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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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In einem der nächsten Hefte werde ich die Schilderung der größern Tage¬
blätter: Ostdeutsche Post, Presse, Lloyd, Wanderer n. s. w., unternehmen. Die
"Presse" ist vor einigen Tagen suspendirt worden. So zeigt sich
denn wieder als leerer Wind, was die Ministeriellen von der bevorstehenden Her¬
stellung eines Rechtszuständig für die Publizistik und von der Verweisung' von
Preßvergehen vor das Geschwornengericht aussprengten. Warum fing man damit
nicht bei der "Presse" an? Soll neben deu Preßgerichten das Suspcnsionsrecht
Welden's vielleicht fortbestehen, damit auch mikroskopisch kleine Vergehen bestraft
werden können? -- Die "Presse", welche an dem ministeriellen Novemberprogramm
mit größerer Treue festhielt als das Ministerin",, bestand auf der Nothwendigkeit,
die Verfassung zu verwirklichen und Deutschlands Recht auf den Bundesstaat an¬
zuerkennen. Das ist ihr Verbrechen!! Ministerielle Organe "s lovv .-unI tü^K
<1<!Arov dagegen eifern gegen den versprochenen Reichstag mit Gründen, welche eine
Suspension der Verfassung ans 30Jahre in Aussicht zu stellen im Stande
sind. Zur Entscheidung wollen sie Oestreich an die Spitze Deutschlands stellen.
Dieses wird hoffentlich in Dankbarkeit ersterben! --




Die Russen in Galizien.

Wir haben, wie Sie wissen, vor Kurzem großen Besuch gehabt, unsere
Nachbarn, die Russen sind hier gewesen, beinahe 200,000 Mann mit einer Unzahl
von Wagen und Pferden. Das war ein Spektakel, wir wußten kaum, wo uns
der Kopf stehe. Nun siud sie fort, und Sie werden es nicht Klatschsucht nennen,
wenn wir uns jetzt einige Bemerkungen über sie erlauben. Ist es doch in jeder
guten Gesellschaft nicht anders, kaum ist ein Gast zur Thüre hinaus, so verwan¬
delt sich das Haus in ein Comitv zur Untersuchung seiner Fehler und Verzüge,
wobei gewöhnlich mit solcher Umsicht und Gründlichkeit verfahren wird, daß oft
kein gutes Haar bleibt an dem armen Abwesenden. Dieser guten alten Sitte
wollen wir auch jetzt nicht untren werden, aber wir versprechen Ihnen Maß
zu halten.

Es ist nun schon lange her, daß wir neben einander wohnen, wir und die
Russen (seit der Theilung Polens), und wir haben uns die ganze Zeit über ziem¬
lich gut vertragen, machen auch hin und wieder Geschäfte mit einander, sie kaufen
Sensen von uns und geben uns dasür Talg und Hänte, wenn wir welche brau¬
chen; und doch kennen wir uns gegenseitig nicht recht. Das ist aber mehr ihre
als unsere Schuld. Reisende, die in Rußland waren, pflegen die patriarchalische


In einem der nächsten Hefte werde ich die Schilderung der größern Tage¬
blätter: Ostdeutsche Post, Presse, Lloyd, Wanderer n. s. w., unternehmen. Die
„Presse" ist vor einigen Tagen suspendirt worden. So zeigt sich
denn wieder als leerer Wind, was die Ministeriellen von der bevorstehenden Her¬
stellung eines Rechtszuständig für die Publizistik und von der Verweisung' von
Preßvergehen vor das Geschwornengericht aussprengten. Warum fing man damit
nicht bei der „Presse" an? Soll neben deu Preßgerichten das Suspcnsionsrecht
Welden's vielleicht fortbestehen, damit auch mikroskopisch kleine Vergehen bestraft
werden können? — Die „Presse", welche an dem ministeriellen Novemberprogramm
mit größerer Treue festhielt als das Ministerin»,, bestand auf der Nothwendigkeit,
die Verfassung zu verwirklichen und Deutschlands Recht auf den Bundesstaat an¬
zuerkennen. Das ist ihr Verbrechen!! Ministerielle Organe »s lovv .-unI tü^K
<1<!Arov dagegen eifern gegen den versprochenen Reichstag mit Gründen, welche eine
Suspension der Verfassung ans 30Jahre in Aussicht zu stellen im Stande
sind. Zur Entscheidung wollen sie Oestreich an die Spitze Deutschlands stellen.
Dieses wird hoffentlich in Dankbarkeit ersterben! —




Die Russen in Galizien.

Wir haben, wie Sie wissen, vor Kurzem großen Besuch gehabt, unsere
Nachbarn, die Russen sind hier gewesen, beinahe 200,000 Mann mit einer Unzahl
von Wagen und Pferden. Das war ein Spektakel, wir wußten kaum, wo uns
der Kopf stehe. Nun siud sie fort, und Sie werden es nicht Klatschsucht nennen,
wenn wir uns jetzt einige Bemerkungen über sie erlauben. Ist es doch in jeder
guten Gesellschaft nicht anders, kaum ist ein Gast zur Thüre hinaus, so verwan¬
delt sich das Haus in ein Comitv zur Untersuchung seiner Fehler und Verzüge,
wobei gewöhnlich mit solcher Umsicht und Gründlichkeit verfahren wird, daß oft
kein gutes Haar bleibt an dem armen Abwesenden. Dieser guten alten Sitte
wollen wir auch jetzt nicht untren werden, aber wir versprechen Ihnen Maß
zu halten.

Es ist nun schon lange her, daß wir neben einander wohnen, wir und die
Russen (seit der Theilung Polens), und wir haben uns die ganze Zeit über ziem¬
lich gut vertragen, machen auch hin und wieder Geschäfte mit einander, sie kaufen
Sensen von uns und geben uns dasür Talg und Hänte, wenn wir welche brau¬
chen; und doch kennen wir uns gegenseitig nicht recht. Das ist aber mehr ihre
als unsere Schuld. Reisende, die in Rußland waren, pflegen die patriarchalische


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[0477] In einem der nächsten Hefte werde ich die Schilderung der größern Tage¬ blätter: Ostdeutsche Post, Presse, Lloyd, Wanderer n. s. w., unternehmen. Die „Presse" ist vor einigen Tagen suspendirt worden. So zeigt sich denn wieder als leerer Wind, was die Ministeriellen von der bevorstehenden Her¬ stellung eines Rechtszuständig für die Publizistik und von der Verweisung' von Preßvergehen vor das Geschwornengericht aussprengten. Warum fing man damit nicht bei der „Presse" an? Soll neben deu Preßgerichten das Suspcnsionsrecht Welden's vielleicht fortbestehen, damit auch mikroskopisch kleine Vergehen bestraft werden können? — Die „Presse", welche an dem ministeriellen Novemberprogramm mit größerer Treue festhielt als das Ministerin»,, bestand auf der Nothwendigkeit, die Verfassung zu verwirklichen und Deutschlands Recht auf den Bundesstaat an¬ zuerkennen. Das ist ihr Verbrechen!! Ministerielle Organe »s lovv .-unI tü^K <1<!Arov dagegen eifern gegen den versprochenen Reichstag mit Gründen, welche eine Suspension der Verfassung ans 30Jahre in Aussicht zu stellen im Stande sind. Zur Entscheidung wollen sie Oestreich an die Spitze Deutschlands stellen. Dieses wird hoffentlich in Dankbarkeit ersterben! — Die Russen in Galizien. Wir haben, wie Sie wissen, vor Kurzem großen Besuch gehabt, unsere Nachbarn, die Russen sind hier gewesen, beinahe 200,000 Mann mit einer Unzahl von Wagen und Pferden. Das war ein Spektakel, wir wußten kaum, wo uns der Kopf stehe. Nun siud sie fort, und Sie werden es nicht Klatschsucht nennen, wenn wir uns jetzt einige Bemerkungen über sie erlauben. Ist es doch in jeder guten Gesellschaft nicht anders, kaum ist ein Gast zur Thüre hinaus, so verwan¬ delt sich das Haus in ein Comitv zur Untersuchung seiner Fehler und Verzüge, wobei gewöhnlich mit solcher Umsicht und Gründlichkeit verfahren wird, daß oft kein gutes Haar bleibt an dem armen Abwesenden. Dieser guten alten Sitte wollen wir auch jetzt nicht untren werden, aber wir versprechen Ihnen Maß zu halten. Es ist nun schon lange her, daß wir neben einander wohnen, wir und die Russen (seit der Theilung Polens), und wir haben uns die ganze Zeit über ziem¬ lich gut vertragen, machen auch hin und wieder Geschäfte mit einander, sie kaufen Sensen von uns und geben uns dasür Talg und Hänte, wenn wir welche brau¬ chen; und doch kennen wir uns gegenseitig nicht recht. Das ist aber mehr ihre als unsere Schuld. Reisende, die in Rußland waren, pflegen die patriarchalische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/477>, abgerufen am 15.01.2025.