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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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ville u. s. f. bis nach Paris, in welchem Orte er, seiner Ansicht nach, "wegen der
der Republik drohenden Gefahr," weit unentbehrlicher sei als bei Zaatcha, "wo
jede auge-ncsseue Anordnung fehle." Ohne Zweifel wollte er seinen Oheim nach¬
ahmen, die französische Negierung jedoch meinte, daß dieser Versuch mißglückt sei,
und ließ ihn, durch Dekret seines Vetters Ludwig Napoleon, des Präsidenten
der Republik, von dem ihm anvertrauten militärischen Posten entheben.

Am 7. Novembe-r betrug, offiziellen französischen Angaben zufolge, der
Verlust der Franzosen an Todten und Verwundete" 50 Offiziere, 800 Soldaten;
nicht wenig empfindlich sind ferner die Verluste, welche die Franzosen durch
Desertionen erleiden. Und um das Mißgeschick ans den Gipfel zu bringen, wüthet
jetzt in Algerien die Cholera ans eine furchtbare Weise; in Oran z. B. hatte bis
zum 5. November das Militär 700 und die Bürger (blos Franzosen) 3700 Todte
durch diese schreckliche Krankheit verloren.

Peter Buonaparte, der Narr, zeigt aber nur in einem Zerrbild die gegen¬
wärtige Stimmung der höhern Offiziere in Frankreich. Die Revolution, die kläg¬
liche Schwäche des Staats hat die srauzöstscheu Generäle zu politischen Intriguan-
ten gemacht; in Paris wollen sie Alle jetzt die Früchte für den Kriegsruhm ernd-
ten, deu sie sich unter Louis Philipp, dessen Regiment den Franzosen für so ruhmlos
galt, mit ehrlicher Tapferkeit erwarben. Algier ist für Alle jetzt ein Ort der
Verbannung; als politische Abenteurer und Verschwörer sitzen sie in den Salons
und Parteiclubs der Hauptstadt, ihr Egoismus flattert jetzt nackt, widerlich um
die Tribüne und den Thronsessel der sterbenden Republik herum. Was soll
ihnen jetzt Algier! -- Und so wird es geschehen, daß Frankreich Schmach und
Schande erfährt in seiner afrikanischen Besitzung, die Verwaltung ist bereits elend,
und elend ist die Kriegsführung geworden. Auch das ist Symptom einer Fäulniß,
welche am Mark des schönen Frankreichs zehrt. Und von jener unbekannten Oase
an der Grenze Algeriens aus mag leicht ein Fieberschauer über Frankreich kommen,
welcher das schwache Regiment und die unkriegerischen napoleoniden vom Lande
abschüttelt und neue Krisen hervorruft, deren Verlauf wir fürchten, aber nicht
erkennen.




Preußen und der Wundesstaat.



Rüstig wird an dem deutschen Bundeshaus fortgezimmert. Wenn man sich
bescheidet, daß jetzt einmal uicht die Zeit kühner Thaten ist, weil weder Völker noch
Regierungen ausdauernde Energie zu verwenden fähig sind, so mag man immer¬
hin mit dem zufrieden sein, was in der letzten Zeit geschehen ist, die Trümmer
des alten Deutschland in ein neues Werk zusammenzufügen.


ville u. s. f. bis nach Paris, in welchem Orte er, seiner Ansicht nach, „wegen der
der Republik drohenden Gefahr," weit unentbehrlicher sei als bei Zaatcha, „wo
jede auge-ncsseue Anordnung fehle." Ohne Zweifel wollte er seinen Oheim nach¬
ahmen, die französische Negierung jedoch meinte, daß dieser Versuch mißglückt sei,
und ließ ihn, durch Dekret seines Vetters Ludwig Napoleon, des Präsidenten
der Republik, von dem ihm anvertrauten militärischen Posten entheben.

Am 7. Novembe-r betrug, offiziellen französischen Angaben zufolge, der
Verlust der Franzosen an Todten und Verwundete» 50 Offiziere, 800 Soldaten;
nicht wenig empfindlich sind ferner die Verluste, welche die Franzosen durch
Desertionen erleiden. Und um das Mißgeschick ans den Gipfel zu bringen, wüthet
jetzt in Algerien die Cholera ans eine furchtbare Weise; in Oran z. B. hatte bis
zum 5. November das Militär 700 und die Bürger (blos Franzosen) 3700 Todte
durch diese schreckliche Krankheit verloren.

Peter Buonaparte, der Narr, zeigt aber nur in einem Zerrbild die gegen¬
wärtige Stimmung der höhern Offiziere in Frankreich. Die Revolution, die kläg¬
liche Schwäche des Staats hat die srauzöstscheu Generäle zu politischen Intriguan-
ten gemacht; in Paris wollen sie Alle jetzt die Früchte für den Kriegsruhm ernd-
ten, deu sie sich unter Louis Philipp, dessen Regiment den Franzosen für so ruhmlos
galt, mit ehrlicher Tapferkeit erwarben. Algier ist für Alle jetzt ein Ort der
Verbannung; als politische Abenteurer und Verschwörer sitzen sie in den Salons
und Parteiclubs der Hauptstadt, ihr Egoismus flattert jetzt nackt, widerlich um
die Tribüne und den Thronsessel der sterbenden Republik herum. Was soll
ihnen jetzt Algier! — Und so wird es geschehen, daß Frankreich Schmach und
Schande erfährt in seiner afrikanischen Besitzung, die Verwaltung ist bereits elend,
und elend ist die Kriegsführung geworden. Auch das ist Symptom einer Fäulniß,
welche am Mark des schönen Frankreichs zehrt. Und von jener unbekannten Oase
an der Grenze Algeriens aus mag leicht ein Fieberschauer über Frankreich kommen,
welcher das schwache Regiment und die unkriegerischen napoleoniden vom Lande
abschüttelt und neue Krisen hervorruft, deren Verlauf wir fürchten, aber nicht
erkennen.




Preußen und der Wundesstaat.



Rüstig wird an dem deutschen Bundeshaus fortgezimmert. Wenn man sich
bescheidet, daß jetzt einmal uicht die Zeit kühner Thaten ist, weil weder Völker noch
Regierungen ausdauernde Energie zu verwenden fähig sind, so mag man immer¬
hin mit dem zufrieden sein, was in der letzten Zeit geschehen ist, die Trümmer
des alten Deutschland in ein neues Werk zusammenzufügen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/395>, abgerufen am 15.01.2025.