Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.tige Oestreicher angesehen, weil der Lloyd einigemal drohte, Preußisch-Schlesien zurück¬ Theodor Brand's Verbrechen besteht demnach, genau erwogen, in einer kleinen Die offiziellen Oestreicher, welche dies lesen, pochen aus den Kriegszustand. Gut. Geben wir endlich das Briefgeheimnis) preis. Oestreich erbrach aus Nothwehr Mehrere Monate schon trägt der arme Brand seine Eisen. Möglich, daß der preußi¬ Verlag von F. L. Hcrbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. tige Oestreicher angesehen, weil der Lloyd einigemal drohte, Preußisch-Schlesien zurück¬ Theodor Brand's Verbrechen besteht demnach, genau erwogen, in einer kleinen Die offiziellen Oestreicher, welche dies lesen, pochen aus den Kriegszustand. Gut. Geben wir endlich das Briefgeheimnis) preis. Oestreich erbrach aus Nothwehr Mehrere Monate schon trägt der arme Brand seine Eisen. Möglich, daß der preußi¬ Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Friedrich Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279831"/> <p xml:id="ID_1002" prev="#ID_1001"> tige Oestreicher angesehen, weil der Lloyd einigemal drohte, Preußisch-Schlesien zurück¬<lb/> zuerobern? —</p><lb/> <p xml:id="ID_1003"> Theodor Brand's Verbrechen besteht demnach, genau erwogen, in einer kleinen<lb/> Unvorsichtigkeit. Er hätte weniger Vertrauen auf die Ehrenhaftigkeit der östreichischen<lb/> Post besitzen und bedenken sollen, daß das Briefgeheimniß in der oktrvyirten März-<lb/> versassnng ansdrücklich gewährleistet ist, folglich in der Regel nicht geachtet wird. Statt<lb/> dessen war er arglos genug, seiue Briefe mit unverstellter Hand zu schreiben, zu unter¬<lb/> zeichnen und, als sie ihm erbrochen vorgehalten wurden, dieselben freimüthig zu „agnos-<lb/> ciren." Schanzarbeit dem unerfahrenen Jungen! Es geschieht ihm Recht! Solch ein<lb/> ehrlicher Michel gehört nicht nach Oestreich!</p><lb/> <p xml:id="ID_1004"> Die offiziellen Oestreicher, welche dies lesen, pochen aus den Kriegszustand. Gut.<lb/> Begreiflich wäre die Erbrcchuug eines Briefes gewesen, der von Wien nach Debreczin<lb/> oder v^n Debreczin nach Wien, aus einem feindlichen Lager in's andere gegangen<lb/> wäre. Doch wenn man selbst Preßburg, in dessen fernster Umgebung kein Schuß fiel,<lb/> zum Kriegsschauplatz rechnen will, so war Preußischschlesicn kein sündliches, — ja,<lb/> selbst die höchst gefährliche Gesinnung der zahmen Breslauer Zeitung in Anschlag ge¬<lb/> bracht — wenigstens ein neutrales Land zu nennen. — Aber, sagt mau uus, ein<lb/> Brief nach Breslau könnte von dort in der Tasche eines Schmugglers über Krakau<lb/> nach Debreczin schleichen. — Dann wäre die Erbrechnng aller Briefe von Prag, Jn-<lb/> spruck oder Linz nach München weit nothwendiger, denn eine hochverrätherische Epistel<lb/> konnte leichter über München, London und Konstantinopel nach Debreczin gelangen<lb/> als über Krakau, wo eine Grcuzaussicht ist. '</p><lb/> <p xml:id="ID_1005"> Geben wir endlich das Briefgeheimnis) preis. Oestreich erbrach aus Nothwehr<lb/> Brand's Brief an seinen Vater. Wohl! Dann hatten die kaiserlichen Generale das<lb/> Recht, wenn sie werthvolle Mittheilungen darin senden, sie zu ihren Zwecken zu be-<lb/> nützen; wenn der Schreiber etwa seine» alten Vater aufforderte, ein oberschlesisches<lb/> Freischaarencorps dem Kossuth zu Hilfe zu führen, konnten sie ihn vor Gericht stellen.<lb/> Aber Brand schrieb eben uur, was sich in Preßburg die Mägde am Brunnen, die<lb/> Kinder in der Wiege, die Arrestanten im StockhanS erzählten, was seine Richter so<lb/> gut wußten wie er. Auf ein solches Aktenstück eine Anklage und Verurtheilung zu be¬<lb/> gründen, dazu gehört das Herz, die Stirn und das Gehirn eines östreichischen Mili¬<lb/> tärgerichts !</p><lb/> <p xml:id="ID_1006"> Mehrere Monate schon trägt der arme Brand seine Eisen. Möglich, daß der preußi¬<lb/> schen Regierung Nichts darüber zu Ohren kam. Deshalb erzählte ich sein Schicksal ausführ¬<lb/> lich und fordere die preußische Gesandtschaft auf, nach Pflicht und Gebühr ihren Lands¬<lb/> mann zu schützen, ihm Genugthuung für die erlittene Mißhandlung, im ungünstigsten<lb/> Falle wenigstens die Freiheit zu verschaffe». Habt keine Bange vor dem ungeheueren<lb/> Schnurrbart des grimmen Feldzeugmcisters, sondern redet deutsch mit ihm, damit es nicht<lb/> heiße, daß Hayuau's Stock bis nach Breslau und Berlin hinaufreicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.<lb/> Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283]
tige Oestreicher angesehen, weil der Lloyd einigemal drohte, Preußisch-Schlesien zurück¬
zuerobern? —
Theodor Brand's Verbrechen besteht demnach, genau erwogen, in einer kleinen
Unvorsichtigkeit. Er hätte weniger Vertrauen auf die Ehrenhaftigkeit der östreichischen
Post besitzen und bedenken sollen, daß das Briefgeheimniß in der oktrvyirten März-
versassnng ansdrücklich gewährleistet ist, folglich in der Regel nicht geachtet wird. Statt
dessen war er arglos genug, seiue Briefe mit unverstellter Hand zu schreiben, zu unter¬
zeichnen und, als sie ihm erbrochen vorgehalten wurden, dieselben freimüthig zu „agnos-
ciren." Schanzarbeit dem unerfahrenen Jungen! Es geschieht ihm Recht! Solch ein
ehrlicher Michel gehört nicht nach Oestreich!
Die offiziellen Oestreicher, welche dies lesen, pochen aus den Kriegszustand. Gut.
Begreiflich wäre die Erbrcchuug eines Briefes gewesen, der von Wien nach Debreczin
oder v^n Debreczin nach Wien, aus einem feindlichen Lager in's andere gegangen
wäre. Doch wenn man selbst Preßburg, in dessen fernster Umgebung kein Schuß fiel,
zum Kriegsschauplatz rechnen will, so war Preußischschlesicn kein sündliches, — ja,
selbst die höchst gefährliche Gesinnung der zahmen Breslauer Zeitung in Anschlag ge¬
bracht — wenigstens ein neutrales Land zu nennen. — Aber, sagt mau uus, ein
Brief nach Breslau könnte von dort in der Tasche eines Schmugglers über Krakau
nach Debreczin schleichen. — Dann wäre die Erbrechnng aller Briefe von Prag, Jn-
spruck oder Linz nach München weit nothwendiger, denn eine hochverrätherische Epistel
konnte leichter über München, London und Konstantinopel nach Debreczin gelangen
als über Krakau, wo eine Grcuzaussicht ist. '
Geben wir endlich das Briefgeheimnis) preis. Oestreich erbrach aus Nothwehr
Brand's Brief an seinen Vater. Wohl! Dann hatten die kaiserlichen Generale das
Recht, wenn sie werthvolle Mittheilungen darin senden, sie zu ihren Zwecken zu be-
nützen; wenn der Schreiber etwa seine» alten Vater aufforderte, ein oberschlesisches
Freischaarencorps dem Kossuth zu Hilfe zu führen, konnten sie ihn vor Gericht stellen.
Aber Brand schrieb eben uur, was sich in Preßburg die Mägde am Brunnen, die
Kinder in der Wiege, die Arrestanten im StockhanS erzählten, was seine Richter so
gut wußten wie er. Auf ein solches Aktenstück eine Anklage und Verurtheilung zu be¬
gründen, dazu gehört das Herz, die Stirn und das Gehirn eines östreichischen Mili¬
tärgerichts !
Mehrere Monate schon trägt der arme Brand seine Eisen. Möglich, daß der preußi¬
schen Regierung Nichts darüber zu Ohren kam. Deshalb erzählte ich sein Schicksal ausführ¬
lich und fordere die preußische Gesandtschaft auf, nach Pflicht und Gebühr ihren Lands¬
mann zu schützen, ihm Genugthuung für die erlittene Mißhandlung, im ungünstigsten
Falle wenigstens die Freiheit zu verschaffe». Habt keine Bange vor dem ungeheueren
Schnurrbart des grimmen Feldzeugmcisters, sondern redet deutsch mit ihm, damit es nicht
heiße, daß Hayuau's Stock bis nach Breslau und Berlin hinaufreicht.
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