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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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in den Kneipen füttern und tränken zu lassen, allein sie verstanden nicht weniger
dem Patenten klingende Münze abzunehmen. Dabei war ihr System ganz dasselbe.
So brauchte L. fünf Tage, um die Petition zu erhalten, und siebzehn Tage, um
die Einregistrirung durchzusetzen. In der letzten Gerichtsabtheilung ging es ihm
nicht besser als in den anderen. Zehn Tage lang freqnentirte L. dieselbe, doch
so oft er den Chef dieses Bureaus fragte, ob er schon die Gewogenheit gehabt,
die nöthige Vorstellung an die Paßbehörde nach Warschau abgehen zu lassen, ant¬
wortete dieser mit znrückscheuchendcr Kürze und Kälte: "es ist noch nicht Zeit dazu
geworden."

Der verzweifelnde Petent faßte endlich den Muth diesem vornehmen Staats¬
diener, von dessen Bestechung ihn bis jetzt seine noch viel zu gute Meinung abge¬
halten hatte, einen Dukaten in einem versiegelten Briefe zu überreichen. Dies
machte die Brutalität des amtlichen Herrn verschwinden, er wurde sogleich Freund
und zwar in solcher Ausdehnung, daß er L. in seine Privatwohnung einlud. L.
folgte der Einladung, der Beamte empfing ihn sehr freundlich, unterhielt sich
lange mit ihm über verschiedene Dinge und führte ihn dann vor eine kleine Samm¬
lung von Nauchtabatspfeifen. Bei dieser Gelegenheit nun brachte er die Haupt¬
sache zu Tage. "Ihr ursprüngliches Vaterland, Herr L.", sprach er, "ist das Land
der Tabakspfeifen. Wenn Sie eine Reise machen, welche Ihnen vielleicht einige
hundert Thaler kostet, so wird es Ihnen wahrscheinlich auf drei bis vier Thaler
nicht ankommen, die Sie für eine schöne deutsche Pfeife ausgeben und mit der Sie mir
eine zu wahrhaftem Danke verpflichtende Freude verursachen würden. Zum Ge¬
ringsten wünschte ich, daß Sie mir einen schön gemalten Kopf mitbrächten. Nohr
und Spitze würde ich ja wohl hier zu erhalten im Stande sein."

L. gab freudig das Verspreche" und hielt die Frage nicht für überflüssig, ob
denn Herr S. (der Beamte) meine, daß er (L.) wirklich zu einem Passe gelangen
werde? worauf jener versetzte: "Ha, warum nicht, wenn Sie sich gegen die Beam¬
ten richtig verhalten und die Aemter unablässig in eigner Person bestürmen, --
Mühe dürfen Sie nicht sparen."

Als L. an einem der nächsten Tage das Gubernialgericht besuchte, erhielt er
die Versicherung, ja sogar den Beweis in einem der amtlichen Bücher, daß die
Vorstellung bereits an das Paßamt in Warschau abgesendet sei. "Dem ungeachtet
könne der Petent," erklärte der Chef S. "unter einigen Monaten ans den Empfang
des Passes nicht rechnen. Denn wolle ihm auch das Paßamt, im Falle das
Bureau des Geueralpolizeimeisters in Warschau, an welches zugleich habe ein Bericht
abgesendet werden müssen, keine Einwendungen machen, wolle ihm in diesem Fall
mich das Paßcnnt rasch ausfertigen, so müsse er doch, da er auf länger als
ein halbes Jahr ausgefertigt werde, zuvor noch der Kanzlei des Fürst¬
statthalters Paskiewitsch eingereicht werden. In dieser aber bliebe jede Angelegen¬
heit ziemlich lange liegen und lasse sich auch nicht treiben.


in den Kneipen füttern und tränken zu lassen, allein sie verstanden nicht weniger
dem Patenten klingende Münze abzunehmen. Dabei war ihr System ganz dasselbe.
So brauchte L. fünf Tage, um die Petition zu erhalten, und siebzehn Tage, um
die Einregistrirung durchzusetzen. In der letzten Gerichtsabtheilung ging es ihm
nicht besser als in den anderen. Zehn Tage lang freqnentirte L. dieselbe, doch
so oft er den Chef dieses Bureaus fragte, ob er schon die Gewogenheit gehabt,
die nöthige Vorstellung an die Paßbehörde nach Warschau abgehen zu lassen, ant¬
wortete dieser mit znrückscheuchendcr Kürze und Kälte: „es ist noch nicht Zeit dazu
geworden."

Der verzweifelnde Petent faßte endlich den Muth diesem vornehmen Staats¬
diener, von dessen Bestechung ihn bis jetzt seine noch viel zu gute Meinung abge¬
halten hatte, einen Dukaten in einem versiegelten Briefe zu überreichen. Dies
machte die Brutalität des amtlichen Herrn verschwinden, er wurde sogleich Freund
und zwar in solcher Ausdehnung, daß er L. in seine Privatwohnung einlud. L.
folgte der Einladung, der Beamte empfing ihn sehr freundlich, unterhielt sich
lange mit ihm über verschiedene Dinge und führte ihn dann vor eine kleine Samm¬
lung von Nauchtabatspfeifen. Bei dieser Gelegenheit nun brachte er die Haupt¬
sache zu Tage. „Ihr ursprüngliches Vaterland, Herr L.", sprach er, „ist das Land
der Tabakspfeifen. Wenn Sie eine Reise machen, welche Ihnen vielleicht einige
hundert Thaler kostet, so wird es Ihnen wahrscheinlich auf drei bis vier Thaler
nicht ankommen, die Sie für eine schöne deutsche Pfeife ausgeben und mit der Sie mir
eine zu wahrhaftem Danke verpflichtende Freude verursachen würden. Zum Ge¬
ringsten wünschte ich, daß Sie mir einen schön gemalten Kopf mitbrächten. Nohr
und Spitze würde ich ja wohl hier zu erhalten im Stande sein."

L. gab freudig das Verspreche» und hielt die Frage nicht für überflüssig, ob
denn Herr S. (der Beamte) meine, daß er (L.) wirklich zu einem Passe gelangen
werde? worauf jener versetzte: „Ha, warum nicht, wenn Sie sich gegen die Beam¬
ten richtig verhalten und die Aemter unablässig in eigner Person bestürmen, —
Mühe dürfen Sie nicht sparen."

Als L. an einem der nächsten Tage das Gubernialgericht besuchte, erhielt er
die Versicherung, ja sogar den Beweis in einem der amtlichen Bücher, daß die
Vorstellung bereits an das Paßamt in Warschau abgesendet sei. „Dem ungeachtet
könne der Petent," erklärte der Chef S. „unter einigen Monaten ans den Empfang
des Passes nicht rechnen. Denn wolle ihm auch das Paßamt, im Falle das
Bureau des Geueralpolizeimeisters in Warschau, an welches zugleich habe ein Bericht
abgesendet werden müssen, keine Einwendungen machen, wolle ihm in diesem Fall
mich das Paßcnnt rasch ausfertigen, so müsse er doch, da er auf länger als
ein halbes Jahr ausgefertigt werde, zuvor noch der Kanzlei des Fürst¬
statthalters Paskiewitsch eingereicht werden. In dieser aber bliebe jede Angelegen¬
heit ziemlich lange liegen und lasse sich auch nicht treiben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/50>, abgerufen am 15.01.2025.