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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Würde früherer Tage und lassen sie wie alte Mütterchen erscheinen, die ein interessantes
Leben zu erzählen hätten. Man wird ihnen gut, wenn man durch ihre engen Straßen
^ährt, wo der rasselnde Postwagen ein Ereigniß ist, wo aus allen Fenstern teilneh¬
mende, neugierige, gute und in ihrer Beschränktheit glückliche Gesichter hervorschauen.
Welch ein beschauliches, inniges Leben mag hinter diesem zerbröckelnder Gemäuer
noch herrschen! Man vergißt ans dieser Straße ganz, daß man so nah bei einem der
eleganten Weltbäder sein kann. Kissingen ist in den letzten Jahren wohl auch etwas
in Verfall gerathen, die meisten seiner stattlichen Spekulantenhäuscr stehen den größten
Theil der Saison leer und die Gastwirthe blicken verzweifelnd auf ihr Kapital, das in
prächtigen Möbeln, Teppichen, Tapeten nutzlos vermodert. Doch liegt hier wie fast
überall in dem Uebel auch wieder die Heilung; der verringerte Besuch bat eine so un¬
glaubliche Wohlfeilheit des Vadelebens hervorgebracht, daß schon dadurch wieder mehr
Gäste angelockt werden. Auch sind die Wirkungen der Quellen von Kissingen beson¬
ders wohlthätig für die Leiden politischer Aufregung und Aergernisse. Leber und Galle,
die bei den Reaktionären aus dem Jahre 48 und bei den Radikalen in diesem Jahr
49 so viel gelitten haben, sollen hier Heilung finden. Von letztern war bis jetzt nur eine
nahmhaste Persönlichkeit da. Kapp aus Heidelberg, er sah sehr bleich aus seiner
schwarzen Bartumhüllung und schien sich unter der überwiegend reaktionären Gesellschaft
nicht behaglich zu fühlen. Einer seiner College" von der Frankfurter Linken, der Fürst
Waldb ur g-Z eil war in den exklusivsten Zirkel der vornehmen reaktionären Welt
als dicker Alcibiades ausgenommen; auch die Rolle der Lais hatte die Badcchronik aus¬
getheilt. Es gab hier, wie in Athen, eine jüngere und eine ältere Lais. Für die
Erstere galt eine Fremde-von hohen gesellschaftlichen Prätensionen; sie blieb vereinzelt
wie ein Tropfen Oel im Wasser, als wäre ihr schönes Antlitz das Haupt der Meduse, so
verwandelten sich die freundlichsten Mienen ihr gegenüber augenblicklich zu Stein. Durch
Tradition setzte sich dieser passive Widerstand auch bei den Neuangekommenen sort. --
Wer übrigens geglaubt hat, das vorige Jahr habe unserm Gcsellschaftsgcbäude die
Grundlagen Verrückt, der konnte sich in Kissingen vom Gegentheil überzeugen, es be¬
stand noch unversehrt in allen seinen verschiedenen Etagen. Erste, zweite und dritte
Klasse schieden sich sorgfältig von einander. Merkwürdig ist dabei, daß die zweite Klasse
sich nach ihrer politischen Ansicht wieder in Theile spaltete, die erste aber zusammen¬
hielt, trotz der heterogensten Politik; so wandelte z. B. ein dänischer Graf Moltke
und ein holsteinischer Baron Bloom einträchtig neben einander, aber freilich, von
Politik durste nicht gesprochen werden. Die war überhaupt suspendirt, die Zeitungen
kamen spät und spärlich und der Badearzt hatte sie unter die diätetischen Excesse ge¬
rechnet. Nur den kleinen Kläffern, den baierschen Lokalblättern mußte man überall
begegnen, ihr maßloses Schimpfen auf die Preußen hatte offenbar aus Rücksicht für
den sonst immer so zahlreichen Contingent preußischer Badegäste für ihre fränkischen
Bäder etwas nachgelassen, auch standen an allen Buchläden, wie sür preußische Satis-
faction berechnet, zahlreiche Bilder des Prinzen von Preußen und aller Waffengattun¬
gen seiner Krieger. Der Haß der Baiern wird dadurch sicherlich nicht gemildert werden,
denn sein wesentlicher Grund ist gerade Neid. Die baierische Gutmüthigkeit verleugnet
sich hierin vollständig, kein Zweifel, daß man sie künstlich gereizt und verwundet hat,
sie glaubt sich verspottet von den hoffärtigen Preußen, und nebenbei wird von ihnen
täglich gesagt, daß sie Heiden seien. -- Von namhaften Leuten war Kissingen nicht so
zahlreich besucht als sonst. Berthold An erd ach war flüchtig hier und ließ sich zum
Aerger der vornehmen Welt, die einen consequenten Demokraten in ihm sehen wollte,
der Königin von Würtemberg in der Allee vorstellen. Bulwer war da, erreichte
aber nicht die allgemeine Theilnahme, die er in Deutschland zu erwarten schien, man
'se vielleicht durch die l Enthüllungen, die seine Frau von diesem "Ehrenmanne" ge¬
macht hat, gegen ihn etwas abgekühlt. Von Allen bemerkt, aber Niemand beachtend
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Würde früherer Tage und lassen sie wie alte Mütterchen erscheinen, die ein interessantes
Leben zu erzählen hätten. Man wird ihnen gut, wenn man durch ihre engen Straßen
^ährt, wo der rasselnde Postwagen ein Ereigniß ist, wo aus allen Fenstern teilneh¬
mende, neugierige, gute und in ihrer Beschränktheit glückliche Gesichter hervorschauen.
Welch ein beschauliches, inniges Leben mag hinter diesem zerbröckelnder Gemäuer
noch herrschen! Man vergißt ans dieser Straße ganz, daß man so nah bei einem der
eleganten Weltbäder sein kann. Kissingen ist in den letzten Jahren wohl auch etwas
in Verfall gerathen, die meisten seiner stattlichen Spekulantenhäuscr stehen den größten
Theil der Saison leer und die Gastwirthe blicken verzweifelnd auf ihr Kapital, das in
prächtigen Möbeln, Teppichen, Tapeten nutzlos vermodert. Doch liegt hier wie fast
überall in dem Uebel auch wieder die Heilung; der verringerte Besuch bat eine so un¬
glaubliche Wohlfeilheit des Vadelebens hervorgebracht, daß schon dadurch wieder mehr
Gäste angelockt werden. Auch sind die Wirkungen der Quellen von Kissingen beson¬
ders wohlthätig für die Leiden politischer Aufregung und Aergernisse. Leber und Galle,
die bei den Reaktionären aus dem Jahre 48 und bei den Radikalen in diesem Jahr
49 so viel gelitten haben, sollen hier Heilung finden. Von letztern war bis jetzt nur eine
nahmhaste Persönlichkeit da. Kapp aus Heidelberg, er sah sehr bleich aus seiner
schwarzen Bartumhüllung und schien sich unter der überwiegend reaktionären Gesellschaft
nicht behaglich zu fühlen. Einer seiner College» von der Frankfurter Linken, der Fürst
Waldb ur g-Z eil war in den exklusivsten Zirkel der vornehmen reaktionären Welt
als dicker Alcibiades ausgenommen; auch die Rolle der Lais hatte die Badcchronik aus¬
getheilt. Es gab hier, wie in Athen, eine jüngere und eine ältere Lais. Für die
Erstere galt eine Fremde-von hohen gesellschaftlichen Prätensionen; sie blieb vereinzelt
wie ein Tropfen Oel im Wasser, als wäre ihr schönes Antlitz das Haupt der Meduse, so
verwandelten sich die freundlichsten Mienen ihr gegenüber augenblicklich zu Stein. Durch
Tradition setzte sich dieser passive Widerstand auch bei den Neuangekommenen sort. —
Wer übrigens geglaubt hat, das vorige Jahr habe unserm Gcsellschaftsgcbäude die
Grundlagen Verrückt, der konnte sich in Kissingen vom Gegentheil überzeugen, es be¬
stand noch unversehrt in allen seinen verschiedenen Etagen. Erste, zweite und dritte
Klasse schieden sich sorgfältig von einander. Merkwürdig ist dabei, daß die zweite Klasse
sich nach ihrer politischen Ansicht wieder in Theile spaltete, die erste aber zusammen¬
hielt, trotz der heterogensten Politik; so wandelte z. B. ein dänischer Graf Moltke
und ein holsteinischer Baron Bloom einträchtig neben einander, aber freilich, von
Politik durste nicht gesprochen werden. Die war überhaupt suspendirt, die Zeitungen
kamen spät und spärlich und der Badearzt hatte sie unter die diätetischen Excesse ge¬
rechnet. Nur den kleinen Kläffern, den baierschen Lokalblättern mußte man überall
begegnen, ihr maßloses Schimpfen auf die Preußen hatte offenbar aus Rücksicht für
den sonst immer so zahlreichen Contingent preußischer Badegäste für ihre fränkischen
Bäder etwas nachgelassen, auch standen an allen Buchläden, wie sür preußische Satis-
faction berechnet, zahlreiche Bilder des Prinzen von Preußen und aller Waffengattun¬
gen seiner Krieger. Der Haß der Baiern wird dadurch sicherlich nicht gemildert werden,
denn sein wesentlicher Grund ist gerade Neid. Die baierische Gutmüthigkeit verleugnet
sich hierin vollständig, kein Zweifel, daß man sie künstlich gereizt und verwundet hat,
sie glaubt sich verspottet von den hoffärtigen Preußen, und nebenbei wird von ihnen
täglich gesagt, daß sie Heiden seien. — Von namhaften Leuten war Kissingen nicht so
zahlreich besucht als sonst. Berthold An erd ach war flüchtig hier und ließ sich zum
Aerger der vornehmen Welt, die einen consequenten Demokraten in ihm sehen wollte,
der Königin von Würtemberg in der Allee vorstellen. Bulwer war da, erreichte
aber nicht die allgemeine Theilnahme, die er in Deutschland zu erwarten schien, man
'se vielleicht durch die l Enthüllungen, die seine Frau von diesem „Ehrenmanne" ge¬
macht hat, gegen ihn etwas abgekühlt. Von Allen bemerkt, aber Niemand beachtend
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[0043] Würde früherer Tage und lassen sie wie alte Mütterchen erscheinen, die ein interessantes Leben zu erzählen hätten. Man wird ihnen gut, wenn man durch ihre engen Straßen ^ährt, wo der rasselnde Postwagen ein Ereigniß ist, wo aus allen Fenstern teilneh¬ mende, neugierige, gute und in ihrer Beschränktheit glückliche Gesichter hervorschauen. Welch ein beschauliches, inniges Leben mag hinter diesem zerbröckelnder Gemäuer noch herrschen! Man vergißt ans dieser Straße ganz, daß man so nah bei einem der eleganten Weltbäder sein kann. Kissingen ist in den letzten Jahren wohl auch etwas in Verfall gerathen, die meisten seiner stattlichen Spekulantenhäuscr stehen den größten Theil der Saison leer und die Gastwirthe blicken verzweifelnd auf ihr Kapital, das in prächtigen Möbeln, Teppichen, Tapeten nutzlos vermodert. Doch liegt hier wie fast überall in dem Uebel auch wieder die Heilung; der verringerte Besuch bat eine so un¬ glaubliche Wohlfeilheit des Vadelebens hervorgebracht, daß schon dadurch wieder mehr Gäste angelockt werden. Auch sind die Wirkungen der Quellen von Kissingen beson¬ ders wohlthätig für die Leiden politischer Aufregung und Aergernisse. Leber und Galle, die bei den Reaktionären aus dem Jahre 48 und bei den Radikalen in diesem Jahr 49 so viel gelitten haben, sollen hier Heilung finden. Von letztern war bis jetzt nur eine nahmhaste Persönlichkeit da. Kapp aus Heidelberg, er sah sehr bleich aus seiner schwarzen Bartumhüllung und schien sich unter der überwiegend reaktionären Gesellschaft nicht behaglich zu fühlen. Einer seiner College» von der Frankfurter Linken, der Fürst Waldb ur g-Z eil war in den exklusivsten Zirkel der vornehmen reaktionären Welt als dicker Alcibiades ausgenommen; auch die Rolle der Lais hatte die Badcchronik aus¬ getheilt. Es gab hier, wie in Athen, eine jüngere und eine ältere Lais. Für die Erstere galt eine Fremde-von hohen gesellschaftlichen Prätensionen; sie blieb vereinzelt wie ein Tropfen Oel im Wasser, als wäre ihr schönes Antlitz das Haupt der Meduse, so verwandelten sich die freundlichsten Mienen ihr gegenüber augenblicklich zu Stein. Durch Tradition setzte sich dieser passive Widerstand auch bei den Neuangekommenen sort. — Wer übrigens geglaubt hat, das vorige Jahr habe unserm Gcsellschaftsgcbäude die Grundlagen Verrückt, der konnte sich in Kissingen vom Gegentheil überzeugen, es be¬ stand noch unversehrt in allen seinen verschiedenen Etagen. Erste, zweite und dritte Klasse schieden sich sorgfältig von einander. Merkwürdig ist dabei, daß die zweite Klasse sich nach ihrer politischen Ansicht wieder in Theile spaltete, die erste aber zusammen¬ hielt, trotz der heterogensten Politik; so wandelte z. B. ein dänischer Graf Moltke und ein holsteinischer Baron Bloom einträchtig neben einander, aber freilich, von Politik durste nicht gesprochen werden. Die war überhaupt suspendirt, die Zeitungen kamen spät und spärlich und der Badearzt hatte sie unter die diätetischen Excesse ge¬ rechnet. Nur den kleinen Kläffern, den baierschen Lokalblättern mußte man überall begegnen, ihr maßloses Schimpfen auf die Preußen hatte offenbar aus Rücksicht für den sonst immer so zahlreichen Contingent preußischer Badegäste für ihre fränkischen Bäder etwas nachgelassen, auch standen an allen Buchläden, wie sür preußische Satis- faction berechnet, zahlreiche Bilder des Prinzen von Preußen und aller Waffengattun¬ gen seiner Krieger. Der Haß der Baiern wird dadurch sicherlich nicht gemildert werden, denn sein wesentlicher Grund ist gerade Neid. Die baierische Gutmüthigkeit verleugnet sich hierin vollständig, kein Zweifel, daß man sie künstlich gereizt und verwundet hat, sie glaubt sich verspottet von den hoffärtigen Preußen, und nebenbei wird von ihnen täglich gesagt, daß sie Heiden seien. — Von namhaften Leuten war Kissingen nicht so zahlreich besucht als sonst. Berthold An erd ach war flüchtig hier und ließ sich zum Aerger der vornehmen Welt, die einen consequenten Demokraten in ihm sehen wollte, der Königin von Würtemberg in der Allee vorstellen. Bulwer war da, erreichte aber nicht die allgemeine Theilnahme, die er in Deutschland zu erwarten schien, man 'se vielleicht durch die l Enthüllungen, die seine Frau von diesem „Ehrenmanne" ge¬ macht hat, gegen ihn etwas abgekühlt. Von Allen bemerkt, aber Niemand beachtend ^ol^X ^ '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/43>, abgerufen am 15.01.2025.