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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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fangennehmnng des großen Emir Abtei Kader war im Grunde nur eine Unter¬
brechung des Kampfes eingetreten, ein Waffenstillstand, veranlaßt durch die
augenblickliche gänzliche Erschöpfung der tapfern Söhne der Wüste. Etwa andert¬
halb Jahre hatte dieser Waffenstillstand gewährt, als die Araber sich start genug
fühlten, um den heiligen Krieg wieder zu beginnen. Sie haben ihn begonnen
mit einer Energie, die das Glück bereits mit manchem Erfolge gekrönt hat. Im
September dieses Jahres fand der Wiederausbruch des Kampfes statt. Zunächst
im Süden.

Sechzig bis siebenzig Lieues von der Küste liegt auf einer Oase das Dorf
Zaatcha; dasselbe scheint der Mittelpunkt einer allgemeinen Erhebung derArabcr-
stämme Algeriens werden zu sollen. Am 7. October rückte der General Hcr-
billon mit einem Corps von 7000 Mann gegen die Oase, und es begann nun eine
nach allen Regeln der Kunst geleitete Belagerung des an sich unbedeutenden Dor¬
fes, das jedoch vermöge seiner Bauart, der Beschaffenheit des Bodens, der Natur
des Landes und des Klimas, seiner Abgesondertheit von bedeutenderen französischen
Niederlassungen und den daraus erwachsenden Schwierigkeiten für die Belagerer
eine ganz außerordentliche Widerstandsfähigkeit besitzt. "Denken Sie sich", sagt
ein Berichterstatter aus Constantine in der Allgemeinen Zeitung, "denken Sie sich
einen Wald von sehr hohen Palmen, unter diesen Oel- und andere Bäume von
mittlerer Größe, uoch tiefer Gesträuch und Pflanzen aller Art, das Ganze zu¬
sammen bildet ein undurchdringliches Dickicht, Bewässerungsgräben ziehen sich hin¬
durch, in der Mitte sind die Wohnungen, umgeben von einer Ringmauer. Alles
von gestampfter Erde, so daß wohl die Kugel durchgeht, es aber nicht zerstört."
Vermittels der ebengedachten Kanäle setzten die Araber häusig die Velageruugs-
werke nnter Wasser, so daß die Franzosen nur sehr langsame Fortschritte machten.
Indeß war am 20. die Bvesche so weit vorgerückt, daß ein Sturm unternommen
werden konnte. Er geschah mit Tagesanbruch; allein die Belagerten leisteten einen
so tapferen Widerstand, daß die Franzosen nach einem zweistündigen Kampfe und
nach einem Verluste vou 170 Todten und Verwundeten -- worunter 0 Offiziere
-- sich zurückziehen mußten. Der Platz wurde nun enger eingeschlossen, neue
Batterien errichtet, das Geschütz und die Munitionsvorräthe wurden vermehrt
und das Belagerungsheer auf 11,000 Mann gebracht, ohne daß der Erfolg bis¬
her ein günstiger gewesen wäre.

Nicht besser erging es denselben Anfangs November, bei der Belagerung von
Lichana, einem Flecken, der etwa eine Stunde südlich von Zaatcha liegt und von
wo ihm beständig Verstärkung und Munition zugeführt wird; Peter Bona¬
parte war es hier, der an der Spitze eiues Bataillons der Fremdenlegion den
Angriff leitete. Er wurde mit einem sehr bedeutenden Verluste zurückgeworfen,
nachdem er vergebens versucht hatte, das vor Lichana liegende Palmengehölze zu
durchbrechen. Er zog sich darauf zurück nach Konstantine, von da nach Philippe-


fangennehmnng des großen Emir Abtei Kader war im Grunde nur eine Unter¬
brechung des Kampfes eingetreten, ein Waffenstillstand, veranlaßt durch die
augenblickliche gänzliche Erschöpfung der tapfern Söhne der Wüste. Etwa andert¬
halb Jahre hatte dieser Waffenstillstand gewährt, als die Araber sich start genug
fühlten, um den heiligen Krieg wieder zu beginnen. Sie haben ihn begonnen
mit einer Energie, die das Glück bereits mit manchem Erfolge gekrönt hat. Im
September dieses Jahres fand der Wiederausbruch des Kampfes statt. Zunächst
im Süden.

Sechzig bis siebenzig Lieues von der Küste liegt auf einer Oase das Dorf
Zaatcha; dasselbe scheint der Mittelpunkt einer allgemeinen Erhebung derArabcr-
stämme Algeriens werden zu sollen. Am 7. October rückte der General Hcr-
billon mit einem Corps von 7000 Mann gegen die Oase, und es begann nun eine
nach allen Regeln der Kunst geleitete Belagerung des an sich unbedeutenden Dor¬
fes, das jedoch vermöge seiner Bauart, der Beschaffenheit des Bodens, der Natur
des Landes und des Klimas, seiner Abgesondertheit von bedeutenderen französischen
Niederlassungen und den daraus erwachsenden Schwierigkeiten für die Belagerer
eine ganz außerordentliche Widerstandsfähigkeit besitzt. „Denken Sie sich", sagt
ein Berichterstatter aus Constantine in der Allgemeinen Zeitung, „denken Sie sich
einen Wald von sehr hohen Palmen, unter diesen Oel- und andere Bäume von
mittlerer Größe, uoch tiefer Gesträuch und Pflanzen aller Art, das Ganze zu¬
sammen bildet ein undurchdringliches Dickicht, Bewässerungsgräben ziehen sich hin¬
durch, in der Mitte sind die Wohnungen, umgeben von einer Ringmauer. Alles
von gestampfter Erde, so daß wohl die Kugel durchgeht, es aber nicht zerstört."
Vermittels der ebengedachten Kanäle setzten die Araber häusig die Velageruugs-
werke nnter Wasser, so daß die Franzosen nur sehr langsame Fortschritte machten.
Indeß war am 20. die Bvesche so weit vorgerückt, daß ein Sturm unternommen
werden konnte. Er geschah mit Tagesanbruch; allein die Belagerten leisteten einen
so tapferen Widerstand, daß die Franzosen nach einem zweistündigen Kampfe und
nach einem Verluste vou 170 Todten und Verwundeten — worunter 0 Offiziere
— sich zurückziehen mußten. Der Platz wurde nun enger eingeschlossen, neue
Batterien errichtet, das Geschütz und die Munitionsvorräthe wurden vermehrt
und das Belagerungsheer auf 11,000 Mann gebracht, ohne daß der Erfolg bis¬
her ein günstiger gewesen wäre.

Nicht besser erging es denselben Anfangs November, bei der Belagerung von
Lichana, einem Flecken, der etwa eine Stunde südlich von Zaatcha liegt und von
wo ihm beständig Verstärkung und Munition zugeführt wird; Peter Bona¬
parte war es hier, der an der Spitze eiues Bataillons der Fremdenlegion den
Angriff leitete. Er wurde mit einem sehr bedeutenden Verluste zurückgeworfen,
nachdem er vergebens versucht hatte, das vor Lichana liegende Palmengehölze zu
durchbrechen. Er zog sich darauf zurück nach Konstantine, von da nach Philippe-


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[0394] fangennehmnng des großen Emir Abtei Kader war im Grunde nur eine Unter¬ brechung des Kampfes eingetreten, ein Waffenstillstand, veranlaßt durch die augenblickliche gänzliche Erschöpfung der tapfern Söhne der Wüste. Etwa andert¬ halb Jahre hatte dieser Waffenstillstand gewährt, als die Araber sich start genug fühlten, um den heiligen Krieg wieder zu beginnen. Sie haben ihn begonnen mit einer Energie, die das Glück bereits mit manchem Erfolge gekrönt hat. Im September dieses Jahres fand der Wiederausbruch des Kampfes statt. Zunächst im Süden. Sechzig bis siebenzig Lieues von der Küste liegt auf einer Oase das Dorf Zaatcha; dasselbe scheint der Mittelpunkt einer allgemeinen Erhebung derArabcr- stämme Algeriens werden zu sollen. Am 7. October rückte der General Hcr- billon mit einem Corps von 7000 Mann gegen die Oase, und es begann nun eine nach allen Regeln der Kunst geleitete Belagerung des an sich unbedeutenden Dor¬ fes, das jedoch vermöge seiner Bauart, der Beschaffenheit des Bodens, der Natur des Landes und des Klimas, seiner Abgesondertheit von bedeutenderen französischen Niederlassungen und den daraus erwachsenden Schwierigkeiten für die Belagerer eine ganz außerordentliche Widerstandsfähigkeit besitzt. „Denken Sie sich", sagt ein Berichterstatter aus Constantine in der Allgemeinen Zeitung, „denken Sie sich einen Wald von sehr hohen Palmen, unter diesen Oel- und andere Bäume von mittlerer Größe, uoch tiefer Gesträuch und Pflanzen aller Art, das Ganze zu¬ sammen bildet ein undurchdringliches Dickicht, Bewässerungsgräben ziehen sich hin¬ durch, in der Mitte sind die Wohnungen, umgeben von einer Ringmauer. Alles von gestampfter Erde, so daß wohl die Kugel durchgeht, es aber nicht zerstört." Vermittels der ebengedachten Kanäle setzten die Araber häusig die Velageruugs- werke nnter Wasser, so daß die Franzosen nur sehr langsame Fortschritte machten. Indeß war am 20. die Bvesche so weit vorgerückt, daß ein Sturm unternommen werden konnte. Er geschah mit Tagesanbruch; allein die Belagerten leisteten einen so tapferen Widerstand, daß die Franzosen nach einem zweistündigen Kampfe und nach einem Verluste vou 170 Todten und Verwundeten — worunter 0 Offiziere — sich zurückziehen mußten. Der Platz wurde nun enger eingeschlossen, neue Batterien errichtet, das Geschütz und die Munitionsvorräthe wurden vermehrt und das Belagerungsheer auf 11,000 Mann gebracht, ohne daß der Erfolg bis¬ her ein günstiger gewesen wäre. Nicht besser erging es denselben Anfangs November, bei der Belagerung von Lichana, einem Flecken, der etwa eine Stunde südlich von Zaatcha liegt und von wo ihm beständig Verstärkung und Munition zugeführt wird; Peter Bona¬ parte war es hier, der an der Spitze eiues Bataillons der Fremdenlegion den Angriff leitete. Er wurde mit einem sehr bedeutenden Verluste zurückgeworfen, nachdem er vergebens versucht hatte, das vor Lichana liegende Palmengehölze zu durchbrechen. Er zog sich darauf zurück nach Konstantine, von da nach Philippe-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/394>, abgerufen am 15.01.2025.