Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.machen suchen, täglich hier vorkommen. Dazu Jammer in den Familien, denn an 800 machen suchen, täglich hier vorkommen. Dazu Jammer in den Familien, denn an 800 <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279574"/> <p xml:id="ID_80" prev="#ID_79" next="#ID_81"> machen suchen, täglich hier vorkommen. Dazu Jammer in den Familien, denn an 800<lb/> junge Badenser sind im legten Aufstande geblieben, über 6000 sitzen in den ver¬<lb/> schiedenen Gefängnissen (in den Kasematten zu Rastatt allein 4600), an 8000 irren<lb/> als Flüchtlinge in der Schweiz und Frankreich umher oder haben schon Dienste in<lb/> der Fremdenlegion in Algier genommen. Daß bei solchen Zuständen jede Gesel¬<lb/> ligkeit aufgehört hat, ist natürlich. Herrscht doch Hader und Zwist in Folge der<lb/> verschiedenen politischen Ansichten in jeder Familie, wieviel mehr nicht in größeren<lb/> Kreisen. So blicken besonders alle Offiziere und Beamte, die gleich beim ersten<lb/> Sturm davon gelaufen siud, statt daß sie hätten versuchen sollen dnrch ihr Dablei¬<lb/> ben dem vielen Unwesen was in der Revolution getrieben ward, möglichst zu<lb/> steuern, mit Verachtung auf alle herab, welche muthig ausharrten um fortwährend,<lb/> selbst oft aller irgend persönlicher Gefahr der Anarchie so viel als möglich ent¬<lb/> gegenzuwirken. Mau glaubt gar nicht, mit welche» Rodomontaden viele dieser Helden<lb/> unter dem Schutz der preußischen Soldaten um sich werfen, und was für retten^<lb/> Thaten sie noch verrichten wollen. Auch der Wohlstand der meisten Familien, besn-<lb/> ders solcher, die vom Handel und Gewerbe lebe» müssen, hat ungemein gellten.<lb/> Jegliche merkantilische wie industrielle Thätigkeit stockte gänzlich, der Kredit var er¬<lb/> schüttert, der Fremdenbesuch, vou dem gerade hier so viele Tausende blickt wie<lb/> indirekt leben, um die Hälfte vermindert. Nun noch die vermehrten Abgaben, die<lb/> außerordentlichen Steuern, welche die provisorische Regierung verlangte, vie große<lb/> Last der Eüiquartirung von anfänglich 80,000 und jetzt noch 40,000 Mann Trup¬<lb/> pe», die täglich vom Lande unterhalten werden müssen. Hätte der .ffimmel uicht<lb/> zwei so sehr reiche Ernten nach einander gegeben, daß alle Lebensmttel wohlfeil<lb/> sind, Hunger und Elend würden überall herrschen. So haben zwar die Leute uoch<lb/> satt zu esse», aber das Vermögen gar vieler Familien geht zu Gründe und Ban-<lb/> kerotterkläruugeu wechseln unaufhörlich mit Steckbriefeu in deu täglichen vogeulau-<lb/> gen Beilagen der Karlsruher Zeitung. Und neue bedeutende Steuern stehen dazu<lb/> noch in Aussicht, denn die Staatskasse ist gänzlich erschöpft, und viele neue außer¬<lb/> ordentliche Ausgaben müssen noch gemacht werden. So ist das Kriegsmaterial<lb/> zerstört und verschleppt worden, Waffen, Uniformen, Munition, Pferde, Alles fehlt<lb/> und muß mit großen Summen neu angeschafft werdeu. Es bedarf der Staat z. B.<lb/> an 1800 Kavallerie- und Artilleriepferde, um sein vorgeschriebenes Contingent auf<lb/> dem Friedenssnß zu erhalten und besitzt gegenwärtig kaum 500 brauchbare Thiere.<lb/> Glauben an deu -gesicherten Fortbestand der hiesigen Dinge hat Niemand, und eine<lb/> freiwillige Anleihe von einer Million Gulden unter sehr günstigen Bedingungen,<lb/> fand so geringe Theilnahme, daß diese Summe noch lange uicht zur Hälfte einge¬<lb/> zahlt ist, obgleich der anfänglich einberaumte Termin schon lange vorüber. Diese<lb/> Zustände wirken so drückend, daß gewiß weit über die Hälfte der Menschen mit<lb/> Freuden auswandern würde, wenn es nur halbwegs möglich wäre, liegende Be¬<lb/> sitzungen zu einem irgendwie annehmbaren Preis zu verkaufen. Aber dies ist jetzt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
machen suchen, täglich hier vorkommen. Dazu Jammer in den Familien, denn an 800
junge Badenser sind im legten Aufstande geblieben, über 6000 sitzen in den ver¬
schiedenen Gefängnissen (in den Kasematten zu Rastatt allein 4600), an 8000 irren
als Flüchtlinge in der Schweiz und Frankreich umher oder haben schon Dienste in
der Fremdenlegion in Algier genommen. Daß bei solchen Zuständen jede Gesel¬
ligkeit aufgehört hat, ist natürlich. Herrscht doch Hader und Zwist in Folge der
verschiedenen politischen Ansichten in jeder Familie, wieviel mehr nicht in größeren
Kreisen. So blicken besonders alle Offiziere und Beamte, die gleich beim ersten
Sturm davon gelaufen siud, statt daß sie hätten versuchen sollen dnrch ihr Dablei¬
ben dem vielen Unwesen was in der Revolution getrieben ward, möglichst zu
steuern, mit Verachtung auf alle herab, welche muthig ausharrten um fortwährend,
selbst oft aller irgend persönlicher Gefahr der Anarchie so viel als möglich ent¬
gegenzuwirken. Mau glaubt gar nicht, mit welche» Rodomontaden viele dieser Helden
unter dem Schutz der preußischen Soldaten um sich werfen, und was für retten^
Thaten sie noch verrichten wollen. Auch der Wohlstand der meisten Familien, besn-
ders solcher, die vom Handel und Gewerbe lebe» müssen, hat ungemein gellten.
Jegliche merkantilische wie industrielle Thätigkeit stockte gänzlich, der Kredit var er¬
schüttert, der Fremdenbesuch, vou dem gerade hier so viele Tausende blickt wie
indirekt leben, um die Hälfte vermindert. Nun noch die vermehrten Abgaben, die
außerordentlichen Steuern, welche die provisorische Regierung verlangte, vie große
Last der Eüiquartirung von anfänglich 80,000 und jetzt noch 40,000 Mann Trup¬
pe», die täglich vom Lande unterhalten werden müssen. Hätte der .ffimmel uicht
zwei so sehr reiche Ernten nach einander gegeben, daß alle Lebensmttel wohlfeil
sind, Hunger und Elend würden überall herrschen. So haben zwar die Leute uoch
satt zu esse», aber das Vermögen gar vieler Familien geht zu Gründe und Ban-
kerotterkläruugeu wechseln unaufhörlich mit Steckbriefeu in deu täglichen vogeulau-
gen Beilagen der Karlsruher Zeitung. Und neue bedeutende Steuern stehen dazu
noch in Aussicht, denn die Staatskasse ist gänzlich erschöpft, und viele neue außer¬
ordentliche Ausgaben müssen noch gemacht werden. So ist das Kriegsmaterial
zerstört und verschleppt worden, Waffen, Uniformen, Munition, Pferde, Alles fehlt
und muß mit großen Summen neu angeschafft werdeu. Es bedarf der Staat z. B.
an 1800 Kavallerie- und Artilleriepferde, um sein vorgeschriebenes Contingent auf
dem Friedenssnß zu erhalten und besitzt gegenwärtig kaum 500 brauchbare Thiere.
Glauben an deu -gesicherten Fortbestand der hiesigen Dinge hat Niemand, und eine
freiwillige Anleihe von einer Million Gulden unter sehr günstigen Bedingungen,
fand so geringe Theilnahme, daß diese Summe noch lange uicht zur Hälfte einge¬
zahlt ist, obgleich der anfänglich einberaumte Termin schon lange vorüber. Diese
Zustände wirken so drückend, daß gewiß weit über die Hälfte der Menschen mit
Freuden auswandern würde, wenn es nur halbwegs möglich wäre, liegende Be¬
sitzungen zu einem irgendwie annehmbaren Preis zu verkaufen. Aber dies ist jetzt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |