Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Nun also war L. im Besitze der Petition. Diese Petition war wunderlicher L. hatte sich uun mit seiner schriftlichen Bitte wieder an den Präsidialadjunc- Nun machte denn anch wirtlich der Adjunct Anstalt, seine Schuldigkeit zu Nun hatte sich L. an das hohe Gubernialgericht mit der Bitte zu wenden, Dasselbe befindet sich in einem prächtigen Gebäude, einem Bauwerke eines Nun also war L. im Besitze der Petition. Diese Petition war wunderlicher L. hatte sich uun mit seiner schriftlichen Bitte wieder an den Präsidialadjunc- Nun machte denn anch wirtlich der Adjunct Anstalt, seine Schuldigkeit zu Nun hatte sich L. an das hohe Gubernialgericht mit der Bitte zu wenden, Dasselbe befindet sich in einem prächtigen Gebäude, einem Bauwerke eines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279597"/> <p xml:id="ID_144"> Nun also war L. im Besitze der Petition. Diese Petition war wunderlicher<lb/> Weise also von demselben Gericht ausgefertigt, an welche sie gerichtet war, denn<lb/> der Petitionsschreibcr war Munizipalgerichtsbeamter.</p><lb/> <p xml:id="ID_145"> L. hatte sich uun mit seiner schriftlichen Bitte wieder an den Präsidialadjunc-<lb/> ten zu wenden und dieser versicherte, daß er ihm das Attest am Sonnabend, dem<lb/> dritten Tage, in's Haus senden werde. Allein L. wartete vergebens acht Tage,<lb/> und als er nun in das Amt ging, gab sich der Adjunct den Anschein, als ob er<lb/> die Sache ganz wider Willen vergesse» habe. Er versprach sein Versprechen am<lb/> nächsten Tage zu erfüllen; allein vergebens hoffte L. drei Tage lang einen Amts-<lb/> diener mit dem Attest in sein Hans treten zu sehen. Der Advocat gab ihm den<lb/> Rath, den Adjuncten eines Sonntags zu einem splendiden Mittagsmahl in seine<lb/> Privatwohnung einzuladen. Diesen Nath befolgte L. und der Adjunct nahm die<lb/> Einladung mit einer Unbefangenheit an, als ob er sich bereirö ungeheure Ver¬<lb/> dienste erworben habe. In L's Wohnung äußerte der Beamte sem Wohlgefallen<lb/> an einem aus der Fabrik von Minder in Warschau stammenden Sorgcnstuhle,<lb/> der zum Wiegen eingerichtet war, in einer Weise, daß L. fast gezwungen war,<lb/> ihm denselben zum Geschenk anzubieten. Er ließ Augenblicks den Stuhl in die<lb/> Wohnung des Adjuncten tragen, versäumte hierbei aber natürlich nicht, die Bitte<lb/> in Betreff seiner Paßangelegenheit auf das dringendste zu wiederholen.</p><lb/> <p xml:id="ID_146"> Nun machte denn anch wirtlich der Adjunct Anstalt, seine Schuldigkeit zu<lb/> thun. Doch dauerte es immer uoch vier Tage, ehe L, in den Besitz des munizi-<lb/> palgerichtlichen Attestes gelaugte, auch versäumte der Adjunct in seinem wacker<lb/> collegialischen Gefühle selbst nach jenein bedeutenden Geschenke uicht, dem Peten-<lb/> ten uoch einige Unterbeamten zur Ausbeutung in die Klanen zu schieben. So<lb/> war denn glücklich das zweite Amt überwunden.</p><lb/> <p xml:id="ID_147"> Nun hatte sich L. an das hohe Gubernialgericht mit der Bitte zu wenden,<lb/> ihm Grund seiner vorliegenden ärztliche» und polizeilichen Älteste von dem kaiser¬<lb/> lichen Paßamt in Warschau eiuen auf acht Monate für eine Reise uach Karlsbad<lb/> giltigen Paß zu erwirken.</p><lb/> <p xml:id="ID_148" next="#ID_149"> Dasselbe befindet sich in einem prächtigen Gebäude, einem Bauwerke eines<lb/> der polnischen Könige aus dem sächsischen Hause, auf einer Anhöhe außerhalb der<lb/> Stadt. Auch hier bedürfte es einer schriftlichen Petition und zwar auf einem<lb/> Stempelbogen zu ein und einem halben Gulden. Es waren hier nicht weniger<lb/> als vier Abtheilungen des hohen Gerichts zu durchschreiten. Hier mußte die Pe¬<lb/> tition ausgefertigt werden, war die Genehmigung dem Chef vorzulegen, in einer<lb/> anderen Abtheilung mußten die Zeugnisse geprüft und die Petition registrirt' wer¬<lb/> den und endlich dann kam sie an die Abtheilung, welche die Angelegenheit des<lb/> Petenten vor die Paßbehörde in Warschau, die einzige des Königreichs, zu brin¬<lb/> gen hatte. In jeder dieser Abtheilungen hatte L. den mühseligsten Kampf mit<lb/> den russischen Staatsdienern zu bestehen. Zwar waren sie hier zu stolz, um sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Nun also war L. im Besitze der Petition. Diese Petition war wunderlicher
Weise also von demselben Gericht ausgefertigt, an welche sie gerichtet war, denn
der Petitionsschreibcr war Munizipalgerichtsbeamter.
L. hatte sich uun mit seiner schriftlichen Bitte wieder an den Präsidialadjunc-
ten zu wenden und dieser versicherte, daß er ihm das Attest am Sonnabend, dem
dritten Tage, in's Haus senden werde. Allein L. wartete vergebens acht Tage,
und als er nun in das Amt ging, gab sich der Adjunct den Anschein, als ob er
die Sache ganz wider Willen vergesse» habe. Er versprach sein Versprechen am
nächsten Tage zu erfüllen; allein vergebens hoffte L. drei Tage lang einen Amts-
diener mit dem Attest in sein Hans treten zu sehen. Der Advocat gab ihm den
Rath, den Adjuncten eines Sonntags zu einem splendiden Mittagsmahl in seine
Privatwohnung einzuladen. Diesen Nath befolgte L. und der Adjunct nahm die
Einladung mit einer Unbefangenheit an, als ob er sich bereirö ungeheure Ver¬
dienste erworben habe. In L's Wohnung äußerte der Beamte sem Wohlgefallen
an einem aus der Fabrik von Minder in Warschau stammenden Sorgcnstuhle,
der zum Wiegen eingerichtet war, in einer Weise, daß L. fast gezwungen war,
ihm denselben zum Geschenk anzubieten. Er ließ Augenblicks den Stuhl in die
Wohnung des Adjuncten tragen, versäumte hierbei aber natürlich nicht, die Bitte
in Betreff seiner Paßangelegenheit auf das dringendste zu wiederholen.
Nun machte denn anch wirtlich der Adjunct Anstalt, seine Schuldigkeit zu
thun. Doch dauerte es immer uoch vier Tage, ehe L, in den Besitz des munizi-
palgerichtlichen Attestes gelaugte, auch versäumte der Adjunct in seinem wacker
collegialischen Gefühle selbst nach jenein bedeutenden Geschenke uicht, dem Peten-
ten uoch einige Unterbeamten zur Ausbeutung in die Klanen zu schieben. So
war denn glücklich das zweite Amt überwunden.
Nun hatte sich L. an das hohe Gubernialgericht mit der Bitte zu wenden,
ihm Grund seiner vorliegenden ärztliche» und polizeilichen Älteste von dem kaiser¬
lichen Paßamt in Warschau eiuen auf acht Monate für eine Reise uach Karlsbad
giltigen Paß zu erwirken.
Dasselbe befindet sich in einem prächtigen Gebäude, einem Bauwerke eines
der polnischen Könige aus dem sächsischen Hause, auf einer Anhöhe außerhalb der
Stadt. Auch hier bedürfte es einer schriftlichen Petition und zwar auf einem
Stempelbogen zu ein und einem halben Gulden. Es waren hier nicht weniger
als vier Abtheilungen des hohen Gerichts zu durchschreiten. Hier mußte die Pe¬
tition ausgefertigt werden, war die Genehmigung dem Chef vorzulegen, in einer
anderen Abtheilung mußten die Zeugnisse geprüft und die Petition registrirt' wer¬
den und endlich dann kam sie an die Abtheilung, welche die Angelegenheit des
Petenten vor die Paßbehörde in Warschau, die einzige des Königreichs, zu brin¬
gen hatte. In jeder dieser Abtheilungen hatte L. den mühseligsten Kampf mit
den russischen Staatsdienern zu bestehen. Zwar waren sie hier zu stolz, um sich
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