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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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zu strafen. Gegen ein solches Ministerium, so baar aller Konsequenz, so arm an
Ehrlichkeit und männlichem Willen ziemt sich eine derbe und deutsche Sprache; wir
bedauern, daß die preußische Regierung dieselbe so spät gefunden hat.

Die preußische Antwort auf diese erste östreichische Note interpvetirt die bekannte
Darstellung der BuudcsverlMnisse von Bodelschwingh, weist schüchtern daraus hin,
daß Oestreich ja selbst factisch sich vom alten Bund zurückgezogen habe, und ge¬
winnt erst am Ende den Ton männlicher Ironie, indem sie die Bitte ausspricht,
Oestreich möge doch seinerseits Vorschläge für Reorganisation des Bundes machen.
Preußen weiß recht wohl, daß Oestreich das nicht kann, selbst wenn das Cabinet
Schwarzenberg den Muth und Witz dazu hätte; das Wenige, was der Kaiser¬
staat von sich dem Bunde jetzt noch geben kann und darf, würde einen Schrei
der Entrüstung nicht nur bei den deutschen Völkern, sondern auch bei einzelnen
Cabinetten erregen, wenn es in einer Verfassung klar und bestimmt formulirt
würde. Aber die preußische Negierung ist nicht ganz ohne Schuld an der östrei¬
chischen Note. In ihren Verhandlungen um das Interim hat sie offenbar die
Interpretation der Bundesverhältnisse, wie sie Oestreich am angenehmsten war,
zu nachsichtig gelten lassen, sie hat wenigstens vermieden, die Unigltigkeit der
alten Bundesverfassung kräftig zu behaupten. So hoffte sie Zeit und Luft für
die junge Union zu gewinnen. Das rächt sich jetzt. Doch durch das männliche
Auftreten der 2ten Kammer in der deutschen Frage (67te Sitzung) ist dieser
Mangel an Energie wenigstens für die öffentliche Meinung wieder gut
gemacht.

Auf die Antwort Preußens erschien eine zweite Note Oestreichs direct an
das Berliner Cabinet, ungefähr desselben Inhalts, wie die frühere, doch war am
Schluß die Verstärkung zugefügt: falls der projectirte Bundesstaat irgend eine
Unordnung in Deutschland hervorrufen sollte, werde Oestreich mit Truppen inter-
veniren, worauf die preußische Regierung antwortete: sie sei stark genug, im Ter¬
rain des Bundesstaats Ruhestörungen zu verhindern, und habe das bereits be¬
wiesen, als die östreichische Negierung keine Zeit dazu hatte. So ist der Notcn-
krieg eingeleitet, wir sind unbesorgt über seinen Ausgang, wir kennen Sr. Durch¬
laucht Politik: Anmaßung gegen die Schwäche und Mangel an Selbstgefühl
gegen die Stärke.

Jetzt endlich reisen die Mitglieder der Jnterimscommisstou nach Frankfurt.
Dort wird klar werden, was lange kein Geheimniß war, daß es für Oestreich
wie für Preußen unmöglich ist, den alten Bund zu reorganisiren, daß es nur
wenige Paragraphen der Bundesacte gibt, welche für das jetzige Oestreich noch
Passen, selbst wenn es möglich wäre, die Strömung des deutschen Lebens in das
alte enge'Bett zurückzuführen. Die Jnterimsbehörde wird im besten Fall nichts an¬
deres sein, als eine Commission um die Verhältnisse Oestreichs zu den deutscheu


zu strafen. Gegen ein solches Ministerium, so baar aller Konsequenz, so arm an
Ehrlichkeit und männlichem Willen ziemt sich eine derbe und deutsche Sprache; wir
bedauern, daß die preußische Regierung dieselbe so spät gefunden hat.

Die preußische Antwort auf diese erste östreichische Note interpvetirt die bekannte
Darstellung der BuudcsverlMnisse von Bodelschwingh, weist schüchtern daraus hin,
daß Oestreich ja selbst factisch sich vom alten Bund zurückgezogen habe, und ge¬
winnt erst am Ende den Ton männlicher Ironie, indem sie die Bitte ausspricht,
Oestreich möge doch seinerseits Vorschläge für Reorganisation des Bundes machen.
Preußen weiß recht wohl, daß Oestreich das nicht kann, selbst wenn das Cabinet
Schwarzenberg den Muth und Witz dazu hätte; das Wenige, was der Kaiser¬
staat von sich dem Bunde jetzt noch geben kann und darf, würde einen Schrei
der Entrüstung nicht nur bei den deutschen Völkern, sondern auch bei einzelnen
Cabinetten erregen, wenn es in einer Verfassung klar und bestimmt formulirt
würde. Aber die preußische Negierung ist nicht ganz ohne Schuld an der östrei¬
chischen Note. In ihren Verhandlungen um das Interim hat sie offenbar die
Interpretation der Bundesverhältnisse, wie sie Oestreich am angenehmsten war,
zu nachsichtig gelten lassen, sie hat wenigstens vermieden, die Unigltigkeit der
alten Bundesverfassung kräftig zu behaupten. So hoffte sie Zeit und Luft für
die junge Union zu gewinnen. Das rächt sich jetzt. Doch durch das männliche
Auftreten der 2ten Kammer in der deutschen Frage (67te Sitzung) ist dieser
Mangel an Energie wenigstens für die öffentliche Meinung wieder gut
gemacht.

Auf die Antwort Preußens erschien eine zweite Note Oestreichs direct an
das Berliner Cabinet, ungefähr desselben Inhalts, wie die frühere, doch war am
Schluß die Verstärkung zugefügt: falls der projectirte Bundesstaat irgend eine
Unordnung in Deutschland hervorrufen sollte, werde Oestreich mit Truppen inter-
veniren, worauf die preußische Regierung antwortete: sie sei stark genug, im Ter¬
rain des Bundesstaats Ruhestörungen zu verhindern, und habe das bereits be¬
wiesen, als die östreichische Negierung keine Zeit dazu hatte. So ist der Notcn-
krieg eingeleitet, wir sind unbesorgt über seinen Ausgang, wir kennen Sr. Durch¬
laucht Politik: Anmaßung gegen die Schwäche und Mangel an Selbstgefühl
gegen die Stärke.

Jetzt endlich reisen die Mitglieder der Jnterimscommisstou nach Frankfurt.
Dort wird klar werden, was lange kein Geheimniß war, daß es für Oestreich
wie für Preußen unmöglich ist, den alten Bund zu reorganisiren, daß es nur
wenige Paragraphen der Bundesacte gibt, welche für das jetzige Oestreich noch
Passen, selbst wenn es möglich wäre, die Strömung des deutschen Lebens in das
alte enge'Bett zurückzuführen. Die Jnterimsbehörde wird im besten Fall nichts an¬
deres sein, als eine Commission um die Verhältnisse Oestreichs zu den deutscheu


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[0456] zu strafen. Gegen ein solches Ministerium, so baar aller Konsequenz, so arm an Ehrlichkeit und männlichem Willen ziemt sich eine derbe und deutsche Sprache; wir bedauern, daß die preußische Regierung dieselbe so spät gefunden hat. Die preußische Antwort auf diese erste östreichische Note interpvetirt die bekannte Darstellung der BuudcsverlMnisse von Bodelschwingh, weist schüchtern daraus hin, daß Oestreich ja selbst factisch sich vom alten Bund zurückgezogen habe, und ge¬ winnt erst am Ende den Ton männlicher Ironie, indem sie die Bitte ausspricht, Oestreich möge doch seinerseits Vorschläge für Reorganisation des Bundes machen. Preußen weiß recht wohl, daß Oestreich das nicht kann, selbst wenn das Cabinet Schwarzenberg den Muth und Witz dazu hätte; das Wenige, was der Kaiser¬ staat von sich dem Bunde jetzt noch geben kann und darf, würde einen Schrei der Entrüstung nicht nur bei den deutschen Völkern, sondern auch bei einzelnen Cabinetten erregen, wenn es in einer Verfassung klar und bestimmt formulirt würde. Aber die preußische Negierung ist nicht ganz ohne Schuld an der östrei¬ chischen Note. In ihren Verhandlungen um das Interim hat sie offenbar die Interpretation der Bundesverhältnisse, wie sie Oestreich am angenehmsten war, zu nachsichtig gelten lassen, sie hat wenigstens vermieden, die Unigltigkeit der alten Bundesverfassung kräftig zu behaupten. So hoffte sie Zeit und Luft für die junge Union zu gewinnen. Das rächt sich jetzt. Doch durch das männliche Auftreten der 2ten Kammer in der deutschen Frage (67te Sitzung) ist dieser Mangel an Energie wenigstens für die öffentliche Meinung wieder gut gemacht. Auf die Antwort Preußens erschien eine zweite Note Oestreichs direct an das Berliner Cabinet, ungefähr desselben Inhalts, wie die frühere, doch war am Schluß die Verstärkung zugefügt: falls der projectirte Bundesstaat irgend eine Unordnung in Deutschland hervorrufen sollte, werde Oestreich mit Truppen inter- veniren, worauf die preußische Regierung antwortete: sie sei stark genug, im Ter¬ rain des Bundesstaats Ruhestörungen zu verhindern, und habe das bereits be¬ wiesen, als die östreichische Negierung keine Zeit dazu hatte. So ist der Notcn- krieg eingeleitet, wir sind unbesorgt über seinen Ausgang, wir kennen Sr. Durch¬ laucht Politik: Anmaßung gegen die Schwäche und Mangel an Selbstgefühl gegen die Stärke. Jetzt endlich reisen die Mitglieder der Jnterimscommisstou nach Frankfurt. Dort wird klar werden, was lange kein Geheimniß war, daß es für Oestreich wie für Preußen unmöglich ist, den alten Bund zu reorganisiren, daß es nur wenige Paragraphen der Bundesacte gibt, welche für das jetzige Oestreich noch Passen, selbst wenn es möglich wäre, die Strömung des deutschen Lebens in das alte enge'Bett zurückzuführen. Die Jnterimsbehörde wird im besten Fall nichts an¬ deres sein, als eine Commission um die Verhältnisse Oestreichs zu den deutscheu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/456>, abgerufen am 15.01.2025.