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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Hast, in langgenährtem entfesselten Grimme, mit Blei und Eisen dreingeschlagen,
schnell verflogen war der aufgedrungene Rausch. War vielleicht bei wenig
Einzelnen das <1"-Iiri"in ti-eme"" zurückgeblieben, so ging doch die alte Praga
ihren alten unerquicklich langweiligen Gang, plauderte Deutsch, plauderte Czechisch,
war wieder gemüthlich spießbürgerlich bornirt wie ehedem, legte das Gesammt-
gemand vom 4. März zwar ungern, doch gehorsam an, obwohl ihr das alte weißrothe
Gewand mit blos schwarzgelber Einfassung lieber gewesen wäre. Trotz alledem
aber ist die alte Praga dennoch seit beinahe sechs Monaten in die Eisenbande
des Mars geschlagen und in der That belagert, vor aller Welt in üblen Ruf ge¬
bracht, jeder Gamin, der etwa albern gewesen, bekömmt die Eisenruthe zu kosten,
dies alles geschieht und darf geschehen zur Bequemlichkeit der Herren Regierer,
obwohl der 4. März verhieß, nnr im Falle innerer UnrNhen, oder im Falle
des Krieges sei die Suspension der politischen Rechte gestattet, und es werde
diese dnrch ein besonderes Gesetz geregelt! Dieses Gesetz jedoch vermeidet man
zu geben, und suspendirt inzwischen nach Belieben , also gesetzlos.

Vor diesem leidigen Ansnahmsznstande war Prag ganz ruhig im Innern,
seit demselben hat es allerdings sehr viele innere Unruhe darüber, wie man ihm
den Affront des Belagerungszustandes hat anthun können, nachdem doch der Krieg
nicht wohl zur Begründung oder zum Vorwande zu dienen vermag, denn
Schlesien und Mähren, dem Kriegstheater zunächst gelegen, sind unbelagert
geblieben.

Das Ministerium hat uus das enge Flügelklcid der Freiheit vom 4. März
von weitem gezeigt, statt desselben aber das Eisensand des Martialgesetzes um
unsere Glieder geschlagen.

Wahrscheinlich soll uns die Theatersvnne der Freiheit des 4. März ans diesem
Wege noch als das Höchste irdischer Herrlichkeit erscheinen, falls die Herren Thea-
termeistcr sie einst dennoch sollten in Scene gehen lassen.

Doch eines gedeihet dennoch in der alten Praga -- die unverwüstliche An¬
hänglichkeit an die Dynastie, sie gedeihet trotz Eisenhemd und Bajonetten.

Kaiser Franz Joseph wird in Prag erwartet, in dem ungerecht und nugesetz-
Uch vom Ministerium belagerten Prag schlagen Oel und Kerzen im Preise auf,
die Stadt wird in Freudcnflammen stehen zum Empfange ihres Kaisers.

Man spart den gerechten Groll und Grimm, echt constitutionell für die
verantwortlichen Minister aus, und läßt das den constitutionellen Kaiser nicht
entgelten.

Die ganze Einwohnerschaft ist zu einem Collectio-Lampion geworden und
lodert in loyalen Flammen auf.

Und eine solche Stadt, eine Einwohnerschaft von solcher Fähigkeit hält man
dennoch belagert! Vielleicht nnr deshalb, weil diese Einwohnerschaft außerdem ihre
Hanser selber in Flammen setzen würde zu Freudenfeuern.


Hast, in langgenährtem entfesselten Grimme, mit Blei und Eisen dreingeschlagen,
schnell verflogen war der aufgedrungene Rausch. War vielleicht bei wenig
Einzelnen das <1«-Iiri»in ti-eme»« zurückgeblieben, so ging doch die alte Praga
ihren alten unerquicklich langweiligen Gang, plauderte Deutsch, plauderte Czechisch,
war wieder gemüthlich spießbürgerlich bornirt wie ehedem, legte das Gesammt-
gemand vom 4. März zwar ungern, doch gehorsam an, obwohl ihr das alte weißrothe
Gewand mit blos schwarzgelber Einfassung lieber gewesen wäre. Trotz alledem
aber ist die alte Praga dennoch seit beinahe sechs Monaten in die Eisenbande
des Mars geschlagen und in der That belagert, vor aller Welt in üblen Ruf ge¬
bracht, jeder Gamin, der etwa albern gewesen, bekömmt die Eisenruthe zu kosten,
dies alles geschieht und darf geschehen zur Bequemlichkeit der Herren Regierer,
obwohl der 4. März verhieß, nnr im Falle innerer UnrNhen, oder im Falle
des Krieges sei die Suspension der politischen Rechte gestattet, und es werde
diese dnrch ein besonderes Gesetz geregelt! Dieses Gesetz jedoch vermeidet man
zu geben, und suspendirt inzwischen nach Belieben , also gesetzlos.

Vor diesem leidigen Ansnahmsznstande war Prag ganz ruhig im Innern,
seit demselben hat es allerdings sehr viele innere Unruhe darüber, wie man ihm
den Affront des Belagerungszustandes hat anthun können, nachdem doch der Krieg
nicht wohl zur Begründung oder zum Vorwande zu dienen vermag, denn
Schlesien und Mähren, dem Kriegstheater zunächst gelegen, sind unbelagert
geblieben.

Das Ministerium hat uus das enge Flügelklcid der Freiheit vom 4. März
von weitem gezeigt, statt desselben aber das Eisensand des Martialgesetzes um
unsere Glieder geschlagen.

Wahrscheinlich soll uns die Theatersvnne der Freiheit des 4. März ans diesem
Wege noch als das Höchste irdischer Herrlichkeit erscheinen, falls die Herren Thea-
termeistcr sie einst dennoch sollten in Scene gehen lassen.

Doch eines gedeihet dennoch in der alten Praga — die unverwüstliche An¬
hänglichkeit an die Dynastie, sie gedeihet trotz Eisenhemd und Bajonetten.

Kaiser Franz Joseph wird in Prag erwartet, in dem ungerecht und nugesetz-
Uch vom Ministerium belagerten Prag schlagen Oel und Kerzen im Preise auf,
die Stadt wird in Freudcnflammen stehen zum Empfange ihres Kaisers.

Man spart den gerechten Groll und Grimm, echt constitutionell für die
verantwortlichen Minister aus, und läßt das den constitutionellen Kaiser nicht
entgelten.

Die ganze Einwohnerschaft ist zu einem Collectio-Lampion geworden und
lodert in loyalen Flammen auf.

Und eine solche Stadt, eine Einwohnerschaft von solcher Fähigkeit hält man
dennoch belagert! Vielleicht nnr deshalb, weil diese Einwohnerschaft außerdem ihre
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[0233] Hast, in langgenährtem entfesselten Grimme, mit Blei und Eisen dreingeschlagen, schnell verflogen war der aufgedrungene Rausch. War vielleicht bei wenig Einzelnen das <1«-Iiri»in ti-eme»« zurückgeblieben, so ging doch die alte Praga ihren alten unerquicklich langweiligen Gang, plauderte Deutsch, plauderte Czechisch, war wieder gemüthlich spießbürgerlich bornirt wie ehedem, legte das Gesammt- gemand vom 4. März zwar ungern, doch gehorsam an, obwohl ihr das alte weißrothe Gewand mit blos schwarzgelber Einfassung lieber gewesen wäre. Trotz alledem aber ist die alte Praga dennoch seit beinahe sechs Monaten in die Eisenbande des Mars geschlagen und in der That belagert, vor aller Welt in üblen Ruf ge¬ bracht, jeder Gamin, der etwa albern gewesen, bekömmt die Eisenruthe zu kosten, dies alles geschieht und darf geschehen zur Bequemlichkeit der Herren Regierer, obwohl der 4. März verhieß, nnr im Falle innerer UnrNhen, oder im Falle des Krieges sei die Suspension der politischen Rechte gestattet, und es werde diese dnrch ein besonderes Gesetz geregelt! Dieses Gesetz jedoch vermeidet man zu geben, und suspendirt inzwischen nach Belieben , also gesetzlos. Vor diesem leidigen Ansnahmsznstande war Prag ganz ruhig im Innern, seit demselben hat es allerdings sehr viele innere Unruhe darüber, wie man ihm den Affront des Belagerungszustandes hat anthun können, nachdem doch der Krieg nicht wohl zur Begründung oder zum Vorwande zu dienen vermag, denn Schlesien und Mähren, dem Kriegstheater zunächst gelegen, sind unbelagert geblieben. Das Ministerium hat uus das enge Flügelklcid der Freiheit vom 4. März von weitem gezeigt, statt desselben aber das Eisensand des Martialgesetzes um unsere Glieder geschlagen. Wahrscheinlich soll uns die Theatersvnne der Freiheit des 4. März ans diesem Wege noch als das Höchste irdischer Herrlichkeit erscheinen, falls die Herren Thea- termeistcr sie einst dennoch sollten in Scene gehen lassen. Doch eines gedeihet dennoch in der alten Praga — die unverwüstliche An¬ hänglichkeit an die Dynastie, sie gedeihet trotz Eisenhemd und Bajonetten. Kaiser Franz Joseph wird in Prag erwartet, in dem ungerecht und nugesetz- Uch vom Ministerium belagerten Prag schlagen Oel und Kerzen im Preise auf, die Stadt wird in Freudcnflammen stehen zum Empfange ihres Kaisers. Man spart den gerechten Groll und Grimm, echt constitutionell für die verantwortlichen Minister aus, und läßt das den constitutionellen Kaiser nicht entgelten. Die ganze Einwohnerschaft ist zu einem Collectio-Lampion geworden und lodert in loyalen Flammen auf. Und eine solche Stadt, eine Einwohnerschaft von solcher Fähigkeit hält man dennoch belagert! Vielleicht nnr deshalb, weil diese Einwohnerschaft außerdem ihre Hanser selber in Flammen setzen würde zu Freudenfeuern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/233>, abgerufen am 15.01.2025.