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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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danken hat; nirgends ferner wurde dieser Haß von den Einen so zur Schau ge¬
tragen, von den Andern mit so feiner Berechnung genährt und unterhalten als
in Baiern, das sich komischer Weise als einen Nebenbuhler Preußens betrachtet,
wie es sich vor hundert Jahren als einen Nebenbuhler Oestreichs betrachtet hat.
Dieser Preußenhaß nahm nur für eine Zeit lang das Schiboleth Friedrich Wil-
Helm IV. an: Monate waren bereits verflossen, nachdem dieser sich unterfangen,
den Platz einzunehmen oder einnehmen zu wollen, der ihm von Gottes und Rechts¬
wegen (wenn auch allerdings weder nach dem gewöhnlich sogenannten historischen
Rechte, noch nach dem römischen des Herrn Professor v. d. Pfordten) zukäme;
nachdem man in München, nach vorhergegangener Bekanntmachung in
den Zeitungen -- also mindestens mit hoher,obrigkeitlicher Bewilligung --
sein Bildniß öffentlich verbrannt hatte; man war längst zu der Ueberzeugung ge¬
kommen, daß der preußische König nur in einem Augenblicke des freudige" Rau¬
sches, in dem Zustande der Ueberschwenglichkeit, in den gerade die Besten dazumal
am tiefsten sich versenkt hatten, daß er nur in einem solchen Augenblicke sich an
die Spitze der Nation gestellt habe: und noch war der Preußenhaß, d. h. die
deutschfeindliche Gesinnung, in Baiern derselbe, der er in den Märztagen gewesen;
noch heutigen Tages sind Ultramontane und Absolutisten aus Einem Felde mit
den Atheisten in Staat und Kirche, wenn es die Darlegung jenes widerwärtigen
Hasses gilt.

Man erinnert sich aber auch, wie zu derselben Zeit, als man in Baiern
offiziell zuerst die Hände faltete, um zu beten: "Herr, ich danke dir, daß du uns
nicht gemacht hast wie diese, sondern zu Baiern, denen du noch neuerdings den
König Max geschenkt," man erinnert sich noch, wie zu derselben Zeit in den
baierschen Blättern die Rede war von einem Südost-, südwest- und norddeutschen
Staateucomplcx, deren natürliche Häupter Oestreich, Baiern und Preußen seien,
wie ja Baiern, trotz seines geringen Umfanges, an Macht Preußen die Wage
zu halten vermöge n. dergl in., man erinnert sich noch daran, und der Kundige
hat damals ohne Mühe das Metier derer erkannt, welche jenen Artikeln die Ent¬
stehung gegeben, so wie derer, welche Vaterstelle bei ihnen vertraten oder bei
ihnen Gevatter standen, obgleich die Namen etwas unleserlich geschrieben waren.

Ungleich wichtiger aber noch, weil ungleich mehr geeignet, Aufschluß zu geben
über Baierns Absichten, ist der baiersche Verfassungsentwurf, welcher
ganz kurz nach dem Erscheinen des Entwurfes der siebenzehn "von Baiern" --
es ist nicht gesagt: wem -- "vorgelegt" wurde. Ein Vergleich dieses Entwurfes
">it dem der siebenzehn einerseits und mit den neuerdings von Baiern an Preußen
gestellten Forderungen in Bezug auf den preußischen Entwurf andererseits ist sehr
belehrend; ich kann hier natürlich nur einige Andeutungen geben. Der Entwurf
der siebenzehn ist seinem Hauptinhalte nach bekannt, er. bildet das Wesentliche
'n dem Codex, welchen nachmals die "verfassunggebende" Nationalversammlung


danken hat; nirgends ferner wurde dieser Haß von den Einen so zur Schau ge¬
tragen, von den Andern mit so feiner Berechnung genährt und unterhalten als
in Baiern, das sich komischer Weise als einen Nebenbuhler Preußens betrachtet,
wie es sich vor hundert Jahren als einen Nebenbuhler Oestreichs betrachtet hat.
Dieser Preußenhaß nahm nur für eine Zeit lang das Schiboleth Friedrich Wil-
Helm IV. an: Monate waren bereits verflossen, nachdem dieser sich unterfangen,
den Platz einzunehmen oder einnehmen zu wollen, der ihm von Gottes und Rechts¬
wegen (wenn auch allerdings weder nach dem gewöhnlich sogenannten historischen
Rechte, noch nach dem römischen des Herrn Professor v. d. Pfordten) zukäme;
nachdem man in München, nach vorhergegangener Bekanntmachung in
den Zeitungen — also mindestens mit hoher,obrigkeitlicher Bewilligung —
sein Bildniß öffentlich verbrannt hatte; man war längst zu der Ueberzeugung ge¬
kommen, daß der preußische König nur in einem Augenblicke des freudige» Rau¬
sches, in dem Zustande der Ueberschwenglichkeit, in den gerade die Besten dazumal
am tiefsten sich versenkt hatten, daß er nur in einem solchen Augenblicke sich an
die Spitze der Nation gestellt habe: und noch war der Preußenhaß, d. h. die
deutschfeindliche Gesinnung, in Baiern derselbe, der er in den Märztagen gewesen;
noch heutigen Tages sind Ultramontane und Absolutisten aus Einem Felde mit
den Atheisten in Staat und Kirche, wenn es die Darlegung jenes widerwärtigen
Hasses gilt.

Man erinnert sich aber auch, wie zu derselben Zeit, als man in Baiern
offiziell zuerst die Hände faltete, um zu beten: „Herr, ich danke dir, daß du uns
nicht gemacht hast wie diese, sondern zu Baiern, denen du noch neuerdings den
König Max geschenkt," man erinnert sich noch, wie zu derselben Zeit in den
baierschen Blättern die Rede war von einem Südost-, südwest- und norddeutschen
Staateucomplcx, deren natürliche Häupter Oestreich, Baiern und Preußen seien,
wie ja Baiern, trotz seines geringen Umfanges, an Macht Preußen die Wage
zu halten vermöge n. dergl in., man erinnert sich noch daran, und der Kundige
hat damals ohne Mühe das Metier derer erkannt, welche jenen Artikeln die Ent¬
stehung gegeben, so wie derer, welche Vaterstelle bei ihnen vertraten oder bei
ihnen Gevatter standen, obgleich die Namen etwas unleserlich geschrieben waren.

Ungleich wichtiger aber noch, weil ungleich mehr geeignet, Aufschluß zu geben
über Baierns Absichten, ist der baiersche Verfassungsentwurf, welcher
ganz kurz nach dem Erscheinen des Entwurfes der siebenzehn „von Baiern" —
es ist nicht gesagt: wem — „vorgelegt" wurde. Ein Vergleich dieses Entwurfes
»>it dem der siebenzehn einerseits und mit den neuerdings von Baiern an Preußen
gestellten Forderungen in Bezug auf den preußischen Entwurf andererseits ist sehr
belehrend; ich kann hier natürlich nur einige Andeutungen geben. Der Entwurf
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'n dem Codex, welchen nachmals die „verfassunggebende" Nationalversammlung


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[0336] danken hat; nirgends ferner wurde dieser Haß von den Einen so zur Schau ge¬ tragen, von den Andern mit so feiner Berechnung genährt und unterhalten als in Baiern, das sich komischer Weise als einen Nebenbuhler Preußens betrachtet, wie es sich vor hundert Jahren als einen Nebenbuhler Oestreichs betrachtet hat. Dieser Preußenhaß nahm nur für eine Zeit lang das Schiboleth Friedrich Wil- Helm IV. an: Monate waren bereits verflossen, nachdem dieser sich unterfangen, den Platz einzunehmen oder einnehmen zu wollen, der ihm von Gottes und Rechts¬ wegen (wenn auch allerdings weder nach dem gewöhnlich sogenannten historischen Rechte, noch nach dem römischen des Herrn Professor v. d. Pfordten) zukäme; nachdem man in München, nach vorhergegangener Bekanntmachung in den Zeitungen — also mindestens mit hoher,obrigkeitlicher Bewilligung — sein Bildniß öffentlich verbrannt hatte; man war längst zu der Ueberzeugung ge¬ kommen, daß der preußische König nur in einem Augenblicke des freudige» Rau¬ sches, in dem Zustande der Ueberschwenglichkeit, in den gerade die Besten dazumal am tiefsten sich versenkt hatten, daß er nur in einem solchen Augenblicke sich an die Spitze der Nation gestellt habe: und noch war der Preußenhaß, d. h. die deutschfeindliche Gesinnung, in Baiern derselbe, der er in den Märztagen gewesen; noch heutigen Tages sind Ultramontane und Absolutisten aus Einem Felde mit den Atheisten in Staat und Kirche, wenn es die Darlegung jenes widerwärtigen Hasses gilt. Man erinnert sich aber auch, wie zu derselben Zeit, als man in Baiern offiziell zuerst die Hände faltete, um zu beten: „Herr, ich danke dir, daß du uns nicht gemacht hast wie diese, sondern zu Baiern, denen du noch neuerdings den König Max geschenkt," man erinnert sich noch, wie zu derselben Zeit in den baierschen Blättern die Rede war von einem Südost-, südwest- und norddeutschen Staateucomplcx, deren natürliche Häupter Oestreich, Baiern und Preußen seien, wie ja Baiern, trotz seines geringen Umfanges, an Macht Preußen die Wage zu halten vermöge n. dergl in., man erinnert sich noch daran, und der Kundige hat damals ohne Mühe das Metier derer erkannt, welche jenen Artikeln die Ent¬ stehung gegeben, so wie derer, welche Vaterstelle bei ihnen vertraten oder bei ihnen Gevatter standen, obgleich die Namen etwas unleserlich geschrieben waren. Ungleich wichtiger aber noch, weil ungleich mehr geeignet, Aufschluß zu geben über Baierns Absichten, ist der baiersche Verfassungsentwurf, welcher ganz kurz nach dem Erscheinen des Entwurfes der siebenzehn „von Baiern" — es ist nicht gesagt: wem — „vorgelegt" wurde. Ein Vergleich dieses Entwurfes »>it dem der siebenzehn einerseits und mit den neuerdings von Baiern an Preußen gestellten Forderungen in Bezug auf den preußischen Entwurf andererseits ist sehr belehrend; ich kann hier natürlich nur einige Andeutungen geben. Der Entwurf der siebenzehn ist seinem Hauptinhalte nach bekannt, er. bildet das Wesentliche 'n dem Codex, welchen nachmals die „verfassunggebende" Nationalversammlung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/336>, abgerufen am 15.01.2025.