Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.das Drängen des Bedürfnisses dem Fabrikwesen ein rasches Aufblühen zu verschaffen, " Durch diese kurzen Bemerkungen, welche sich einem Fremden bei jeder großen Der russische Handel ist der Handel eines menschenarmen, despotischen Staa¬ Diese privilegirte genießende Klasse wird dadurch verweichlicht und entsittlicht, Dieser Handel mit Fabrikaten ist fast ausschließlich in den Händen von Aus¬ Diesem Uebelstand ist nur durch Oeffnung der Zollbarrieren und eine radikale das Drängen des Bedürfnisses dem Fabrikwesen ein rasches Aufblühen zu verschaffen, " Durch diese kurzen Bemerkungen, welche sich einem Fremden bei jeder großen Der russische Handel ist der Handel eines menschenarmen, despotischen Staa¬ Diese privilegirte genießende Klasse wird dadurch verweichlicht und entsittlicht, Dieser Handel mit Fabrikaten ist fast ausschließlich in den Händen von Aus¬ Diesem Uebelstand ist nur durch Oeffnung der Zollbarrieren und eine radikale <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280059"/> <p xml:id="ID_1756" prev="#ID_1755"> das Drängen des Bedürfnisses dem Fabrikwesen ein rasches Aufblühen zu verschaffen,<lb/> so hat sie sich in einem großen Irrthum befunden, denn bei der geringen Zahl<lb/> speculätionsfähiger Personen, bei dem Mangel an Intelligenz und Arbeitskraft ist<lb/> das Aufblühen neuer Fabriken nicht möglich, es bereicherten sich nnr die Herren<lb/> der schon bestehenden wenigen Fabriken, indem sie, bei dem Drang der Be¬<lb/> dürfnisse die Preise auf eine unsinnige Höhe schraubten; der Handel gewann na¬<lb/> türlich nicht dabei. Und wie streng auch die Grenzzollmaßregeln sind, so wissen<lb/> doch die meisten Fabrikanten ihnen Hohn zu sprechen, und dadurch steigern sie<lb/> ihren Gewinn oft noch mehr, indem sie selbst Fabrikate, welche im Auslande zu<lb/> einem sehr niedrigen Preise zu haben siud, in Nußland aber so billig nicht herge¬<lb/> stellt werden können, dnrch irgend einen Kunstgriff mit Hilfe der Beamten ein¬<lb/> führen. So z. B. ließ sich eine Fabrik in Kiew alljährlich eine große Masse von<lb/> Schnupftabaksdosen ans Altenburg zusenden. Diesen Dosen fehlte nichts weiter<lb/> als der Lacküberzng. Trotzdem passirten sie die Grenze nicht als Fabrikate, son¬<lb/> dern als rohe Stoffe. Diese Dosen wurden in Altenburg, das Stück zu sieben<lb/> Neugroschen verkauft, der russische Fabrikant gab ihnen nun den Lack und ver¬<lb/> kaufte sie als ein echt russisches Fabrikat, das Stück zu einem Ducaten in Gold.</p><lb/> <p xml:id="ID_1757"> " Durch diese kurzen Bemerkungen, welche sich einem Fremden bei jeder großen<lb/> Messe im Innern von Nußland aufdrängen, sollen einzelne Wahrheiten bewiesen<lb/> werden, welche ich Ihren Lesern hier kurz zusammenstelle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1758"> Der russische Handel ist der Handel eines menschenarmen, despotischen Staa¬<lb/> tes, in welchem der Grundbesitz in großen Massen zusammengeballt liegt, und die<lb/> Werthe für die Erzeugnisse des Landes fast ausschließlich in die Hände einer pri-<lb/> vilegirten genießenden Klasse, der adligen Grundbesitzer, fließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1759"> Diese privilegirte genießende Klasse wird dadurch verweichlicht und entsittlicht,<lb/> ans ihren Schwächen und ihrem Luxus beruht vorzugsweise der Handel mit Fa¬<lb/> brikaten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1760"> Dieser Handel mit Fabrikaten ist fast ausschließlich in den Händen von Aus¬<lb/> ländern, und die ungeheuern Kapitalien, welche demselben zufließen, werden des¬<lb/> halb zum Theil dem produktiven Vermögen des Reiches entzogen und hindern die<lb/> Entwickelung der landwirthschaftlichen Produktion. Dieser gefährliche Uebelstand<lb/> wird noch dadurch in sehr bedrohlicher Weise vermehrt, daß ein unsinniges Zoll¬<lb/> system die natürliche Concurrenz beschränkt, die Preise für Luxusartikel ins Un-<lb/> geheure hiuaufschraubt und durch die verhältnißmäßige Schwierigkeit, dieselben zu<lb/> erlangen, die Gier der Genießenden steigert und ein verständiges Urtheil über den<lb/> Werth der Waaren unmöglich macht. Der gegenwärtige Handel Rußlands trägt<lb/> wesentlich dazu bei, die Producenten durch die Consumtion zu verderben und dem<lb/> Landbau Kapitalien zu entziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1761" next="#ID_1762"> Diesem Uebelstand ist nur durch Oeffnung der Zollbarrieren und eine radikale</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
das Drängen des Bedürfnisses dem Fabrikwesen ein rasches Aufblühen zu verschaffen,
so hat sie sich in einem großen Irrthum befunden, denn bei der geringen Zahl
speculätionsfähiger Personen, bei dem Mangel an Intelligenz und Arbeitskraft ist
das Aufblühen neuer Fabriken nicht möglich, es bereicherten sich nnr die Herren
der schon bestehenden wenigen Fabriken, indem sie, bei dem Drang der Be¬
dürfnisse die Preise auf eine unsinnige Höhe schraubten; der Handel gewann na¬
türlich nicht dabei. Und wie streng auch die Grenzzollmaßregeln sind, so wissen
doch die meisten Fabrikanten ihnen Hohn zu sprechen, und dadurch steigern sie
ihren Gewinn oft noch mehr, indem sie selbst Fabrikate, welche im Auslande zu
einem sehr niedrigen Preise zu haben siud, in Nußland aber so billig nicht herge¬
stellt werden können, dnrch irgend einen Kunstgriff mit Hilfe der Beamten ein¬
führen. So z. B. ließ sich eine Fabrik in Kiew alljährlich eine große Masse von
Schnupftabaksdosen ans Altenburg zusenden. Diesen Dosen fehlte nichts weiter
als der Lacküberzng. Trotzdem passirten sie die Grenze nicht als Fabrikate, son¬
dern als rohe Stoffe. Diese Dosen wurden in Altenburg, das Stück zu sieben
Neugroschen verkauft, der russische Fabrikant gab ihnen nun den Lack und ver¬
kaufte sie als ein echt russisches Fabrikat, das Stück zu einem Ducaten in Gold.
" Durch diese kurzen Bemerkungen, welche sich einem Fremden bei jeder großen
Messe im Innern von Nußland aufdrängen, sollen einzelne Wahrheiten bewiesen
werden, welche ich Ihren Lesern hier kurz zusammenstelle.
Der russische Handel ist der Handel eines menschenarmen, despotischen Staa¬
tes, in welchem der Grundbesitz in großen Massen zusammengeballt liegt, und die
Werthe für die Erzeugnisse des Landes fast ausschließlich in die Hände einer pri-
vilegirten genießenden Klasse, der adligen Grundbesitzer, fließen.
Diese privilegirte genießende Klasse wird dadurch verweichlicht und entsittlicht,
ans ihren Schwächen und ihrem Luxus beruht vorzugsweise der Handel mit Fa¬
brikaten.
Dieser Handel mit Fabrikaten ist fast ausschließlich in den Händen von Aus¬
ländern, und die ungeheuern Kapitalien, welche demselben zufließen, werden des¬
halb zum Theil dem produktiven Vermögen des Reiches entzogen und hindern die
Entwickelung der landwirthschaftlichen Produktion. Dieser gefährliche Uebelstand
wird noch dadurch in sehr bedrohlicher Weise vermehrt, daß ein unsinniges Zoll¬
system die natürliche Concurrenz beschränkt, die Preise für Luxusartikel ins Un-
geheure hiuaufschraubt und durch die verhältnißmäßige Schwierigkeit, dieselben zu
erlangen, die Gier der Genießenden steigert und ein verständiges Urtheil über den
Werth der Waaren unmöglich macht. Der gegenwärtige Handel Rußlands trägt
wesentlich dazu bei, die Producenten durch die Consumtion zu verderben und dem
Landbau Kapitalien zu entziehen.
Diesem Uebelstand ist nur durch Oeffnung der Zollbarrieren und eine radikale
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