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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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über des Fürsten Windischgrätz gänzliche Ungeschicklichkeit eine Armee zu führen,
ist unter Allen nur eine Stimme. Die Unfähigkeit des Letzteren sei lächer¬
lich gewesen. General Haynau aber sei ein tüchtiger Haudegen, der sich gut
dazu eigne, ein paar Kavallerieregimenter in's Feuer zu führen, für den Oberbe¬
fehl eines großen Armeecorps aber sei er gänzlich unbrauchbar, zumal er jeden
Mittag nach der Tafel völlig betrunken sei. In diesem Zustand soll er auch seine
wilden, blutdürstigen Befehle erlassen, und wenn seine Umgebung ihn nicht nach
Kräften zu besänftigen wüßte, den Befehl zum Niederbrennen ganzer Ortschaften
und zum Niederschießen der Gefangenen geben. Beide Feldherrn hätten furchtbar
in Ungarn gehaust und der wilden Zerstörungswuth der rohen kroatischen und
ruthenischen Bataillone nicht den mindesten Einhalt gethan. Es seien in diesem
Kriege Scenen vorgekommen, wie man sie zu Ehren der Menschheit in unserm
Jahrhundert nicht mehr für möglich gehalten hätte. Sie geben aber zu, daß das
ungarische Heer selbst anch nicht aller Schuld baar sei, auch bei ihnen gab es
leider sehr viele rohe Menschen, und die Wuth derselben sei oft durch das Beneh¬
men der ihnen gegenüberstehenden Truppen so gereizt worden, daß es fast un¬
möglich gewesen wäre, sie vor Excessen zu bewahren. -- "Kann man da wohl
ruhig Blut behalten, wenn man in ein Dorf kommt und sieht die meisten Häuser
desselben niedergebrannt, viele Leichen von Männern, Knaben, Greisen umher¬
liegen und oft dabei noch auf das schmählichste verstümmelt, hört das Gewim¬
mer der entehrten Frauen und Mädchen, die schonungslos den thierischen Begier¬
den der Soldaten preisgegeben waren" rief ein junger Edelmann aus hoher Mag¬
natenfamilie, der Rittmeister in einem Husarenregiment gewesen war und mit nach
Amerika auswandern wollte.

Lange nicht so hoch wie die östreichische Armee stellten unsere Freunde die
russische, die ihnen gegenübergestanden hatte. Es seien viele schwache, schlecht ge¬
nährte und schlecht bewaffnete Soldaten im russischen Heere, besonders die der
Infanterie, die ersichtlich ungern kämpften und von ihren Offizieren oft förmlich
in das Fnier hineingcprügclt werden mußten. Auch sei der Berlust der Russen
ungeheuer gewesen, besonders durch schlimme Krankheiten der Soldaten in Folge
der schlechten Behandlung und Verpflegung. Aber auch die Oestreicher haben
sehr viel Leute verloren und manche Bataillone zuletzt kaum noch die Stärke von
Compagnien gehabt. Der Ersatz hätte aber gewöhnlich aus kriegsgefangenen
Ungarn oder Italienern bestanden, die jede Gelegenheit benutzt hätten, um wie¬
der zu desertircn. In noch höherem Grade soll dies jetzt der Fall sein, da allem
an 70,000 gefangene Ungarn gewaltsam in die Reihen der östreichischen Regi¬
menter gestellt wurden. "Glauben Sie mir," fuhr Major C. fort, "jede Macht,
die mit Oestreich einen Krieg führt, braucht uur eigene Fremdenregimenter zu er¬
richten, und die Herstellung der ungarischen, polnischen und italienischen Natio¬
nalität zu versprechen und die halbe Armee geht augenblicklich über." -- Alle-


über des Fürsten Windischgrätz gänzliche Ungeschicklichkeit eine Armee zu führen,
ist unter Allen nur eine Stimme. Die Unfähigkeit des Letzteren sei lächer¬
lich gewesen. General Haynau aber sei ein tüchtiger Haudegen, der sich gut
dazu eigne, ein paar Kavallerieregimenter in's Feuer zu führen, für den Oberbe¬
fehl eines großen Armeecorps aber sei er gänzlich unbrauchbar, zumal er jeden
Mittag nach der Tafel völlig betrunken sei. In diesem Zustand soll er auch seine
wilden, blutdürstigen Befehle erlassen, und wenn seine Umgebung ihn nicht nach
Kräften zu besänftigen wüßte, den Befehl zum Niederbrennen ganzer Ortschaften
und zum Niederschießen der Gefangenen geben. Beide Feldherrn hätten furchtbar
in Ungarn gehaust und der wilden Zerstörungswuth der rohen kroatischen und
ruthenischen Bataillone nicht den mindesten Einhalt gethan. Es seien in diesem
Kriege Scenen vorgekommen, wie man sie zu Ehren der Menschheit in unserm
Jahrhundert nicht mehr für möglich gehalten hätte. Sie geben aber zu, daß das
ungarische Heer selbst anch nicht aller Schuld baar sei, auch bei ihnen gab es
leider sehr viele rohe Menschen, und die Wuth derselben sei oft durch das Beneh¬
men der ihnen gegenüberstehenden Truppen so gereizt worden, daß es fast un¬
möglich gewesen wäre, sie vor Excessen zu bewahren. — „Kann man da wohl
ruhig Blut behalten, wenn man in ein Dorf kommt und sieht die meisten Häuser
desselben niedergebrannt, viele Leichen von Männern, Knaben, Greisen umher¬
liegen und oft dabei noch auf das schmählichste verstümmelt, hört das Gewim¬
mer der entehrten Frauen und Mädchen, die schonungslos den thierischen Begier¬
den der Soldaten preisgegeben waren" rief ein junger Edelmann aus hoher Mag¬
natenfamilie, der Rittmeister in einem Husarenregiment gewesen war und mit nach
Amerika auswandern wollte.

Lange nicht so hoch wie die östreichische Armee stellten unsere Freunde die
russische, die ihnen gegenübergestanden hatte. Es seien viele schwache, schlecht ge¬
nährte und schlecht bewaffnete Soldaten im russischen Heere, besonders die der
Infanterie, die ersichtlich ungern kämpften und von ihren Offizieren oft förmlich
in das Fnier hineingcprügclt werden mußten. Auch sei der Berlust der Russen
ungeheuer gewesen, besonders durch schlimme Krankheiten der Soldaten in Folge
der schlechten Behandlung und Verpflegung. Aber auch die Oestreicher haben
sehr viel Leute verloren und manche Bataillone zuletzt kaum noch die Stärke von
Compagnien gehabt. Der Ersatz hätte aber gewöhnlich aus kriegsgefangenen
Ungarn oder Italienern bestanden, die jede Gelegenheit benutzt hätten, um wie¬
der zu desertircn. In noch höherem Grade soll dies jetzt der Fall sein, da allem
an 70,000 gefangene Ungarn gewaltsam in die Reihen der östreichischen Regi¬
menter gestellt wurden. „Glauben Sie mir," fuhr Major C. fort, „jede Macht,
die mit Oestreich einen Krieg führt, braucht uur eigene Fremdenregimenter zu er¬
richten, und die Herstellung der ungarischen, polnischen und italienischen Natio¬
nalität zu versprechen und die halbe Armee geht augenblicklich über." — Alle-


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[0235] über des Fürsten Windischgrätz gänzliche Ungeschicklichkeit eine Armee zu führen, ist unter Allen nur eine Stimme. Die Unfähigkeit des Letzteren sei lächer¬ lich gewesen. General Haynau aber sei ein tüchtiger Haudegen, der sich gut dazu eigne, ein paar Kavallerieregimenter in's Feuer zu führen, für den Oberbe¬ fehl eines großen Armeecorps aber sei er gänzlich unbrauchbar, zumal er jeden Mittag nach der Tafel völlig betrunken sei. In diesem Zustand soll er auch seine wilden, blutdürstigen Befehle erlassen, und wenn seine Umgebung ihn nicht nach Kräften zu besänftigen wüßte, den Befehl zum Niederbrennen ganzer Ortschaften und zum Niederschießen der Gefangenen geben. Beide Feldherrn hätten furchtbar in Ungarn gehaust und der wilden Zerstörungswuth der rohen kroatischen und ruthenischen Bataillone nicht den mindesten Einhalt gethan. Es seien in diesem Kriege Scenen vorgekommen, wie man sie zu Ehren der Menschheit in unserm Jahrhundert nicht mehr für möglich gehalten hätte. Sie geben aber zu, daß das ungarische Heer selbst anch nicht aller Schuld baar sei, auch bei ihnen gab es leider sehr viele rohe Menschen, und die Wuth derselben sei oft durch das Beneh¬ men der ihnen gegenüberstehenden Truppen so gereizt worden, daß es fast un¬ möglich gewesen wäre, sie vor Excessen zu bewahren. — „Kann man da wohl ruhig Blut behalten, wenn man in ein Dorf kommt und sieht die meisten Häuser desselben niedergebrannt, viele Leichen von Männern, Knaben, Greisen umher¬ liegen und oft dabei noch auf das schmählichste verstümmelt, hört das Gewim¬ mer der entehrten Frauen und Mädchen, die schonungslos den thierischen Begier¬ den der Soldaten preisgegeben waren" rief ein junger Edelmann aus hoher Mag¬ natenfamilie, der Rittmeister in einem Husarenregiment gewesen war und mit nach Amerika auswandern wollte. Lange nicht so hoch wie die östreichische Armee stellten unsere Freunde die russische, die ihnen gegenübergestanden hatte. Es seien viele schwache, schlecht ge¬ nährte und schlecht bewaffnete Soldaten im russischen Heere, besonders die der Infanterie, die ersichtlich ungern kämpften und von ihren Offizieren oft förmlich in das Fnier hineingcprügclt werden mußten. Auch sei der Berlust der Russen ungeheuer gewesen, besonders durch schlimme Krankheiten der Soldaten in Folge der schlechten Behandlung und Verpflegung. Aber auch die Oestreicher haben sehr viel Leute verloren und manche Bataillone zuletzt kaum noch die Stärke von Compagnien gehabt. Der Ersatz hätte aber gewöhnlich aus kriegsgefangenen Ungarn oder Italienern bestanden, die jede Gelegenheit benutzt hätten, um wie¬ der zu desertircn. In noch höherem Grade soll dies jetzt der Fall sein, da allem an 70,000 gefangene Ungarn gewaltsam in die Reihen der östreichischen Regi¬ menter gestellt wurden. „Glauben Sie mir," fuhr Major C. fort, „jede Macht, die mit Oestreich einen Krieg führt, braucht uur eigene Fremdenregimenter zu er¬ richten, und die Herstellung der ungarischen, polnischen und italienischen Natio¬ nalität zu versprechen und die halbe Armee geht augenblicklich über." — Alle-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/235>, abgerufen am 15.01.2025.