich auf die Militär¬
diktatur, welche die Löseschlüssel nicht ans der Hand geben will, das Volk ver¬
leumdet und verdächtigt, und das Ministerium ist in der eigenthümlichen Lage,
seine schmachvoll untergeordnete Stellung zu verbergen, jeden Fußbreit constitu-
tionellen Terrains mühselig zu erringen. Man mag das für unwahrscheinlich hal¬
ten, dennoch ist es so!

Ein kleiner Schritt vorwärts ist endlich gethan, eine, wenn auch vorerst nicht
bedeutende Reduktion der Armee ist dekretirt und in Durchführung begriffen, zu¬
gleich siud die hohen Bezüge der aktiven Armee etwas moderirt. Wir haben den
Kulminationspunkt glücklich hinter uns. Die Minister Schwarzenberg, Bach,
v. Kraus hatten den Kaiser ans die Unerläßlichkeit der Armeereduktion dringend
aufmerksam gemacht, stellten in Aussicht, daß außerdem in längstens zwei Jahren
der complette Staatsbankerott und mit ihm die Auflösung, das Erlöschen der
Firma Oestreich unvermeidlich bevorstehe. Da existirt aber bei Hofe ein Schma¬
rotzer, Graf Grünne, als Generaladjutant des Kaisers fnngirend, in das Porte¬
feuille des Kriegsministers im Schmuggelwege sich einmischend; und dieses Indi¬
viduum, welches die Wiener treffend als Camarillus bezeichnen, trachtete, von
der Hospartei instruirt, den Kaiser gegen den Antrag der Minister einzunehmen,


Correspondenz und Notizen.



Anständliches aus Wien.

Wir beginnen klarer zu sehen in Oestreich, ist auch das, was wir zu sehen
bekommen, peinlich — immerhin, man weiß doch, woran man ist, man regelt An¬
sicht und Plan, man weiß, woran sich zu halten. Wir beginnen — staune
o Deutschland — ja wir beginnen sogar das verhaßte Ministerium Schwarzenberg
etwas milder zu beurtheilen.

Daß wir so weit gekommen sind, beweist allerdings den entsetzlich tiefen Stand
unsers konstitutionellen Barometers, doch haben wir wenigstens den Barometer
selber bisher behalte», dessen Merkursäule sich wieder heben kaun, stehe sie auch
heute auf viel Regen, auf Erdbeben und Sturm weisend. Es gibt in Oestreich,
wie anderwärts, eine Partei, welche das ganze Wetterglas gar zu gern in
Trümmer schlüge.

Wir wissen jetzt, daß in unserm Olymp zwei Mächte im Kampf liegen, aus
den Gewitterwolken dieses Kampfes schießen, je nach den Chancen der Kämpfer,
erwärmende Lichtstrahlen, oder schreckende Blitze zu uns nieder.

Es gibt ein verantwortliches Ministerium und eine unverantwortlich stupide
Hofpartei in jenem Olymp, und diese stellt dem Constitutionalismus, wo sie nur
immer kaun, ein Bein, um ihn zu Fall zu bringen; sie stützt sich auf die Militär¬
diktatur, welche die Löseschlüssel nicht ans der Hand geben will, das Volk ver¬
leumdet und verdächtigt, und das Ministerium ist in der eigenthümlichen Lage,
seine schmachvoll untergeordnete Stellung zu verbergen, jeden Fußbreit constitu-
tionellen Terrains mühselig zu erringen. Man mag das für unwahrscheinlich hal¬
ten, dennoch ist es so!

Ein kleiner Schritt vorwärts ist endlich gethan, eine, wenn auch vorerst nicht
bedeutende Reduktion der Armee ist dekretirt und in Durchführung begriffen, zu¬
gleich siud die hohen Bezüge der aktiven Armee etwas moderirt. Wir haben den
Kulminationspunkt glücklich hinter uns. Die Minister Schwarzenberg, Bach,
v. Kraus hatten den Kaiser ans die Unerläßlichkeit der Armeereduktion dringend
aufmerksam gemacht, stellten in Aussicht, daß außerdem in längstens zwei Jahren
der complette Staatsbankerott und mit ihm die Auflösung, das Erlöschen der
Firma Oestreich unvermeidlich bevorstehe. Da existirt aber bei Hofe ein Schma¬
rotzer, Graf Grünne, als Generaladjutant des Kaisers fnngirend, in das Porte¬
feuille des Kriegsministers im Schmuggelwege sich einmischend; und dieses Indi¬
viduum, welches die Wiener treffend als Camarillus bezeichnen, trachtete, von
der Hospartei instruirt, den Kaiser gegen den Antrag der Minister einzunehmen,


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[0522] Correspondenz und Notizen. Anständliches aus Wien. Wir beginnen klarer zu sehen in Oestreich, ist auch das, was wir zu sehen bekommen, peinlich — immerhin, man weiß doch, woran man ist, man regelt An¬ sicht und Plan, man weiß, woran sich zu halten. Wir beginnen — staune o Deutschland — ja wir beginnen sogar das verhaßte Ministerium Schwarzenberg etwas milder zu beurtheilen. Daß wir so weit gekommen sind, beweist allerdings den entsetzlich tiefen Stand unsers konstitutionellen Barometers, doch haben wir wenigstens den Barometer selber bisher behalte», dessen Merkursäule sich wieder heben kaun, stehe sie auch heute auf viel Regen, auf Erdbeben und Sturm weisend. Es gibt in Oestreich, wie anderwärts, eine Partei, welche das ganze Wetterglas gar zu gern in Trümmer schlüge. Wir wissen jetzt, daß in unserm Olymp zwei Mächte im Kampf liegen, aus den Gewitterwolken dieses Kampfes schießen, je nach den Chancen der Kämpfer, erwärmende Lichtstrahlen, oder schreckende Blitze zu uns nieder. Es gibt ein verantwortliches Ministerium und eine unverantwortlich stupide Hofpartei in jenem Olymp, und diese stellt dem Constitutionalismus, wo sie nur immer kaun, ein Bein, um ihn zu Fall zu bringen; sie stützt sich auf die Militär¬ diktatur, welche die Löseschlüssel nicht ans der Hand geben will, das Volk ver¬ leumdet und verdächtigt, und das Ministerium ist in der eigenthümlichen Lage, seine schmachvoll untergeordnete Stellung zu verbergen, jeden Fußbreit constitu- tionellen Terrains mühselig zu erringen. Man mag das für unwahrscheinlich hal¬ ten, dennoch ist es so! Ein kleiner Schritt vorwärts ist endlich gethan, eine, wenn auch vorerst nicht bedeutende Reduktion der Armee ist dekretirt und in Durchführung begriffen, zu¬ gleich siud die hohen Bezüge der aktiven Armee etwas moderirt. Wir haben den Kulminationspunkt glücklich hinter uns. Die Minister Schwarzenberg, Bach, v. Kraus hatten den Kaiser ans die Unerläßlichkeit der Armeereduktion dringend aufmerksam gemacht, stellten in Aussicht, daß außerdem in längstens zwei Jahren der complette Staatsbankerott und mit ihm die Auflösung, das Erlöschen der Firma Oestreich unvermeidlich bevorstehe. Da existirt aber bei Hofe ein Schma¬ rotzer, Graf Grünne, als Generaladjutant des Kaisers fnngirend, in das Porte¬ feuille des Kriegsministers im Schmuggelwege sich einmischend; und dieses Indi¬ viduum, welches die Wiener treffend als Camarillus bezeichnen, trachtete, von der Hospartei instruirt, den Kaiser gegen den Antrag der Minister einzunehmen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/522>, abgerufen am 15.01.2025.