Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch den Protektorton, den jene manchmal annahmen und durch öftere und nach¬
drückliche Wiederholung des "wir sind euch zu Hilfe gekommen" verletzt fühlten.
Besonders trat dies später bei dem Rückmärsche der Russen hervor. Denn die
durch die versteckte Tagesbefehl- und Proclamationen - Polemik der beiden Feld¬
herren hervorgerufene Empfindlichkeit wurde durch den in der Presse durchgeführ¬
ten ärgerlichen Nechnuugsprozeß über die relativen Antheile beider Armeen an dem
wenigen bei der ungarischen Affaire erworbenen Kriegsruhm fortwährend wach ge¬
halten und durch alle Zwischengrade bis auf die Lieutenants herab fortgepflanzt.

Die größere Taktlosigkeit scheint hierbei auf unserer Seite gewesen zu sein.
Denn man hat doch einmal die Russen zu Hilfe gerufen und zwar noch ehe es
die Regierung gethan, die Armee selbst, nämlich Pnchner in Hermannstadt; und
so ist es denn gelinde gesagt, sehr unhöflich, ihnen dann statt des Dankes zu
^ager: Wir haben euch gar nicht gebraucht, ihr habt uns nichts genützt und wir
haben das Beste an der Sache selbst gethan.

. Glauben Sie aber nicht, daß >zur uns hier über diesen Mangel an Sympa¬
thien zwischen unserer und der russischen Armee etwa grämen. Ja, wenn wir
wüßten, daß diese mesontente/coräisls anch in den höchsten Regionen vorhan¬
den, unser beschränkter NntertharMerstand würde es für das größte Glück des
Kaiserstaats halten. . ^ , .....




Correspondenz und Notizen.
-i"..,!l)jVO"l.u:.-^



Portraits der Feldungen in Franken.

' Vor einem Jahr war die gesammte fränkische Presse mit'zwei oder drei Ausnah¬
men von demokratischen Ideen und autibairischen Gelüsten inficirti Jetzt sind alle jene
Träume aus den-Spalten der Zeitungen wie aus den Köpfen entschwunden und die
Vertretung der Demokratie geschieht nur uoch auf die allervorsichtigstc Weise.

., Das gelesenste Blatt der Provinz, das über ganz Baiern stark verbreitet ist, ist
der Nürnberger Korrespondent, in langweiligem Folio Format, auf sehr schlech¬
tem Papier mit sehr altmodischen Lettern gedruckt. Er hat vor der Revolution außer
der des Löschpapiers keine in Baiern verbotene Farbe gehabt; nach der Revolution ge-
berdete er sich zuerst aus eine anständige Weise schwarzrothgold; im Lauf der Zeit kam
jedoch die alte weißblaue Grundfarbe wieder mehr und mehr zum Vorschein. Die Mai¬
tage hatten auch ihn etwas derangirt, jetzt ist er indessen wieder ganz nach dem Pford-
tenschen Geschmack justirt. In langathmigen Leitartikeln ficht er nach anßen für M
ganzes Deutschland sammt Oestreich, verstößt manche Lanze gegen die schwarzweiße
deutsche Zeitung, die ihm ein besonderer Dorn im Ange ist, anch gegen das Ministe¬
rium Brandenburg und gegen die pietistisch-absolntistische Fraction Stahl-Gerlach. Man
sieht "ohne Wahl zuckt der Strahl." Zum Glück sind es nur kalte Schläge. Wichtig
ist das Blatt in vieler Hinsicht trotz seiner Langweiligkeit, einmal wegen seiner Stellung


durch den Protektorton, den jene manchmal annahmen und durch öftere und nach¬
drückliche Wiederholung des „wir sind euch zu Hilfe gekommen" verletzt fühlten.
Besonders trat dies später bei dem Rückmärsche der Russen hervor. Denn die
durch die versteckte Tagesbefehl- und Proclamationen - Polemik der beiden Feld¬
herren hervorgerufene Empfindlichkeit wurde durch den in der Presse durchgeführ¬
ten ärgerlichen Nechnuugsprozeß über die relativen Antheile beider Armeen an dem
wenigen bei der ungarischen Affaire erworbenen Kriegsruhm fortwährend wach ge¬
halten und durch alle Zwischengrade bis auf die Lieutenants herab fortgepflanzt.

Die größere Taktlosigkeit scheint hierbei auf unserer Seite gewesen zu sein.
Denn man hat doch einmal die Russen zu Hilfe gerufen und zwar noch ehe es
die Regierung gethan, die Armee selbst, nämlich Pnchner in Hermannstadt; und
so ist es denn gelinde gesagt, sehr unhöflich, ihnen dann statt des Dankes zu
^ager: Wir haben euch gar nicht gebraucht, ihr habt uns nichts genützt und wir
haben das Beste an der Sache selbst gethan.

. Glauben Sie aber nicht, daß >zur uns hier über diesen Mangel an Sympa¬
thien zwischen unserer und der russischen Armee etwa grämen. Ja, wenn wir
wüßten, daß diese mesontente/coräisls anch in den höchsten Regionen vorhan¬
den, unser beschränkter NntertharMerstand würde es für das größte Glück des
Kaiserstaats halten. . ^ , .....




Correspondenz und Notizen.
-i»..,!l)jVO»l.u:.-^



Portraits der Feldungen in Franken.

' Vor einem Jahr war die gesammte fränkische Presse mit'zwei oder drei Ausnah¬
men von demokratischen Ideen und autibairischen Gelüsten inficirti Jetzt sind alle jene
Träume aus den-Spalten der Zeitungen wie aus den Köpfen entschwunden und die
Vertretung der Demokratie geschieht nur uoch auf die allervorsichtigstc Weise.

., Das gelesenste Blatt der Provinz, das über ganz Baiern stark verbreitet ist, ist
der Nürnberger Korrespondent, in langweiligem Folio Format, auf sehr schlech¬
tem Papier mit sehr altmodischen Lettern gedruckt. Er hat vor der Revolution außer
der des Löschpapiers keine in Baiern verbotene Farbe gehabt; nach der Revolution ge-
berdete er sich zuerst aus eine anständige Weise schwarzrothgold; im Lauf der Zeit kam
jedoch die alte weißblaue Grundfarbe wieder mehr und mehr zum Vorschein. Die Mai¬
tage hatten auch ihn etwas derangirt, jetzt ist er indessen wieder ganz nach dem Pford-
tenschen Geschmack justirt. In langathmigen Leitartikeln ficht er nach anßen für M
ganzes Deutschland sammt Oestreich, verstößt manche Lanze gegen die schwarzweiße
deutsche Zeitung, die ihm ein besonderer Dorn im Ange ist, anch gegen das Ministe¬
rium Brandenburg und gegen die pietistisch-absolntistische Fraction Stahl-Gerlach. Man
sieht „ohne Wahl zuckt der Strahl." Zum Glück sind es nur kalte Schläge. Wichtig
ist das Blatt in vieler Hinsicht trotz seiner Langweiligkeit, einmal wegen seiner Stellung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280031"/>
          <p xml:id="ID_1679" prev="#ID_1678"> durch den Protektorton, den jene manchmal annahmen und durch öftere und nach¬<lb/>
drückliche Wiederholung des &#x201E;wir sind euch zu Hilfe gekommen" verletzt fühlten.<lb/>
Besonders trat dies später bei dem Rückmärsche der Russen hervor. Denn die<lb/>
durch die versteckte Tagesbefehl- und Proclamationen - Polemik der beiden Feld¬<lb/>
herren hervorgerufene Empfindlichkeit wurde durch den in der Presse durchgeführ¬<lb/>
ten ärgerlichen Nechnuugsprozeß über die relativen Antheile beider Armeen an dem<lb/>
wenigen bei der ungarischen Affaire erworbenen Kriegsruhm fortwährend wach ge¬<lb/>
halten und durch alle Zwischengrade bis auf die Lieutenants herab fortgepflanzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1680"> Die größere Taktlosigkeit scheint hierbei auf unserer Seite gewesen zu sein.<lb/>
Denn man hat doch einmal die Russen zu Hilfe gerufen und zwar noch ehe es<lb/>
die Regierung gethan, die Armee selbst, nämlich Pnchner in Hermannstadt; und<lb/>
so ist es denn gelinde gesagt, sehr unhöflich, ihnen dann statt des Dankes zu<lb/>
^ager: Wir haben euch gar nicht gebraucht, ihr habt uns nichts genützt und wir<lb/>
haben das Beste an der Sache selbst gethan.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1681"> . Glauben Sie aber nicht, daß &gt;zur uns hier über diesen Mangel an Sympa¬<lb/>
thien zwischen unserer und der russischen Armee etwa grämen. Ja, wenn wir<lb/>
wüßten, daß diese mesontente/coräisls anch in den höchsten Regionen vorhan¬<lb/>
den, unser beschränkter NntertharMerstand würde es für das größte Glück des<lb/>
Kaiserstaats halten. . ^ , .....</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Correspondenz und Notizen.<lb/>
-i»..,!l)jVO»l.u:.-^</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> Portraits der Feldungen in Franken.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1682"> ' Vor einem Jahr war die gesammte fränkische Presse mit'zwei oder drei Ausnah¬<lb/>
men von demokratischen Ideen und autibairischen Gelüsten inficirti Jetzt sind alle jene<lb/>
Träume aus den-Spalten der Zeitungen wie aus den Köpfen entschwunden und die<lb/>
Vertretung der Demokratie geschieht nur uoch auf die allervorsichtigstc Weise.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1683" next="#ID_1684"> ., Das gelesenste Blatt der Provinz, das über ganz Baiern stark verbreitet ist, ist<lb/>
der Nürnberger Korrespondent, in langweiligem Folio Format, auf sehr schlech¬<lb/>
tem Papier mit sehr altmodischen Lettern gedruckt. Er hat vor der Revolution außer<lb/>
der des Löschpapiers keine in Baiern verbotene Farbe gehabt; nach der Revolution ge-<lb/>
berdete er sich zuerst aus eine anständige Weise schwarzrothgold; im Lauf der Zeit kam<lb/>
jedoch die alte weißblaue Grundfarbe wieder mehr und mehr zum Vorschein. Die Mai¬<lb/>
tage hatten auch ihn etwas derangirt, jetzt ist er indessen wieder ganz nach dem Pford-<lb/>
tenschen Geschmack justirt. In langathmigen Leitartikeln ficht er nach anßen für M<lb/>
ganzes Deutschland sammt Oestreich, verstößt manche Lanze gegen die schwarzweiße<lb/>
deutsche Zeitung, die ihm ein besonderer Dorn im Ange ist, anch gegen das Ministe¬<lb/>
rium Brandenburg und gegen die pietistisch-absolntistische Fraction Stahl-Gerlach. Man<lb/>
sieht &#x201E;ohne Wahl zuckt der Strahl." Zum Glück sind es nur kalte Schläge. Wichtig<lb/>
ist das Blatt in vieler Hinsicht trotz seiner Langweiligkeit, einmal wegen seiner Stellung</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0483] durch den Protektorton, den jene manchmal annahmen und durch öftere und nach¬ drückliche Wiederholung des „wir sind euch zu Hilfe gekommen" verletzt fühlten. Besonders trat dies später bei dem Rückmärsche der Russen hervor. Denn die durch die versteckte Tagesbefehl- und Proclamationen - Polemik der beiden Feld¬ herren hervorgerufene Empfindlichkeit wurde durch den in der Presse durchgeführ¬ ten ärgerlichen Nechnuugsprozeß über die relativen Antheile beider Armeen an dem wenigen bei der ungarischen Affaire erworbenen Kriegsruhm fortwährend wach ge¬ halten und durch alle Zwischengrade bis auf die Lieutenants herab fortgepflanzt. Die größere Taktlosigkeit scheint hierbei auf unserer Seite gewesen zu sein. Denn man hat doch einmal die Russen zu Hilfe gerufen und zwar noch ehe es die Regierung gethan, die Armee selbst, nämlich Pnchner in Hermannstadt; und so ist es denn gelinde gesagt, sehr unhöflich, ihnen dann statt des Dankes zu ^ager: Wir haben euch gar nicht gebraucht, ihr habt uns nichts genützt und wir haben das Beste an der Sache selbst gethan. . Glauben Sie aber nicht, daß >zur uns hier über diesen Mangel an Sympa¬ thien zwischen unserer und der russischen Armee etwa grämen. Ja, wenn wir wüßten, daß diese mesontente/coräisls anch in den höchsten Regionen vorhan¬ den, unser beschränkter NntertharMerstand würde es für das größte Glück des Kaiserstaats halten. . ^ , ..... Correspondenz und Notizen. -i»..,!l)jVO»l.u:.-^ Portraits der Feldungen in Franken. ' Vor einem Jahr war die gesammte fränkische Presse mit'zwei oder drei Ausnah¬ men von demokratischen Ideen und autibairischen Gelüsten inficirti Jetzt sind alle jene Träume aus den-Spalten der Zeitungen wie aus den Köpfen entschwunden und die Vertretung der Demokratie geschieht nur uoch auf die allervorsichtigstc Weise. ., Das gelesenste Blatt der Provinz, das über ganz Baiern stark verbreitet ist, ist der Nürnberger Korrespondent, in langweiligem Folio Format, auf sehr schlech¬ tem Papier mit sehr altmodischen Lettern gedruckt. Er hat vor der Revolution außer der des Löschpapiers keine in Baiern verbotene Farbe gehabt; nach der Revolution ge- berdete er sich zuerst aus eine anständige Weise schwarzrothgold; im Lauf der Zeit kam jedoch die alte weißblaue Grundfarbe wieder mehr und mehr zum Vorschein. Die Mai¬ tage hatten auch ihn etwas derangirt, jetzt ist er indessen wieder ganz nach dem Pford- tenschen Geschmack justirt. In langathmigen Leitartikeln ficht er nach anßen für M ganzes Deutschland sammt Oestreich, verstößt manche Lanze gegen die schwarzweiße deutsche Zeitung, die ihm ein besonderer Dorn im Ange ist, anch gegen das Ministe¬ rium Brandenburg und gegen die pietistisch-absolntistische Fraction Stahl-Gerlach. Man sieht „ohne Wahl zuckt der Strahl." Zum Glück sind es nur kalte Schläge. Wichtig ist das Blatt in vieler Hinsicht trotz seiner Langweiligkeit, einmal wegen seiner Stellung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/483
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/483>, abgerufen am 15.01.2025.