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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Mussifche Pafiabentener



Gleich nach der polnischen Revolution wurden die Reisen ins westliche Aus¬
land durch verschiedene Verordnungen, welche die Erlangung der Pässe mühselig
und langweilig machten, erschwert. Die Regierung, ihrer Maxime treu, nach
welcher sie jede Maßregel uur klein, unauffällig in das Leben treten läßt und
allmälig schrittweise zu der ihr zugedachten Ausdehnung bringt, ließ es dabei
nicht bewenden. Durch neue Verordnungen wurden die Schwierigkeiten vergrößert.
Endlich wurde vor ewigen Jahren der Paßstempel in einen ungeheuer" Preis ge¬
setzt. Er mußte von da ab mit 30 Thalern bezahlt werden, und dieser Preis
steigert sich obenein nach Verhältniß der Stände und des Vermögens so, daß er
das fünffache erreichen kann. Dazu erhielten die Aemter die geheime Verordnung,
die Erlangung von Pässen durch jedes Mittel zu erschweren, zu welchem die in¬
dividuelle Lage des Petenten Gelegenheit gebe.

Als ich durch das Gubernium (Woiwodschaft) Sandomir im südlichen Theile
des Königreich Polens reiste, machte ich zufällig die Bekanntschaft eines jungen
Deutschen, dessen Eltern sich im Jahre 1826 im Königreich Polen angesiedelt hatten.
Er war in der Stadt Raton wohnhaft. Der zufällige Umstand, daß meine deutsche
Heimath dem Geburtsorte seines Vaters sehr nahe gelegen, gab ihm Veranlassung,
Mir Mittheilungen zu machen.

Wissend, daß die Erlangung eines Passes nach Deutschland ein gewissermaßen
künstliches Manöver und eine lange währende Mühe erfordere, begann L. schon
im Winter eines Jahres dieses Jahrzehntes seine Operation, indem er sich zu
einem Advokaten in Raton begab und ihn befrug, welche Wege er zunächst ein¬
zuschlagen habe. Er konnte auf die Redlichkeit des Rathgebers bauen, da der¬
selbe seinem (L.'s) Vater bereits mehrfällige Dienste geleistet hatte, dafür sehr gut
belohnt und danach sogar ein Hausfreund geworden war.

Einen Paß nach Deutschland zu bekommen, erklärte der Advokat, werde sehr
schwer halten, da die Regierung das westliche Ausland gänzlich abzuschließen
grundsätzlich bestrebt sei. Die Aemter werden freilich die Angelegenheit gern auf¬
greifen, um den Petenten auszubeuten. Wie weit aber auch der Prozeß vorschreite,


Grenzvotm. lo. 1849. <j
Mussifche Pafiabentener



Gleich nach der polnischen Revolution wurden die Reisen ins westliche Aus¬
land durch verschiedene Verordnungen, welche die Erlangung der Pässe mühselig
und langweilig machten, erschwert. Die Regierung, ihrer Maxime treu, nach
welcher sie jede Maßregel uur klein, unauffällig in das Leben treten läßt und
allmälig schrittweise zu der ihr zugedachten Ausdehnung bringt, ließ es dabei
nicht bewenden. Durch neue Verordnungen wurden die Schwierigkeiten vergrößert.
Endlich wurde vor ewigen Jahren der Paßstempel in einen ungeheuer» Preis ge¬
setzt. Er mußte von da ab mit 30 Thalern bezahlt werden, und dieser Preis
steigert sich obenein nach Verhältniß der Stände und des Vermögens so, daß er
das fünffache erreichen kann. Dazu erhielten die Aemter die geheime Verordnung,
die Erlangung von Pässen durch jedes Mittel zu erschweren, zu welchem die in¬
dividuelle Lage des Petenten Gelegenheit gebe.

Als ich durch das Gubernium (Woiwodschaft) Sandomir im südlichen Theile
des Königreich Polens reiste, machte ich zufällig die Bekanntschaft eines jungen
Deutschen, dessen Eltern sich im Jahre 1826 im Königreich Polen angesiedelt hatten.
Er war in der Stadt Raton wohnhaft. Der zufällige Umstand, daß meine deutsche
Heimath dem Geburtsorte seines Vaters sehr nahe gelegen, gab ihm Veranlassung,
Mir Mittheilungen zu machen.

Wissend, daß die Erlangung eines Passes nach Deutschland ein gewissermaßen
künstliches Manöver und eine lange währende Mühe erfordere, begann L. schon
im Winter eines Jahres dieses Jahrzehntes seine Operation, indem er sich zu
einem Advokaten in Raton begab und ihn befrug, welche Wege er zunächst ein¬
zuschlagen habe. Er konnte auf die Redlichkeit des Rathgebers bauen, da der¬
selbe seinem (L.'s) Vater bereits mehrfällige Dienste geleistet hatte, dafür sehr gut
belohnt und danach sogar ein Hausfreund geworden war.

Einen Paß nach Deutschland zu bekommen, erklärte der Advokat, werde sehr
schwer halten, da die Regierung das westliche Ausland gänzlich abzuschließen
grundsätzlich bestrebt sei. Die Aemter werden freilich die Angelegenheit gern auf¬
greifen, um den Petenten auszubeuten. Wie weit aber auch der Prozeß vorschreite,


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[0045] Mussifche Pafiabentener Gleich nach der polnischen Revolution wurden die Reisen ins westliche Aus¬ land durch verschiedene Verordnungen, welche die Erlangung der Pässe mühselig und langweilig machten, erschwert. Die Regierung, ihrer Maxime treu, nach welcher sie jede Maßregel uur klein, unauffällig in das Leben treten läßt und allmälig schrittweise zu der ihr zugedachten Ausdehnung bringt, ließ es dabei nicht bewenden. Durch neue Verordnungen wurden die Schwierigkeiten vergrößert. Endlich wurde vor ewigen Jahren der Paßstempel in einen ungeheuer» Preis ge¬ setzt. Er mußte von da ab mit 30 Thalern bezahlt werden, und dieser Preis steigert sich obenein nach Verhältniß der Stände und des Vermögens so, daß er das fünffache erreichen kann. Dazu erhielten die Aemter die geheime Verordnung, die Erlangung von Pässen durch jedes Mittel zu erschweren, zu welchem die in¬ dividuelle Lage des Petenten Gelegenheit gebe. Als ich durch das Gubernium (Woiwodschaft) Sandomir im südlichen Theile des Königreich Polens reiste, machte ich zufällig die Bekanntschaft eines jungen Deutschen, dessen Eltern sich im Jahre 1826 im Königreich Polen angesiedelt hatten. Er war in der Stadt Raton wohnhaft. Der zufällige Umstand, daß meine deutsche Heimath dem Geburtsorte seines Vaters sehr nahe gelegen, gab ihm Veranlassung, Mir Mittheilungen zu machen. Wissend, daß die Erlangung eines Passes nach Deutschland ein gewissermaßen künstliches Manöver und eine lange währende Mühe erfordere, begann L. schon im Winter eines Jahres dieses Jahrzehntes seine Operation, indem er sich zu einem Advokaten in Raton begab und ihn befrug, welche Wege er zunächst ein¬ zuschlagen habe. Er konnte auf die Redlichkeit des Rathgebers bauen, da der¬ selbe seinem (L.'s) Vater bereits mehrfällige Dienste geleistet hatte, dafür sehr gut belohnt und danach sogar ein Hausfreund geworden war. Einen Paß nach Deutschland zu bekommen, erklärte der Advokat, werde sehr schwer halten, da die Regierung das westliche Ausland gänzlich abzuschließen grundsätzlich bestrebt sei. Die Aemter werden freilich die Angelegenheit gern auf¬ greifen, um den Petenten auszubeuten. Wie weit aber auch der Prozeß vorschreite, Grenzvotm. lo. 1849. <j

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/45>, abgerufen am 15.01.2025.