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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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und der Knechte macht natürlich den Transport theuer. Der Umstand aber, daß
man aus Mangel an Gasthäusern statt der Pferde Ochsen gebrauchen muß,
die allerdings überall am Wege ihr Futter finden, bewirkt außerdem, daß die
Transporte sehr langsam von statten gehen. -- Außer diesem Hinderniß des commer-
ziellen Verkehrs gibt es aber noch zwei andere, bei denen die Regierung Abhilfe
wohl gewähren könnte. Rußland ist so reich an schiffbaren Flüssen, daß von allen
Küsten, besonders aber von der wichtigen Südküste aus bis fast zu allen Theilen
des Innern der Transport zu Wasser bewerkstelligt werden könnte. Es würde
nur weniger Kanäle, allerdings aber einer umfassenden Regulirung der Flußbetten
und der Einführung anderer Fahrzeuge bedürfen als die gegenwärtig gebräuchlichen
sind. Diese sind eine Art Fähren oder Archen, beinahe so breit als lang, aus
dünnen Brettern leicht und liederlich zusammengefügt, nur zur einzigen Fahrt
stromabwärts brauchbar, sie werden am Endpunkt der Reise als Brennholz ver¬
kauft. Allein diese Regulirung würde keineswegs ungeheure Kraft und Geldmittel
erfordern. Der Bug, der Dniestr und der Dniepr sind breit und tief und nur an
einzelnen Stellen ist es nöthig ihnen die für die Schifffahrt erforderlichen Eigen¬
schaften künstlich zu verschaffen. Dr. Nordmann, ein in russischem Staatsdienst
befindlicher Physiker hat berechnet, daß in diesen drei Flüssen durchschnittlich für
die Meile Flußbett nur 22 Fuß der Regulirung bedürften. Im Dniepr z. B.
würde auf der ganzen Länge vom schwarzen Meere bis Solotonoscha nichts weiter
nöthig sein, als einige Klippen, welche das Flußbett sperren, zu beseitigen. Diese
Klippen, welche mehrere Wasserfälle verursachen, zu sprengen, dürfte zwar bedeu¬
tende Anstrengungen erfordern, doch kann von Unmöglichkeit nicht die Rede sein,
um so weniger, da ein neues die Klippen umgehendes Bett leicht herzustellen ist.
Im oberen Dniepr und zwischen Kiew und Mohilew sind es nur einige Seichten,
welche die Schifffahrt verhindern. Seichten sind auch in den anderen Strömen
die vorzüglichsten Hindernisse. Sie machen in heißen Sommern sogar die Fahr¬
ten der russischen beschriebenen Fahrzeuge unmöglich, weshalb die Transporte
zu Wasser gegenwärtig nur im Frühjahr und Herbst stattfinden.

Aus der Beschaffenheit des Transportwesens läßt sich auf den Zustand des
gesammten Handels schließen. Hundertfach greifen Uncultur des Landes und des
Volkes und Mangel an gesunder nationaler Entwickelung verderblich in das Ge¬
deihen desselben ein. Und doch ist nicht zu leugnen, daß der russische Handel in
diesem Jahrhunderte einen ungeheuern Aufschwung gewonnen hat. Mit Geschick
und List arbeiten sich die Deutschen, Griechen, Italiener durch die unzähligen Mi߬
verhältnisse hindurch, die für den Russen unübersteigliche Dämme sein würden. Zu
diesen Mißverhältnissen gehört selbst die Zollgesetzgebung. Sie schlägt bekanntlich den
Handel in schwere Fesseln, um dem Fabrikwesen Vortheile zu verschaffen. Gleich¬
wohl kann Rußland ohne die Fabrikate des ausländischen Fleißes nicht bestehen.
Wenn aber die Regierung bei ihrer Absperrungsmaßregel gehofft hat, gerade durch


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und der Knechte macht natürlich den Transport theuer. Der Umstand aber, daß
man aus Mangel an Gasthäusern statt der Pferde Ochsen gebrauchen muß,
die allerdings überall am Wege ihr Futter finden, bewirkt außerdem, daß die
Transporte sehr langsam von statten gehen. — Außer diesem Hinderniß des commer-
ziellen Verkehrs gibt es aber noch zwei andere, bei denen die Regierung Abhilfe
wohl gewähren könnte. Rußland ist so reich an schiffbaren Flüssen, daß von allen
Küsten, besonders aber von der wichtigen Südküste aus bis fast zu allen Theilen
des Innern der Transport zu Wasser bewerkstelligt werden könnte. Es würde
nur weniger Kanäle, allerdings aber einer umfassenden Regulirung der Flußbetten
und der Einführung anderer Fahrzeuge bedürfen als die gegenwärtig gebräuchlichen
sind. Diese sind eine Art Fähren oder Archen, beinahe so breit als lang, aus
dünnen Brettern leicht und liederlich zusammengefügt, nur zur einzigen Fahrt
stromabwärts brauchbar, sie werden am Endpunkt der Reise als Brennholz ver¬
kauft. Allein diese Regulirung würde keineswegs ungeheure Kraft und Geldmittel
erfordern. Der Bug, der Dniestr und der Dniepr sind breit und tief und nur an
einzelnen Stellen ist es nöthig ihnen die für die Schifffahrt erforderlichen Eigen¬
schaften künstlich zu verschaffen. Dr. Nordmann, ein in russischem Staatsdienst
befindlicher Physiker hat berechnet, daß in diesen drei Flüssen durchschnittlich für
die Meile Flußbett nur 22 Fuß der Regulirung bedürften. Im Dniepr z. B.
würde auf der ganzen Länge vom schwarzen Meere bis Solotonoscha nichts weiter
nöthig sein, als einige Klippen, welche das Flußbett sperren, zu beseitigen. Diese
Klippen, welche mehrere Wasserfälle verursachen, zu sprengen, dürfte zwar bedeu¬
tende Anstrengungen erfordern, doch kann von Unmöglichkeit nicht die Rede sein,
um so weniger, da ein neues die Klippen umgehendes Bett leicht herzustellen ist.
Im oberen Dniepr und zwischen Kiew und Mohilew sind es nur einige Seichten,
welche die Schifffahrt verhindern. Seichten sind auch in den anderen Strömen
die vorzüglichsten Hindernisse. Sie machen in heißen Sommern sogar die Fahr¬
ten der russischen beschriebenen Fahrzeuge unmöglich, weshalb die Transporte
zu Wasser gegenwärtig nur im Frühjahr und Herbst stattfinden.

Aus der Beschaffenheit des Transportwesens läßt sich auf den Zustand des
gesammten Handels schließen. Hundertfach greifen Uncultur des Landes und des
Volkes und Mangel an gesunder nationaler Entwickelung verderblich in das Ge¬
deihen desselben ein. Und doch ist nicht zu leugnen, daß der russische Handel in
diesem Jahrhunderte einen ungeheuern Aufschwung gewonnen hat. Mit Geschick
und List arbeiten sich die Deutschen, Griechen, Italiener durch die unzähligen Mi߬
verhältnisse hindurch, die für den Russen unübersteigliche Dämme sein würden. Zu
diesen Mißverhältnissen gehört selbst die Zollgesetzgebung. Sie schlägt bekanntlich den
Handel in schwere Fesseln, um dem Fabrikwesen Vortheile zu verschaffen. Gleich¬
wohl kann Rußland ohne die Fabrikate des ausländischen Fleißes nicht bestehen.
Wenn aber die Regierung bei ihrer Absperrungsmaßregel gehofft hat, gerade durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/510>, abgerufen am 15.01.2025.