Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Hand zu Hand geht, ehe eine Feder eingetunkt wird, und der würdige Bürcanchef 3. Hans Jörgel schreibt besseres Deutsch als seine Parteigenossen, weil er nicht hochdeutsch, son¬ Hand zu Hand geht, ehe eine Feder eingetunkt wird, und der würdige Bürcanchef 3. Hans Jörgel schreibt besseres Deutsch als seine Parteigenossen, weil er nicht hochdeutsch, son¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280022"/> <p xml:id="ID_1653" prev="#ID_1652" next="#ID_1654"> Hand zu Hand geht, ehe eine Feder eingetunkt wird, und der würdige Bürcanchef<lb/> pflegt nach dem saftigen Schmause zu rufen: „ist mir ganz ans der Seele ge¬<lb/> schrieben!" Ein Tag leuchtete der Geißel, wo sie in vielen tausend Exemplaren<lb/> circnlirte; die Nummer wurde mit 20 Kr.' C.-M. bezahlt. Bohringer hatte un¬<lb/> willkürlich für die Magyaren Propaganda gemacht, indem er Kossuth's „Aufruf<lb/> zum Kreuzzuge," mit Anmerkungen begleitet, abdruckte. Die Anmerkungen waren<lb/> es nicht, was man so theuer bezahlte. Damals rief der erwähnte Büreanchef:<lb/> „Schreiben können die Spitzbuben; ja, dös können mir halt nit! Wenn ich nit<lb/> ganz fest wär', - ich würd mir so'ne Lectüre g'wiß nit erlauben!" Derselbe<lb/> gelehrte Thebaner nannte Fischhoffs humanen Untersuchungsrichter eiuen „schwarz-<lb/> gelbe» Esel," weil er es nicht dahin bringen konnte, „das Fischhöfferl" des Hoch-<lb/> verraths zu überführen. So weit war es durch Standrecht und Geheimpolizei<lb/> gekommen, daß „schwarzgelb" (die östreichischen Staatsfarben) allmälig jede poli¬<lb/> tische Bedeutung verlor und zu einem gewöhnlichen Schimpfwort, so viel sagend<lb/> wie gemein oder schäbig, herabsank; die konservativsten Oestreicher fühlten sich be¬<lb/> leidigt, wenn man sie schwarzgelb nannte. Sie werden sich erinnern, daß der<lb/> Constitutivnseutmurf des Kremsicrer Reichstages die in Verruf gekommenen Farben<lb/> durch eine Trikolore ersetzte, in der weder Schwarz noch Gelb figurirte. Und es<lb/> wird sicherlich einige Zeit währen, und Oestreich wird noch manche Prüfung be¬<lb/> stehe», ehe die düstern Farben wieder volksthümlich werden und „schwarzgelb"<lb/> seine ursprüngliche Bedeutung zurückgewinnt.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 3. Hans Jörgel</head><lb/> <p xml:id="ID_1654" prev="#ID_1653" next="#ID_1655"> schreibt besseres Deutsch als seine Parteigenossen, weil er nicht hochdeutsch, son¬<lb/> dern Wienerisch redet wie Nestroy und der Kaiser Franz. Lange Jahre hin¬<lb/> durch belustigte Hans Jörgel's Wochenschrift durch komisches „Geplausch," un¬<lb/> termischt mit zeitgemäßen Ausfällen auf die Habgier der Bäcker und die Prellerei<lb/> der Fiaker oder mit gemüthlichen Herzensergießungen über das allgelicbtc Kaiser¬<lb/> haus; Tausende von gläubigen Lesern meinten die Einfalt vom Lande zu hören,<lb/> wie sie über die Thorheiten der Städter lacht und mit arglosem Freimuth Jeder¬<lb/> mann die Wahrheit ins Geficht sagt. Hans Jörgel aber heißt eigentlich Rech-<lb/> nuugsbeamter Weis, und die Einfalt vom Lande ist Nichts als ein echt Wiene¬<lb/> risches Kunststück. Der Kaiser steht am offenen Fenster in der Burg und unten<lb/> im Hof stehen Seppel und Haust mit ihren Brüdern, um Sr. Majestät gute»<lb/> Morge» zu wünschen und sich zugleich über Beamtenwillkür, Cvnscriptions-, Accise-<lb/> nnd andern Druck zu beklagen. Es wird aber Nichts aus den: Beschweren, son¬<lb/> dern mit Wohlgefallen hört der Kaiser die zutraulichen Grüße der ländlichen<lb/> Gesandtschaft und die Versicherung, wie sie ihren Landesvater täglich kindlicher<lb/> anbeten und sich so wohl befinden, daß sie gern noch zehnmal so viel Beamte</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
Hand zu Hand geht, ehe eine Feder eingetunkt wird, und der würdige Bürcanchef
pflegt nach dem saftigen Schmause zu rufen: „ist mir ganz ans der Seele ge¬
schrieben!" Ein Tag leuchtete der Geißel, wo sie in vielen tausend Exemplaren
circnlirte; die Nummer wurde mit 20 Kr.' C.-M. bezahlt. Bohringer hatte un¬
willkürlich für die Magyaren Propaganda gemacht, indem er Kossuth's „Aufruf
zum Kreuzzuge," mit Anmerkungen begleitet, abdruckte. Die Anmerkungen waren
es nicht, was man so theuer bezahlte. Damals rief der erwähnte Büreanchef:
„Schreiben können die Spitzbuben; ja, dös können mir halt nit! Wenn ich nit
ganz fest wär', - ich würd mir so'ne Lectüre g'wiß nit erlauben!" Derselbe
gelehrte Thebaner nannte Fischhoffs humanen Untersuchungsrichter eiuen „schwarz-
gelbe» Esel," weil er es nicht dahin bringen konnte, „das Fischhöfferl" des Hoch-
verraths zu überführen. So weit war es durch Standrecht und Geheimpolizei
gekommen, daß „schwarzgelb" (die östreichischen Staatsfarben) allmälig jede poli¬
tische Bedeutung verlor und zu einem gewöhnlichen Schimpfwort, so viel sagend
wie gemein oder schäbig, herabsank; die konservativsten Oestreicher fühlten sich be¬
leidigt, wenn man sie schwarzgelb nannte. Sie werden sich erinnern, daß der
Constitutivnseutmurf des Kremsicrer Reichstages die in Verruf gekommenen Farben
durch eine Trikolore ersetzte, in der weder Schwarz noch Gelb figurirte. Und es
wird sicherlich einige Zeit währen, und Oestreich wird noch manche Prüfung be¬
stehe», ehe die düstern Farben wieder volksthümlich werden und „schwarzgelb"
seine ursprüngliche Bedeutung zurückgewinnt.
3. Hans Jörgel
schreibt besseres Deutsch als seine Parteigenossen, weil er nicht hochdeutsch, son¬
dern Wienerisch redet wie Nestroy und der Kaiser Franz. Lange Jahre hin¬
durch belustigte Hans Jörgel's Wochenschrift durch komisches „Geplausch," un¬
termischt mit zeitgemäßen Ausfällen auf die Habgier der Bäcker und die Prellerei
der Fiaker oder mit gemüthlichen Herzensergießungen über das allgelicbtc Kaiser¬
haus; Tausende von gläubigen Lesern meinten die Einfalt vom Lande zu hören,
wie sie über die Thorheiten der Städter lacht und mit arglosem Freimuth Jeder¬
mann die Wahrheit ins Geficht sagt. Hans Jörgel aber heißt eigentlich Rech-
nuugsbeamter Weis, und die Einfalt vom Lande ist Nichts als ein echt Wiene¬
risches Kunststück. Der Kaiser steht am offenen Fenster in der Burg und unten
im Hof stehen Seppel und Haust mit ihren Brüdern, um Sr. Majestät gute»
Morge» zu wünschen und sich zugleich über Beamtenwillkür, Cvnscriptions-, Accise-
nnd andern Druck zu beklagen. Es wird aber Nichts aus den: Beschweren, son¬
dern mit Wohlgefallen hört der Kaiser die zutraulichen Grüße der ländlichen
Gesandtschaft und die Versicherung, wie sie ihren Landesvater täglich kindlicher
anbeten und sich so wohl befinden, daß sie gern noch zehnmal so viel Beamte
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