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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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auch später nicht zu thun willens war. -- Und gleich darauf folgt der Satz:
In allen äußern Beziehungen des Reiches werden wir die Inter¬
essen und Würde Oestreichs zu wahren wissen und keinerlei beir¬
renden Einfluß vou Außen aus die unabhängige Gestaltung
unserer innern Verhältnisse zulassen.

Das ist sehr deutlich gesprochen, und heißt speciell ausgedruckt: wir werden
uns weder bei unserer Mililäreintheilung, noch bei irgend einem Zweige unserer
Gesetzgebung, noch bei der innern Organisation des Kaiserstaats um das "verän¬
derte Organ" kümmern. -- Jetzt möge Se. Durchlaucht wählen, entweder hat sie
in diesem Programm mit kühner Ueberlegung die Völker Oestreichs und die Welt
betrogen, oder sie lügt und täuscht jetzt. Mein Lord zuckt die Achseln, es kommt
ihm gar nicht darauf an, seine feierliche Verheißung für eine unüberlegte Aeuße¬
rung zu erklären, die Verhältnisse sind seitdem andere geworden. Sind sie das?
Im Gegentheil, er hat nicht nur in diesem Sinne gesprochen, sein Kabinet hat
bis zu diesem Tage anch darnach gehandelt, noch mehr, es läßt sich beweisen,
daß es gerade nur in dem Punkte Consequenz gezeigt hat, Oestreich gründlich
und vollständig von den alten Bnndesverbindnngen loszulösen. Fürst Schwarzen¬
berg hat die Verfassung vom 4. März octroyirt. Durch diese Verfassung und die
militärischen und administrativen Verordnungen, welche ihr folgten, ist jede, jede
Verbindung mit dem übrigen Deutschland, wie sie die alte Bundesverfassung er¬
hielt, nicht nur aufgehoben, sondern geradezu unmöglich geworden. Der Gegen¬
satz zwischen östreichischen Bundeslanden und auswärtigen Staaten ist gänzlich
aufgehoben, aufgehoben die östreichische Militäreintheilung des Bundescontingents,
aufgehoben und selbstständig umgewandelt sogar anch die wenigen Gesetze, welche
der Bund gegeben hatte, über die Presse, das literarische Eigenthum und das sehr
wenige, was vou den alten Rechten und Pflichten etwa noch als nützlich erhalten
wurde, ist von dem östreichischen Kabinet consequent und richtig nur als Rest eines
staatlichen Vertrags mit guten Nachbarn aufgefaßt worden. Es gibt nicht Vieles,
was dies Ministerium nicht wagt, aber das wagt es doch noch nicht, seinen eige¬
nen Staatsbürgern, unsern Nachbarn, den Czechen, gegenüber davon zu sprechen,
daß Böhmen ein deutsches Bundesland geblieben ist, und die czechischen Recruten
Soldaten des Bundcscontingents. Allerdings ist auch die Verfassung vom 4. März
eine gleißende Lüge geworden, und Oestreich factisch kein absoluter, sondern ein
despotischer Staat, wo nicht das kaiserliche Gesetz herrscht, sondern die'Willkür
der Generale und einzelnen Beamten. So steht es in Oestreich, daß das Mini¬
sterium selbst nicht mehr die höchste regierende Behörde ist, sondern die militäri¬
schen Adjutanturen. Aber gegen Deutschland wenigstens hat Fürst Schwarzenberg
noch eine Stimme und er benutzt sie, ein langes Schweigen brechend, dazu, beim
ersten Wort durch eine Unwahrheit sich selbst, seiue Worte und sein Thun Lüge"


auch später nicht zu thun willens war. — Und gleich darauf folgt der Satz:
In allen äußern Beziehungen des Reiches werden wir die Inter¬
essen und Würde Oestreichs zu wahren wissen und keinerlei beir¬
renden Einfluß vou Außen aus die unabhängige Gestaltung
unserer innern Verhältnisse zulassen.

Das ist sehr deutlich gesprochen, und heißt speciell ausgedruckt: wir werden
uns weder bei unserer Mililäreintheilung, noch bei irgend einem Zweige unserer
Gesetzgebung, noch bei der innern Organisation des Kaiserstaats um das „verän¬
derte Organ" kümmern. — Jetzt möge Se. Durchlaucht wählen, entweder hat sie
in diesem Programm mit kühner Ueberlegung die Völker Oestreichs und die Welt
betrogen, oder sie lügt und täuscht jetzt. Mein Lord zuckt die Achseln, es kommt
ihm gar nicht darauf an, seine feierliche Verheißung für eine unüberlegte Aeuße¬
rung zu erklären, die Verhältnisse sind seitdem andere geworden. Sind sie das?
Im Gegentheil, er hat nicht nur in diesem Sinne gesprochen, sein Kabinet hat
bis zu diesem Tage anch darnach gehandelt, noch mehr, es läßt sich beweisen,
daß es gerade nur in dem Punkte Consequenz gezeigt hat, Oestreich gründlich
und vollständig von den alten Bnndesverbindnngen loszulösen. Fürst Schwarzen¬
berg hat die Verfassung vom 4. März octroyirt. Durch diese Verfassung und die
militärischen und administrativen Verordnungen, welche ihr folgten, ist jede, jede
Verbindung mit dem übrigen Deutschland, wie sie die alte Bundesverfassung er¬
hielt, nicht nur aufgehoben, sondern geradezu unmöglich geworden. Der Gegen¬
satz zwischen östreichischen Bundeslanden und auswärtigen Staaten ist gänzlich
aufgehoben, aufgehoben die östreichische Militäreintheilung des Bundescontingents,
aufgehoben und selbstständig umgewandelt sogar anch die wenigen Gesetze, welche
der Bund gegeben hatte, über die Presse, das literarische Eigenthum und das sehr
wenige, was vou den alten Rechten und Pflichten etwa noch als nützlich erhalten
wurde, ist von dem östreichischen Kabinet consequent und richtig nur als Rest eines
staatlichen Vertrags mit guten Nachbarn aufgefaßt worden. Es gibt nicht Vieles,
was dies Ministerium nicht wagt, aber das wagt es doch noch nicht, seinen eige¬
nen Staatsbürgern, unsern Nachbarn, den Czechen, gegenüber davon zu sprechen,
daß Böhmen ein deutsches Bundesland geblieben ist, und die czechischen Recruten
Soldaten des Bundcscontingents. Allerdings ist auch die Verfassung vom 4. März
eine gleißende Lüge geworden, und Oestreich factisch kein absoluter, sondern ein
despotischer Staat, wo nicht das kaiserliche Gesetz herrscht, sondern die'Willkür
der Generale und einzelnen Beamten. So steht es in Oestreich, daß das Mini¬
sterium selbst nicht mehr die höchste regierende Behörde ist, sondern die militäri¬
schen Adjutanturen. Aber gegen Deutschland wenigstens hat Fürst Schwarzenberg
noch eine Stimme und er benutzt sie, ein langes Schweigen brechend, dazu, beim
ersten Wort durch eine Unwahrheit sich selbst, seiue Worte und sein Thun Lüge«


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/455>, abgerufen am 15.01.2025.