Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

so viel Enthusiasmus für den ungarischen Krieg vorhanden gewesen wäre, im
Gegentheile er war sehr unpopulär. Abgesehen davon, daß ein nicht unbeträcht¬
licher Theil des Volkes wirklich mit den Ungarn sympathisirte, war auch die große
Mehrzahl, die sich wenig um Politik kümmert, desselben nachgerade müde gewor¬
den. Er hatte genug Meuschen gekostet, und man wünschte sehnlichst ihn been¬
digt zu sehen, am liebsten dnrch einen Vergleich und billige Conzessionen. Da
nun aber der Kaiser nicht nachgeben wollte und die "Teufelskerle", die Ungarn,
sich nicht schlage" ließen, fürchtete man eine ne"c Rekrutirung, und doch stand ein
sehr großer Theil der jungen Mannschaft bereits unter den Waffen und schon
fing es hier und da an dem Ackerbau an Händen zu fehlen. Deshalb fühlte man
sich denn sehr erleichtert durch die russische Hilfe. Was kümmerte den galizischen
Kleinbürger und Bauer, daß wir eine Großmacht seien nud unsere Würde zu be¬
haupten hätten vor den Augen Europa's, und was wußten sie von unserm Be"
ruft im Osten und den Dingen an der untern Dona"? Die fremde Intervention
war für sie ganz einfach eine Frage der militärischen Stellvertretung im Großen.
Und da fand man, daß sich die Russen allerdings weit besser dazu eigneten in
Ungarn als Futter für Pulver zu dienen als unsere eignen Söhne und Brüder,
aber einen Schnaps verdienten sie immerhin dafür.

Man sah es übrigens auch den Russen an, daß sie gern zu Hause geblieben
wären und andere Leute in Ruhe gelassen hätten, aber der Wille einer finstern
Macht bewegte sie. Es liegt etwas fast Tragisches in dem Kontraste, daß diese
armen unglücklichen duldenden Menschen, die wir doch nur bemitleiden könne",
uns eben dadurch so furchtbar geworden. Denn furchtbar sind diese Massen, ob¬
wohl von Natur uicht kriegerisch, durch ihre Zahl, ihren blinden Gehorsam und
ihre Todesverachtung, die bei ihnen eigentliche Tapferkeit ersetzt. Der russische Soldat
schlägt sich nicht um des Vaterlandes, nicht um des Ruhmes, ja nicht einmal um
des Kaisers willen; sondern weil es befohlen wird, und mau gehorchen muß,
wenn man uicht Schläge bekommen will und deu Tod fürchtet er nicht, weil ihm
das Leben so sauer gemacht wird, daß er nicht viel daran zu verlieren hat.

Unsere östreichischen Soldaten wurden vou ihnen mit einer gewissen Mischung
von Neid und Verachtung betrachtet. Sie schienen sich von der Vorstellung uicht
losmachen zu können, daß diese hübschen Soldaten in ihren netten enganliegenden
Uniformen, die Cigarren rauchen und Geld in der Tasche haben und die sie halb
spöttisch "Herren" nannten, eben nur zur Parade da seien; daß mau aber, wo
es wirklich ernst gelte, sich ohne sie, die Russen, nicht helfen könne. Auch zwischen
den beiderseitigen Offizieren konnte trotz einiger Verbrüderungsbanquette das Ver¬
hältniß sich uicht recht kameradschaftlich gestalten. Sie mieden sich eher als sie
sich suchten, theils wegen der verschiedenen Ideen über militärische Etiquette, die
in der russischen Armee viel strenger zu sein scheint und jede Annäherung zwischen
Offizieren verschiedenen Grades fast unmöglich macht; theils weil sich die Unsrigen


so viel Enthusiasmus für den ungarischen Krieg vorhanden gewesen wäre, im
Gegentheile er war sehr unpopulär. Abgesehen davon, daß ein nicht unbeträcht¬
licher Theil des Volkes wirklich mit den Ungarn sympathisirte, war auch die große
Mehrzahl, die sich wenig um Politik kümmert, desselben nachgerade müde gewor¬
den. Er hatte genug Meuschen gekostet, und man wünschte sehnlichst ihn been¬
digt zu sehen, am liebsten dnrch einen Vergleich und billige Conzessionen. Da
nun aber der Kaiser nicht nachgeben wollte und die „Teufelskerle", die Ungarn,
sich nicht schlage» ließen, fürchtete man eine ne»c Rekrutirung, und doch stand ein
sehr großer Theil der jungen Mannschaft bereits unter den Waffen und schon
fing es hier und da an dem Ackerbau an Händen zu fehlen. Deshalb fühlte man
sich denn sehr erleichtert durch die russische Hilfe. Was kümmerte den galizischen
Kleinbürger und Bauer, daß wir eine Großmacht seien nud unsere Würde zu be¬
haupten hätten vor den Augen Europa's, und was wußten sie von unserm Be»
ruft im Osten und den Dingen an der untern Dona»? Die fremde Intervention
war für sie ganz einfach eine Frage der militärischen Stellvertretung im Großen.
Und da fand man, daß sich die Russen allerdings weit besser dazu eigneten in
Ungarn als Futter für Pulver zu dienen als unsere eignen Söhne und Brüder,
aber einen Schnaps verdienten sie immerhin dafür.

Man sah es übrigens auch den Russen an, daß sie gern zu Hause geblieben
wären und andere Leute in Ruhe gelassen hätten, aber der Wille einer finstern
Macht bewegte sie. Es liegt etwas fast Tragisches in dem Kontraste, daß diese
armen unglücklichen duldenden Menschen, die wir doch nur bemitleiden könne«,
uns eben dadurch so furchtbar geworden. Denn furchtbar sind diese Massen, ob¬
wohl von Natur uicht kriegerisch, durch ihre Zahl, ihren blinden Gehorsam und
ihre Todesverachtung, die bei ihnen eigentliche Tapferkeit ersetzt. Der russische Soldat
schlägt sich nicht um des Vaterlandes, nicht um des Ruhmes, ja nicht einmal um
des Kaisers willen; sondern weil es befohlen wird, und mau gehorchen muß,
wenn man uicht Schläge bekommen will und deu Tod fürchtet er nicht, weil ihm
das Leben so sauer gemacht wird, daß er nicht viel daran zu verlieren hat.

Unsere östreichischen Soldaten wurden vou ihnen mit einer gewissen Mischung
von Neid und Verachtung betrachtet. Sie schienen sich von der Vorstellung uicht
losmachen zu können, daß diese hübschen Soldaten in ihren netten enganliegenden
Uniformen, die Cigarren rauchen und Geld in der Tasche haben und die sie halb
spöttisch „Herren" nannten, eben nur zur Parade da seien; daß mau aber, wo
es wirklich ernst gelte, sich ohne sie, die Russen, nicht helfen könne. Auch zwischen
den beiderseitigen Offizieren konnte trotz einiger Verbrüderungsbanquette das Ver¬
hältniß sich uicht recht kameradschaftlich gestalten. Sie mieden sich eher als sie
sich suchten, theils wegen der verschiedenen Ideen über militärische Etiquette, die
in der russischen Armee viel strenger zu sein scheint und jede Annäherung zwischen
Offizieren verschiedenen Grades fast unmöglich macht; theils weil sich die Unsrigen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280030"/>
          <p xml:id="ID_1676" prev="#ID_1675"> so viel Enthusiasmus für den ungarischen Krieg vorhanden gewesen wäre, im<lb/>
Gegentheile er war sehr unpopulär. Abgesehen davon, daß ein nicht unbeträcht¬<lb/>
licher Theil des Volkes wirklich mit den Ungarn sympathisirte, war auch die große<lb/>
Mehrzahl, die sich wenig um Politik kümmert, desselben nachgerade müde gewor¬<lb/>
den. Er hatte genug Meuschen gekostet, und man wünschte sehnlichst ihn been¬<lb/>
digt zu sehen, am liebsten dnrch einen Vergleich und billige Conzessionen. Da<lb/>
nun aber der Kaiser nicht nachgeben wollte und die &#x201E;Teufelskerle", die Ungarn,<lb/>
sich nicht schlage» ließen, fürchtete man eine ne»c Rekrutirung, und doch stand ein<lb/>
sehr großer Theil der jungen Mannschaft bereits unter den Waffen und schon<lb/>
fing es hier und da an dem Ackerbau an Händen zu fehlen. Deshalb fühlte man<lb/>
sich denn sehr erleichtert durch die russische Hilfe. Was kümmerte den galizischen<lb/>
Kleinbürger und Bauer, daß wir eine Großmacht seien nud unsere Würde zu be¬<lb/>
haupten hätten vor den Augen Europa's, und was wußten sie von unserm Be»<lb/>
ruft im Osten und den Dingen an der untern Dona»? Die fremde Intervention<lb/>
war für sie ganz einfach eine Frage der militärischen Stellvertretung im Großen.<lb/>
Und da fand man, daß sich die Russen allerdings weit besser dazu eigneten in<lb/>
Ungarn als Futter für Pulver zu dienen als unsere eignen Söhne und Brüder,<lb/>
aber einen Schnaps verdienten sie immerhin dafür.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1677"> Man sah es übrigens auch den Russen an, daß sie gern zu Hause geblieben<lb/>
wären und andere Leute in Ruhe gelassen hätten, aber der Wille einer finstern<lb/>
Macht bewegte sie. Es liegt etwas fast Tragisches in dem Kontraste, daß diese<lb/>
armen unglücklichen duldenden Menschen, die wir doch nur bemitleiden könne«,<lb/>
uns eben dadurch so furchtbar geworden. Denn furchtbar sind diese Massen, ob¬<lb/>
wohl von Natur uicht kriegerisch, durch ihre Zahl, ihren blinden Gehorsam und<lb/>
ihre Todesverachtung, die bei ihnen eigentliche Tapferkeit ersetzt. Der russische Soldat<lb/>
schlägt sich nicht um des Vaterlandes, nicht um des Ruhmes, ja nicht einmal um<lb/>
des Kaisers willen; sondern weil es befohlen wird, und mau gehorchen muß,<lb/>
wenn man uicht Schläge bekommen will und deu Tod fürchtet er nicht, weil ihm<lb/>
das Leben so sauer gemacht wird, daß er nicht viel daran zu verlieren hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1678" next="#ID_1679"> Unsere östreichischen Soldaten wurden vou ihnen mit einer gewissen Mischung<lb/>
von Neid und Verachtung betrachtet. Sie schienen sich von der Vorstellung uicht<lb/>
losmachen zu können, daß diese hübschen Soldaten in ihren netten enganliegenden<lb/>
Uniformen, die Cigarren rauchen und Geld in der Tasche haben und die sie halb<lb/>
spöttisch &#x201E;Herren" nannten, eben nur zur Parade da seien; daß mau aber, wo<lb/>
es wirklich ernst gelte, sich ohne sie, die Russen, nicht helfen könne. Auch zwischen<lb/>
den beiderseitigen Offizieren konnte trotz einiger Verbrüderungsbanquette das Ver¬<lb/>
hältniß sich uicht recht kameradschaftlich gestalten. Sie mieden sich eher als sie<lb/>
sich suchten, theils wegen der verschiedenen Ideen über militärische Etiquette, die<lb/>
in der russischen Armee viel strenger zu sein scheint und jede Annäherung zwischen<lb/>
Offizieren verschiedenen Grades fast unmöglich macht; theils weil sich die Unsrigen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0482] so viel Enthusiasmus für den ungarischen Krieg vorhanden gewesen wäre, im Gegentheile er war sehr unpopulär. Abgesehen davon, daß ein nicht unbeträcht¬ licher Theil des Volkes wirklich mit den Ungarn sympathisirte, war auch die große Mehrzahl, die sich wenig um Politik kümmert, desselben nachgerade müde gewor¬ den. Er hatte genug Meuschen gekostet, und man wünschte sehnlichst ihn been¬ digt zu sehen, am liebsten dnrch einen Vergleich und billige Conzessionen. Da nun aber der Kaiser nicht nachgeben wollte und die „Teufelskerle", die Ungarn, sich nicht schlage» ließen, fürchtete man eine ne»c Rekrutirung, und doch stand ein sehr großer Theil der jungen Mannschaft bereits unter den Waffen und schon fing es hier und da an dem Ackerbau an Händen zu fehlen. Deshalb fühlte man sich denn sehr erleichtert durch die russische Hilfe. Was kümmerte den galizischen Kleinbürger und Bauer, daß wir eine Großmacht seien nud unsere Würde zu be¬ haupten hätten vor den Augen Europa's, und was wußten sie von unserm Be» ruft im Osten und den Dingen an der untern Dona»? Die fremde Intervention war für sie ganz einfach eine Frage der militärischen Stellvertretung im Großen. Und da fand man, daß sich die Russen allerdings weit besser dazu eigneten in Ungarn als Futter für Pulver zu dienen als unsere eignen Söhne und Brüder, aber einen Schnaps verdienten sie immerhin dafür. Man sah es übrigens auch den Russen an, daß sie gern zu Hause geblieben wären und andere Leute in Ruhe gelassen hätten, aber der Wille einer finstern Macht bewegte sie. Es liegt etwas fast Tragisches in dem Kontraste, daß diese armen unglücklichen duldenden Menschen, die wir doch nur bemitleiden könne«, uns eben dadurch so furchtbar geworden. Denn furchtbar sind diese Massen, ob¬ wohl von Natur uicht kriegerisch, durch ihre Zahl, ihren blinden Gehorsam und ihre Todesverachtung, die bei ihnen eigentliche Tapferkeit ersetzt. Der russische Soldat schlägt sich nicht um des Vaterlandes, nicht um des Ruhmes, ja nicht einmal um des Kaisers willen; sondern weil es befohlen wird, und mau gehorchen muß, wenn man uicht Schläge bekommen will und deu Tod fürchtet er nicht, weil ihm das Leben so sauer gemacht wird, daß er nicht viel daran zu verlieren hat. Unsere östreichischen Soldaten wurden vou ihnen mit einer gewissen Mischung von Neid und Verachtung betrachtet. Sie schienen sich von der Vorstellung uicht losmachen zu können, daß diese hübschen Soldaten in ihren netten enganliegenden Uniformen, die Cigarren rauchen und Geld in der Tasche haben und die sie halb spöttisch „Herren" nannten, eben nur zur Parade da seien; daß mau aber, wo es wirklich ernst gelte, sich ohne sie, die Russen, nicht helfen könne. Auch zwischen den beiderseitigen Offizieren konnte trotz einiger Verbrüderungsbanquette das Ver¬ hältniß sich uicht recht kameradschaftlich gestalten. Sie mieden sich eher als sie sich suchten, theils wegen der verschiedenen Ideen über militärische Etiquette, die in der russischen Armee viel strenger zu sein scheint und jede Annäherung zwischen Offizieren verschiedenen Grades fast unmöglich macht; theils weil sich die Unsrigen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/482
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/482>, abgerufen am 15.01.2025.