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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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alle diese Differenzen und Gegensätze zu beenden, und dies Wort kann in keiner
andern Form erscheinen, als in der einer Amnestie, -- Wenigstens Hr. v. Manteuffel,
der Vorstand des Ministeriums, muß einsehen, daß die Krone der Wirkung des
Waldeck'schen Prozesses, welche sehr demokratischer Natur war, einen höhern Ef¬
fect gegenüberzustellen hat, welcher^die Gemüther der Berliner in's Loyale her¬
überzieht und dieser gute Effect heißt: eine Amnestie für polirische Ver¬
gehungen. Sie wäre eben so klug, als weise: den Berlinern zum Trost aber
sei gesagt, daß sie keinenfalls den Burschen Ohm seiner Strafe entziehn wird.




Görger und seine Ropfwnndc.
Von einem Honveo.

Die Unthätigkeit der ungarischen Armee nach dem Rückzüge, oder eigentlich nach
der debandirtcn Rctraite der Oestreicher von Ofen nach Preßburg erregte damals bei
den kriegskundigen Honveds arges Bedenken. Die Straße nach der kaiserlichen Residenz
war offen und die dortige Bevölkerung -- so hoffte man -- harrte darauf, mit Hilfe
der siegenden Magyaren sich von den Helden der Belagerung zu befreien. Statt diesen
Weg mit den begeisterten Schaaren einzuschlagen, zog Görgcy die Kerntruppen von
Komorn herab in's Land, um die unnütze Osner Festung zu bcrcnnen. Der Kriegs¬
rath Weidens hat seine Talcntlvstzkcit damit erwiesen, daß er eine tapfere Besatzung
dem gewissen Untergange weihte, denn Hentzi konnte unmöglich diesen Ort halten; die
Beschießung Pesth's war ein nie zu billigender Act, denn je größer die angerichtete Ver¬
wüstung sich zeigte, desto eifriger mußten die ungarischen Führer bedacht sein, das mit
seinen Geschützen drohende Festungswerk in Besitz zu nehmen. Hentzi focht und starb
als tapferer Soldat, allein sein ganzes Verfahren zeigt den beschränkten Kanonier.
Görgey schickte ein Bataillon nach dem andern gegen die Bresche, und wußte wohl,
daß nach dem Opfer von ein paar tausend Mann die Besatzung sich ergeben mußte;
ruhig und des Erfolges sicher schritt er, die Kampagnekappe aus dem kurzgeschorenen
Haare, auf und ab nächst dem Schwabcnberge, bis das Eindringen in die Straßen
Ofens gemeldet wurde.

Die Verzögerung in den Operationen der ungarischen Armee durch dieses Mauern-
stürmcn scheint damals Görgcy erwünscht gewesen-zu sein. Die Scene bei Viliigos
war längst vorbedacht, und eine Vorrückung gegen Oestreich, in das Herz des Gegners,
lag nicht im Plane Görgey's. Er genoß den Ruhm eines Fcstungcrobcrers, ermög¬
lichte den Einzug des Parlaments in die Hauptstadt des Landes, erhielt die höchste"
Auszeichnungen der Interims-Regierung, und mit der Popularität verband sich das An-
sehn im Heere, so daß Gorgey die Zügel des Reiches in seinen Händen hatte. Allein
die Macht und Beliebtheit des angebeteten Kossuth war dennoch größer, und klug zog
sich Görgcy in die Wälle Komorns zurück, als alleiniger Gebieter über 50,000
Bayonnette und !!00 Geschütze.

Görgey's Gesinnung blieb aber nicht verdeckt. Die Offiziere murrten über das
gefahrbringende Stillstehen, wodurch die östreichische Armee Zeit gewann, ihre Trümmer
bei Preßburg unter dem Schutze des Schloßcastclls zu sammeln. Die Zwistigkeiten


alle diese Differenzen und Gegensätze zu beenden, und dies Wort kann in keiner
andern Form erscheinen, als in der einer Amnestie, — Wenigstens Hr. v. Manteuffel,
der Vorstand des Ministeriums, muß einsehen, daß die Krone der Wirkung des
Waldeck'schen Prozesses, welche sehr demokratischer Natur war, einen höhern Ef¬
fect gegenüberzustellen hat, welcher^die Gemüther der Berliner in's Loyale her¬
überzieht und dieser gute Effect heißt: eine Amnestie für polirische Ver¬
gehungen. Sie wäre eben so klug, als weise: den Berlinern zum Trost aber
sei gesagt, daß sie keinenfalls den Burschen Ohm seiner Strafe entziehn wird.




Görger und seine Ropfwnndc.
Von einem Honveo.

Die Unthätigkeit der ungarischen Armee nach dem Rückzüge, oder eigentlich nach
der debandirtcn Rctraite der Oestreicher von Ofen nach Preßburg erregte damals bei
den kriegskundigen Honveds arges Bedenken. Die Straße nach der kaiserlichen Residenz
war offen und die dortige Bevölkerung — so hoffte man — harrte darauf, mit Hilfe
der siegenden Magyaren sich von den Helden der Belagerung zu befreien. Statt diesen
Weg mit den begeisterten Schaaren einzuschlagen, zog Görgcy die Kerntruppen von
Komorn herab in's Land, um die unnütze Osner Festung zu bcrcnnen. Der Kriegs¬
rath Weidens hat seine Talcntlvstzkcit damit erwiesen, daß er eine tapfere Besatzung
dem gewissen Untergange weihte, denn Hentzi konnte unmöglich diesen Ort halten; die
Beschießung Pesth's war ein nie zu billigender Act, denn je größer die angerichtete Ver¬
wüstung sich zeigte, desto eifriger mußten die ungarischen Führer bedacht sein, das mit
seinen Geschützen drohende Festungswerk in Besitz zu nehmen. Hentzi focht und starb
als tapferer Soldat, allein sein ganzes Verfahren zeigt den beschränkten Kanonier.
Görgey schickte ein Bataillon nach dem andern gegen die Bresche, und wußte wohl,
daß nach dem Opfer von ein paar tausend Mann die Besatzung sich ergeben mußte;
ruhig und des Erfolges sicher schritt er, die Kampagnekappe aus dem kurzgeschorenen
Haare, auf und ab nächst dem Schwabcnberge, bis das Eindringen in die Straßen
Ofens gemeldet wurde.

Die Verzögerung in den Operationen der ungarischen Armee durch dieses Mauern-
stürmcn scheint damals Görgcy erwünscht gewesen-zu sein. Die Scene bei Viliigos
war längst vorbedacht, und eine Vorrückung gegen Oestreich, in das Herz des Gegners,
lag nicht im Plane Görgey's. Er genoß den Ruhm eines Fcstungcrobcrers, ermög¬
lichte den Einzug des Parlaments in die Hauptstadt des Landes, erhielt die höchste»
Auszeichnungen der Interims-Regierung, und mit der Popularität verband sich das An-
sehn im Heere, so daß Gorgey die Zügel des Reiches in seinen Händen hatte. Allein
die Macht und Beliebtheit des angebeteten Kossuth war dennoch größer, und klug zog
sich Görgcy in die Wälle Komorns zurück, als alleiniger Gebieter über 50,000
Bayonnette und !!00 Geschütze.

Görgey's Gesinnung blieb aber nicht verdeckt. Die Offiziere murrten über das
gefahrbringende Stillstehen, wodurch die östreichische Armee Zeit gewann, ihre Trümmer
bei Preßburg unter dem Schutze des Schloßcastclls zu sammeln. Die Zwistigkeiten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/449>, abgerufen am 15.01.2025.