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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Bmerschs Politik.



Als im April 1848 für den deutschen Reichstag gewählt werden sollte, rief
der Baierkönig Max seineu Baiern zu: "Vergesset auch nicht, daß wir Baiern sind.
Ueber tausend Jahre zählt unsere Geschichte. Baiern wollen wir sein und blei¬
ben." Am 7. November 1849 hat der bairische Minister Herr v. d. Pfordten,
nachdem er acht Monate hindurch für das Zustandekommen des deutschen Bundes¬
staates in bairischer Weise gewirkt, in der Kammer der Abgeordnete" gezeigt, wie
die Idee eines solchen Bundesstaates ein Hirngespinnst sei, wie das Ziel der baier-
schen Politik ganz allein die Ausbildung der vollen monarchischen Souveränität
Baierns sein dürfe. Das sagte er am Schlüsse seiner Rede über die deutsche
Frage. Die Kammer aber gab ihm das verlangte Vertrauensvotum, billigte sein
bisheriges Verfahren in der deutschen Sache. Die Baiern haben demnach der
Ermahnung ihres Königs insofern Folge geleistet, als sie geblieben sind, was sie
gewesen, seitdem es eine deutsche Geschichte gibt, nämlich Baiern.

Was wir aber nicht vergessen dürfen, das ist derjenige Theil der baierschen
Dinge, welcher auf der Grenzscheide liegt zwischen Geschichte und Gegenwart.
In der Politik ist bekanntlich Nichts gefährlicher als Selbsttäuschung oder, wie
solche bei uns Deutschen am allergewöhnlichsten sich darzustellen pflegt, als das
Hoffen ins Blaue hinein.

Verfolgen wir die baierschen Dinge während des eben gedachten Zeitraumes
und die Schritte der baierschen Regierung in der deutschen Sache, um das Facit
zu ziehen, so lautet dieses nicht anders als so: Nicht die Größe und die
Macht Deutschlands, sondern die Vergrößerung Baierns, nicht
die Einheit Deutschlands, sondern die Vereinigung Deutschlands
unter die baiersche Hegemonie, das ist es, was Baiern erstrebt.

Man erinnert sich noch, daß im März 1848 die deutsche Einheit plötzlich
umschlug in die Kundgebung des bittersten Hasses der süddeutschen Kleinstaaten
gegen Preußen: inmitten des allgemeinen Handelns im Westen und im Osten
empfanden dieselben lebhafter als je ihre Unbedentsamkeit, ihre Unfähigkeit, für
sich allein Etwas in der Welt zu thun; und-da sie es nicht über sich gewinnen
konnten, an dem bereits vorhandenen festen Fundamente fortbauen zu helfe", übte"
sie gegen dasselbe ihre Kraft, d. h. ihren Neid. So blieben diese Kleinstaaten
was sie waren, d. h. Staatenschntt oder Staatenembryos. Nirgends aber war
der Preußenhaß, also das Widerstreben -- das wissentliche oder unwissentliche --
gegen den deutschen Staat, nirgends war der Preußenhaß grimmiger als in Baiern,
das doch Preußen so unendlich viel und noch weit mehr sogar als Frankreich Z"


Bmerschs Politik.



Als im April 1848 für den deutschen Reichstag gewählt werden sollte, rief
der Baierkönig Max seineu Baiern zu: „Vergesset auch nicht, daß wir Baiern sind.
Ueber tausend Jahre zählt unsere Geschichte. Baiern wollen wir sein und blei¬
ben." Am 7. November 1849 hat der bairische Minister Herr v. d. Pfordten,
nachdem er acht Monate hindurch für das Zustandekommen des deutschen Bundes¬
staates in bairischer Weise gewirkt, in der Kammer der Abgeordnete» gezeigt, wie
die Idee eines solchen Bundesstaates ein Hirngespinnst sei, wie das Ziel der baier-
schen Politik ganz allein die Ausbildung der vollen monarchischen Souveränität
Baierns sein dürfe. Das sagte er am Schlüsse seiner Rede über die deutsche
Frage. Die Kammer aber gab ihm das verlangte Vertrauensvotum, billigte sein
bisheriges Verfahren in der deutschen Sache. Die Baiern haben demnach der
Ermahnung ihres Königs insofern Folge geleistet, als sie geblieben sind, was sie
gewesen, seitdem es eine deutsche Geschichte gibt, nämlich Baiern.

Was wir aber nicht vergessen dürfen, das ist derjenige Theil der baierschen
Dinge, welcher auf der Grenzscheide liegt zwischen Geschichte und Gegenwart.
In der Politik ist bekanntlich Nichts gefährlicher als Selbsttäuschung oder, wie
solche bei uns Deutschen am allergewöhnlichsten sich darzustellen pflegt, als das
Hoffen ins Blaue hinein.

Verfolgen wir die baierschen Dinge während des eben gedachten Zeitraumes
und die Schritte der baierschen Regierung in der deutschen Sache, um das Facit
zu ziehen, so lautet dieses nicht anders als so: Nicht die Größe und die
Macht Deutschlands, sondern die Vergrößerung Baierns, nicht
die Einheit Deutschlands, sondern die Vereinigung Deutschlands
unter die baiersche Hegemonie, das ist es, was Baiern erstrebt.

Man erinnert sich noch, daß im März 1848 die deutsche Einheit plötzlich
umschlug in die Kundgebung des bittersten Hasses der süddeutschen Kleinstaaten
gegen Preußen: inmitten des allgemeinen Handelns im Westen und im Osten
empfanden dieselben lebhafter als je ihre Unbedentsamkeit, ihre Unfähigkeit, für
sich allein Etwas in der Welt zu thun; und-da sie es nicht über sich gewinnen
konnten, an dem bereits vorhandenen festen Fundamente fortbauen zu helfe», übte»
sie gegen dasselbe ihre Kraft, d. h. ihren Neid. So blieben diese Kleinstaaten
was sie waren, d. h. Staatenschntt oder Staatenembryos. Nirgends aber war
der Preußenhaß, also das Widerstreben — das wissentliche oder unwissentliche —
gegen den deutschen Staat, nirgends war der Preußenhaß grimmiger als in Baiern,
das doch Preußen so unendlich viel und noch weit mehr sogar als Frankreich Z»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/335>, abgerufen am 15.01.2025.