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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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sämmtliche drei Badearzte von Ischl an Armen und Rockschößen -- einer von uns
hatte also geplaudert -- um mich fortzuschleppen. Sie hielten mich für unsinnig
genug, auf eigene Faust eine Demonstration machen zu wollen, was mir nicht
einfiel; und sie glaubten Ischl gerettet zu haben, als ich im Gasthof zur Post
saß und ruhig mein Abendbrot verzehrte. -- Glauben Sie, der Kaiser hätte den
Amnestierus zornig aufgenommen? -- Gnädig keinesfalls, er hätte ihn doch
in Verlegenheit gesetzt. Man findet nicht immer ans dem Stegreif eine glücklich
ausweichende Antwort. -- Sie kennen ja Franz Joseph persönlich, was halten Sie
von ihm? -- Vom Kaiser? Nun, es ist ein ziemlich artiger junger Mann von
19 Jahren; wollen Sie einen fertigen Charakter in diesem Alter? Kronprinzen
und angehende Monarchen sind immer Gegenstand entgegengesetzter Sagen und
Prophezeihungen, in denen sich nur die bösen oder guten Träume des Volkes
spiegeln. Die Schule, welche er durchgemacht hat, ist eine bedenkliche. Die lang¬
jährigen Bemühungen seiner Mutter, ihn auf deu Thron zu bringen, können ihm
nicht geheim geblieben sein, und daß sie nur durch das Scheitern einer im ersten
Keim von der Erzherzogin begünstigten Revolution mit Erfolg gekrönt wurden,
daß die Bombardements so vieler Hauptstädte und die Hinrichtnngsfusilladen seine
Erhebung einläuten mußten, wird ihm stets vorschweben. Prüfungen, die ein Mo¬
narch in Gemeinschaft mit seinem Volke gegen den äußern Feind übersteht, wären
sie noch so demüthigend gewesen, stärken das gegenseitige Vertraue"; andere Nach¬
wirkung hinterlassen die schwer erfochtenen Siege über den innern Feind. Das
versteht sich von selbst. Franz Joseph sah den stolzen Hofadel Altöstreichs schmählich
in den Staub getreten, er sah einen Prinzen, der in Ungarn der Volkspartei die
Hand gedrückt, in ruhmlose Verbannung ziehn; er hat seinen Vorgänger, Fer¬
dinand, den Guten, wie man unter elegisch und oben spottend sagt, ihn, der mit
eigenen Ohren nicht auf das Volk schießen hören konnte, zweimal ans der Burg
fliehe" gesehen und er selbst zog endlich mehr noch mit Hilfe russischer Dekrete
als russischer Bayonnctte als Triumphator über zwei Drittel seiner Unterthanen in
Schönbrunn ein. Aus solchen Ereignissen zieht man bei Hofe eigenthümliche, bittere
Lehren, die sich in ein achtzehnjähriges Herz mit Flammenschrift eingraben. Auch
Franz I. kam als Jüngling auf den Thron, 1792, und hat den Schrecken über
den damaligen Feuerlärm, der doch nur von außen kam, sein Lebtage nicht aus
den Glieder" gebracht. Deshalb fürchte ich, das Volkswort nennt den jungen
Kaiser nicht ohne prophetischen Instinkt: mehr Franz als Joseph. Seine einseitig
soldatische Richtung ergiebt sich selbst aus den Ben- oder Maltrovatos seiner An¬
beter, die ihm täglich Seinsollende Gcniesprüche in den Mund legen: meist schlechte
Ueberarbeitungen alter Kaiseranckdoten. Ich wünsche den Erfindern mehr Geschick
"ut Geschmack.

Feiner als diese Art von Höflingen ist das Volk in seinen Bentrovatos. Sie


Greiften. IV. 1849. 4t)

sämmtliche drei Badearzte von Ischl an Armen und Rockschößen — einer von uns
hatte also geplaudert — um mich fortzuschleppen. Sie hielten mich für unsinnig
genug, auf eigene Faust eine Demonstration machen zu wollen, was mir nicht
einfiel; und sie glaubten Ischl gerettet zu haben, als ich im Gasthof zur Post
saß und ruhig mein Abendbrot verzehrte. — Glauben Sie, der Kaiser hätte den
Amnestierus zornig aufgenommen? — Gnädig keinesfalls, er hätte ihn doch
in Verlegenheit gesetzt. Man findet nicht immer ans dem Stegreif eine glücklich
ausweichende Antwort. — Sie kennen ja Franz Joseph persönlich, was halten Sie
von ihm? — Vom Kaiser? Nun, es ist ein ziemlich artiger junger Mann von
19 Jahren; wollen Sie einen fertigen Charakter in diesem Alter? Kronprinzen
und angehende Monarchen sind immer Gegenstand entgegengesetzter Sagen und
Prophezeihungen, in denen sich nur die bösen oder guten Träume des Volkes
spiegeln. Die Schule, welche er durchgemacht hat, ist eine bedenkliche. Die lang¬
jährigen Bemühungen seiner Mutter, ihn auf deu Thron zu bringen, können ihm
nicht geheim geblieben sein, und daß sie nur durch das Scheitern einer im ersten
Keim von der Erzherzogin begünstigten Revolution mit Erfolg gekrönt wurden,
daß die Bombardements so vieler Hauptstädte und die Hinrichtnngsfusilladen seine
Erhebung einläuten mußten, wird ihm stets vorschweben. Prüfungen, die ein Mo¬
narch in Gemeinschaft mit seinem Volke gegen den äußern Feind übersteht, wären
sie noch so demüthigend gewesen, stärken das gegenseitige Vertraue»; andere Nach¬
wirkung hinterlassen die schwer erfochtenen Siege über den innern Feind. Das
versteht sich von selbst. Franz Joseph sah den stolzen Hofadel Altöstreichs schmählich
in den Staub getreten, er sah einen Prinzen, der in Ungarn der Volkspartei die
Hand gedrückt, in ruhmlose Verbannung ziehn; er hat seinen Vorgänger, Fer¬
dinand, den Guten, wie man unter elegisch und oben spottend sagt, ihn, der mit
eigenen Ohren nicht auf das Volk schießen hören konnte, zweimal ans der Burg
fliehe» gesehen und er selbst zog endlich mehr noch mit Hilfe russischer Dekrete
als russischer Bayonnctte als Triumphator über zwei Drittel seiner Unterthanen in
Schönbrunn ein. Aus solchen Ereignissen zieht man bei Hofe eigenthümliche, bittere
Lehren, die sich in ein achtzehnjähriges Herz mit Flammenschrift eingraben. Auch
Franz I. kam als Jüngling auf den Thron, 1792, und hat den Schrecken über
den damaligen Feuerlärm, der doch nur von außen kam, sein Lebtage nicht aus
den Glieder» gebracht. Deshalb fürchte ich, das Volkswort nennt den jungen
Kaiser nicht ohne prophetischen Instinkt: mehr Franz als Joseph. Seine einseitig
soldatische Richtung ergiebt sich selbst aus den Ben- oder Maltrovatos seiner An¬
beter, die ihm täglich Seinsollende Gcniesprüche in den Mund legen: meist schlechte
Ueberarbeitungen alter Kaiseranckdoten. Ich wünsche den Erfindern mehr Geschick
"ut Geschmack.

Feiner als diese Art von Höflingen ist das Volk in seinen Bentrovatos. Sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/316>, abgerufen am 15.01.2025.