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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Verwandten besuchen wollte, so wird er per Schub gleich einem gemeinen Verbre¬
cher aus der Stadt transportirt. Hat man sich doch neulich sogar an einem armen
Krüppel vergriffen, einem Baier, dem im Schleswig - holsteinschen Heer das eine
Bein bis zur Hüfte abgeschossen war, und der sich hier sein kümmerliches Brot
dnrch Musikunterricht verdiente, uur weil man entdeckte, daß er noch eine alte,
verblaßte deutsche Kokarde an seiner früher" Militärmütze zu tragen wagte. --
Beurlaubte dänische Soldaten und Offiziere schwärmen dagegen zahlreich in Flens-
burg wie in ganz Nordschleswig umher, und dänische Kokarden kann man in Menge
erblicken, ja dänische Offiziere haben sogar an mehrern Stellen der Küste schon
Vermessungen unternommen.

Die Landesverwaltung in Flensburg ist die ungeschickteste und unpopulärste
Regentschaft, welche je existirt hat. Bei der eigenthümlichen Zusammensetzung
derselben darf man sich hierüber nicht wundern. Das englische Mitglied, Oberst
Hodges, ist ein stolzer, schroffer Engländer, der kein Wort Deutsch versteht, die
Schleswig-holsteinischen Zustände nicht im Mindesten kennt und sich um ganz Schles¬
wig so wenig bekümmert, wie eine Robbe um Seiltänzer. Der preußische Com-
missionär, Graf Eulenburg, soll früher ein tüchtiger Landrath gewesen sein und
einen offenen, redlichen Charakter haben, Verdienste, die ihm hier durchaus nicht
abgesprochen werden solle"; zu der sehr schwierigen Stellung, die er jetzt bekleidet,
paßt er aber nicht, was er selbst fühlen mag, wenigstens soll er schon wiederholt '
um seine Abberufung gebeten haben. Er hat weder die nöthige rücksichtslose
Energie, noch die zähe diplomatische Gewandtheit, welche hier nöthig wären, kennt
auch die Schleswig-holsteinischen Verhältnisse, die ihm früher ganz fremd waren,
noch sehr wenig. Dazu soll ihn auch die preußische Partei der Kreuzzeitung, die
darauf ausgeht, Preußen um allen Credit im übrigen Deutschland zu bringen,
von vornherein gegen die Schleswig-holsteinische Erhebung einzunehmen gesucht ha¬
ben. So mußte er freilich wohl ein Werkzeug des dänischen Commissärs, Herrn
v. Tillisch, werden, und seinen Namen zu Verfügungen hergeben, die einem Deut¬
schen keine Freude machen. Herr v. Tillisch, ein schlauer, energischer und nicht
sehr bedenklicher dänischer Palmöl, genau mit allen Verhältnissen des Herzogthums
Schleswig, in dem er lange als Beamter fungirt hat, bekannt, und von einer
Menge dienstwilliger Kreaturen und Helfer umgeben, beherrscht daher die Landes¬
verwaltung und Schleswig gänzlich. Daß man sich jetzt schon bestrebt, das
Deutschthum auszurotten und das Land zu däuistren, ist natürlich. Besonders
ans Beamte, Prediger, Schullehrer, die sich durch deutschen Patriotismus hervor¬
thaten, hat man es jetzt abgesehen und täglich fast erfolgen willkürliche Amtsent-
setzungen derselbe". Uebrigens werden diese entlassenen Beamten von ihren Col¬
lege", besonders auch aus Holstein, so viel als möglich unterstützt, wie sich denn
überhaupt der Gemeingeist und ein treues Zusammenhalten jetzt recht erfreulich
zeigt. Das Unglück eint die Me"schen oft weit besser als das Glück. ,


58*

Verwandten besuchen wollte, so wird er per Schub gleich einem gemeinen Verbre¬
cher aus der Stadt transportirt. Hat man sich doch neulich sogar an einem armen
Krüppel vergriffen, einem Baier, dem im Schleswig - holsteinschen Heer das eine
Bein bis zur Hüfte abgeschossen war, und der sich hier sein kümmerliches Brot
dnrch Musikunterricht verdiente, uur weil man entdeckte, daß er noch eine alte,
verblaßte deutsche Kokarde an seiner früher» Militärmütze zu tragen wagte. —
Beurlaubte dänische Soldaten und Offiziere schwärmen dagegen zahlreich in Flens-
burg wie in ganz Nordschleswig umher, und dänische Kokarden kann man in Menge
erblicken, ja dänische Offiziere haben sogar an mehrern Stellen der Küste schon
Vermessungen unternommen.

Die Landesverwaltung in Flensburg ist die ungeschickteste und unpopulärste
Regentschaft, welche je existirt hat. Bei der eigenthümlichen Zusammensetzung
derselben darf man sich hierüber nicht wundern. Das englische Mitglied, Oberst
Hodges, ist ein stolzer, schroffer Engländer, der kein Wort Deutsch versteht, die
Schleswig-holsteinischen Zustände nicht im Mindesten kennt und sich um ganz Schles¬
wig so wenig bekümmert, wie eine Robbe um Seiltänzer. Der preußische Com-
missionär, Graf Eulenburg, soll früher ein tüchtiger Landrath gewesen sein und
einen offenen, redlichen Charakter haben, Verdienste, die ihm hier durchaus nicht
abgesprochen werden solle»; zu der sehr schwierigen Stellung, die er jetzt bekleidet,
paßt er aber nicht, was er selbst fühlen mag, wenigstens soll er schon wiederholt '
um seine Abberufung gebeten haben. Er hat weder die nöthige rücksichtslose
Energie, noch die zähe diplomatische Gewandtheit, welche hier nöthig wären, kennt
auch die Schleswig-holsteinischen Verhältnisse, die ihm früher ganz fremd waren,
noch sehr wenig. Dazu soll ihn auch die preußische Partei der Kreuzzeitung, die
darauf ausgeht, Preußen um allen Credit im übrigen Deutschland zu bringen,
von vornherein gegen die Schleswig-holsteinische Erhebung einzunehmen gesucht ha¬
ben. So mußte er freilich wohl ein Werkzeug des dänischen Commissärs, Herrn
v. Tillisch, werden, und seinen Namen zu Verfügungen hergeben, die einem Deut¬
schen keine Freude machen. Herr v. Tillisch, ein schlauer, energischer und nicht
sehr bedenklicher dänischer Palmöl, genau mit allen Verhältnissen des Herzogthums
Schleswig, in dem er lange als Beamter fungirt hat, bekannt, und von einer
Menge dienstwilliger Kreaturen und Helfer umgeben, beherrscht daher die Landes¬
verwaltung und Schleswig gänzlich. Daß man sich jetzt schon bestrebt, das
Deutschthum auszurotten und das Land zu däuistren, ist natürlich. Besonders
ans Beamte, Prediger, Schullehrer, die sich durch deutschen Patriotismus hervor¬
thaten, hat man es jetzt abgesehen und täglich fast erfolgen willkürliche Amtsent-
setzungen derselbe». Uebrigens werden diese entlassenen Beamten von ihren Col¬
lege», besonders auch aus Holstein, so viel als möglich unterstützt, wie sich denn
überhaupt der Gemeingeist und ein treues Zusammenhalten jetzt recht erfreulich
zeigt. Das Unglück eint die Me»schen oft weit besser als das Glück. ,


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[0462] Verwandten besuchen wollte, so wird er per Schub gleich einem gemeinen Verbre¬ cher aus der Stadt transportirt. Hat man sich doch neulich sogar an einem armen Krüppel vergriffen, einem Baier, dem im Schleswig - holsteinschen Heer das eine Bein bis zur Hüfte abgeschossen war, und der sich hier sein kümmerliches Brot dnrch Musikunterricht verdiente, uur weil man entdeckte, daß er noch eine alte, verblaßte deutsche Kokarde an seiner früher» Militärmütze zu tragen wagte. — Beurlaubte dänische Soldaten und Offiziere schwärmen dagegen zahlreich in Flens- burg wie in ganz Nordschleswig umher, und dänische Kokarden kann man in Menge erblicken, ja dänische Offiziere haben sogar an mehrern Stellen der Küste schon Vermessungen unternommen. Die Landesverwaltung in Flensburg ist die ungeschickteste und unpopulärste Regentschaft, welche je existirt hat. Bei der eigenthümlichen Zusammensetzung derselben darf man sich hierüber nicht wundern. Das englische Mitglied, Oberst Hodges, ist ein stolzer, schroffer Engländer, der kein Wort Deutsch versteht, die Schleswig-holsteinischen Zustände nicht im Mindesten kennt und sich um ganz Schles¬ wig so wenig bekümmert, wie eine Robbe um Seiltänzer. Der preußische Com- missionär, Graf Eulenburg, soll früher ein tüchtiger Landrath gewesen sein und einen offenen, redlichen Charakter haben, Verdienste, die ihm hier durchaus nicht abgesprochen werden solle»; zu der sehr schwierigen Stellung, die er jetzt bekleidet, paßt er aber nicht, was er selbst fühlen mag, wenigstens soll er schon wiederholt ' um seine Abberufung gebeten haben. Er hat weder die nöthige rücksichtslose Energie, noch die zähe diplomatische Gewandtheit, welche hier nöthig wären, kennt auch die Schleswig-holsteinischen Verhältnisse, die ihm früher ganz fremd waren, noch sehr wenig. Dazu soll ihn auch die preußische Partei der Kreuzzeitung, die darauf ausgeht, Preußen um allen Credit im übrigen Deutschland zu bringen, von vornherein gegen die Schleswig-holsteinische Erhebung einzunehmen gesucht ha¬ ben. So mußte er freilich wohl ein Werkzeug des dänischen Commissärs, Herrn v. Tillisch, werden, und seinen Namen zu Verfügungen hergeben, die einem Deut¬ schen keine Freude machen. Herr v. Tillisch, ein schlauer, energischer und nicht sehr bedenklicher dänischer Palmöl, genau mit allen Verhältnissen des Herzogthums Schleswig, in dem er lange als Beamter fungirt hat, bekannt, und von einer Menge dienstwilliger Kreaturen und Helfer umgeben, beherrscht daher die Landes¬ verwaltung und Schleswig gänzlich. Daß man sich jetzt schon bestrebt, das Deutschthum auszurotten und das Land zu däuistren, ist natürlich. Besonders ans Beamte, Prediger, Schullehrer, die sich durch deutschen Patriotismus hervor¬ thaten, hat man es jetzt abgesehen und täglich fast erfolgen willkürliche Amtsent- setzungen derselbe». Uebrigens werden diese entlassenen Beamten von ihren Col¬ lege», besonders auch aus Holstein, so viel als möglich unterstützt, wie sich denn überhaupt der Gemeingeist und ein treues Zusammenhalten jetzt recht erfreulich zeigt. Das Unglück eint die Me»schen oft weit besser als das Glück. , 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/462>, abgerufen am 15.01.2025.