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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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wissen, der Kaiser soll in einem zarten Verhältniß zur wunderschönen Frau eines
italienischen Prinzen stehen, der östreichischer General ist und dessen Familie nur
durch unsere Hilfe auf ihrem kleinen Thron erhalten wird. Die Stadt B., wo
der Prinz kommandirender General ist, genießt daher oft die Ehre des kaiserlichen
Besuchs, die Nationalgarde von B. ist fortwährend aus den Paradebeinen, und
die Hornisten derselben haben vom ewigen Ständchenblasen aufgesprungene Lip¬
pen. Eines Tages marschirt die Bürgcrwchr an der Wohnung des Generals
vorbei und spielt den Grenadiermarsch. Sogleich springt der Kaiser in der leb¬
haftesten Aufregung von seinem Sitz an der Seite der jungen Prinzessin, läßt
ihre weiche Hand fahren und schickt nach drei Oberoffizieren der Nationalgarde,
denen er nachdrücklich, mit Hinweisung auf das Militärreglement, beweiset und
bedeutet, daß sie kein Recht auf den Grenadiermarsch hätten, indem die Garde
nicht ans Grenadieren, sondern aus gewöhnlichen Musketieren bestehe. Seine Ma¬
jestät nahm die Sache sehr ernst, und indem er mit einer Eifersucht, die eines
interessanteren Gegenstands würdig gewesen wäre, für das Vorrecht der Grenadiere
sich erhob, glühten seine jugendlichen Wangen in so schönem Zorn und der Ton
seiner Stimme war dabei so weich und gekränkt, daß die Deputation ihm weder
gram sein konnte, noch zu widersprechen wagte. Die Nationalgarde jedoch, die
vom Militärreglement unabhängig und allen Grenadieren Europas gleich berechtigt
zu sein glaubt, beschloß einstimmig Opposition zu machen. Als der Kaiser das
nächste Mal nach B. kam, marschirte sie absichtlich wieder am selben Hause vorbei
und spielte den Grenadiermarsch, aber ganz leise, mit gedämpften Trommeln und
Trompeten. -- Und was würde dieser kindische Zug beweisen, wenn er wahr wäre?
Das würde den Kaiser nicht hindern, mit der Zeit ein Harun-al-Raschid zu werden,
ein aufgeklärter Sultan, wie ihn die Masse des östreichischen Volkes zu wünschen
scheint. -- Ein anderes Geschichtchen, sagte Don Jsidor Amabile, welches seiner
Zeit in vielen Volkskreisen mit begeisterter Zuversicht erzählt wurde, gibt dem
knabenhaften Trotz, der sich zuweilen im Gesicht Franz Joseph's ausspricht, eine
höhere und zwar liberale Richtung. Als die ungarischen Kriegswürsel zweifelhaft
standen, und die russische Intervention noch nicht beschlossen war, rief Franz Jo¬
seph in romantischer Aufwallung: "Ich brauche keine Armee, ich gehe allein nach
Ungarn und rede mit Kossuth. Wir werden uus ausgleichen. Ich kenne Kossuth
und BattlMni persönlich und bin erst voriges Jahr (1847) zu Presburg in Einem
Wagen mit ihnen ausgefahren. Diese Leute sind nicht so schlecht, als man mir
sie täglich machen will." Als die Mutter des Kaisers dieses hörte, erschrack sie
sehr und also redete sie: "Mein Sohn, du bist ein constitutioneller Kaiser und
mußt daher thun, was deine Minister sagen." -- "Frau Mutter," entgegnete er;
"ich weiß auch, was Constitution ist. Diese Minister habe ich mir nicht gewählt.
Ein constitutioneller Kaiser ernennt seine Minister selbst und jagt sie fort, wen"
sie ihm nicht mehr gefallen. Das werde ich thun. Ich brauche Niemanden z"


wissen, der Kaiser soll in einem zarten Verhältniß zur wunderschönen Frau eines
italienischen Prinzen stehen, der östreichischer General ist und dessen Familie nur
durch unsere Hilfe auf ihrem kleinen Thron erhalten wird. Die Stadt B., wo
der Prinz kommandirender General ist, genießt daher oft die Ehre des kaiserlichen
Besuchs, die Nationalgarde von B. ist fortwährend aus den Paradebeinen, und
die Hornisten derselben haben vom ewigen Ständchenblasen aufgesprungene Lip¬
pen. Eines Tages marschirt die Bürgcrwchr an der Wohnung des Generals
vorbei und spielt den Grenadiermarsch. Sogleich springt der Kaiser in der leb¬
haftesten Aufregung von seinem Sitz an der Seite der jungen Prinzessin, läßt
ihre weiche Hand fahren und schickt nach drei Oberoffizieren der Nationalgarde,
denen er nachdrücklich, mit Hinweisung auf das Militärreglement, beweiset und
bedeutet, daß sie kein Recht auf den Grenadiermarsch hätten, indem die Garde
nicht ans Grenadieren, sondern aus gewöhnlichen Musketieren bestehe. Seine Ma¬
jestät nahm die Sache sehr ernst, und indem er mit einer Eifersucht, die eines
interessanteren Gegenstands würdig gewesen wäre, für das Vorrecht der Grenadiere
sich erhob, glühten seine jugendlichen Wangen in so schönem Zorn und der Ton
seiner Stimme war dabei so weich und gekränkt, daß die Deputation ihm weder
gram sein konnte, noch zu widersprechen wagte. Die Nationalgarde jedoch, die
vom Militärreglement unabhängig und allen Grenadieren Europas gleich berechtigt
zu sein glaubt, beschloß einstimmig Opposition zu machen. Als der Kaiser das
nächste Mal nach B. kam, marschirte sie absichtlich wieder am selben Hause vorbei
und spielte den Grenadiermarsch, aber ganz leise, mit gedämpften Trommeln und
Trompeten. — Und was würde dieser kindische Zug beweisen, wenn er wahr wäre?
Das würde den Kaiser nicht hindern, mit der Zeit ein Harun-al-Raschid zu werden,
ein aufgeklärter Sultan, wie ihn die Masse des östreichischen Volkes zu wünschen
scheint. — Ein anderes Geschichtchen, sagte Don Jsidor Amabile, welches seiner
Zeit in vielen Volkskreisen mit begeisterter Zuversicht erzählt wurde, gibt dem
knabenhaften Trotz, der sich zuweilen im Gesicht Franz Joseph's ausspricht, eine
höhere und zwar liberale Richtung. Als die ungarischen Kriegswürsel zweifelhaft
standen, und die russische Intervention noch nicht beschlossen war, rief Franz Jo¬
seph in romantischer Aufwallung: „Ich brauche keine Armee, ich gehe allein nach
Ungarn und rede mit Kossuth. Wir werden uus ausgleichen. Ich kenne Kossuth
und BattlMni persönlich und bin erst voriges Jahr (1847) zu Presburg in Einem
Wagen mit ihnen ausgefahren. Diese Leute sind nicht so schlecht, als man mir
sie täglich machen will." Als die Mutter des Kaisers dieses hörte, erschrack sie
sehr und also redete sie: „Mein Sohn, du bist ein constitutioneller Kaiser und
mußt daher thun, was deine Minister sagen." — „Frau Mutter," entgegnete er;
„ich weiß auch, was Constitution ist. Diese Minister habe ich mir nicht gewählt.
Ein constitutioneller Kaiser ernennt seine Minister selbst und jagt sie fort, wen»
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/317>, abgerufen am 15.01.2025.