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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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warm ein's Herz, die alte Fahne der Nemanice so lange im Versteck zu bewahren,
bis einer seiner Nachkommen wiederkehre und Serbien wieder eigene Fürsten
haben werde. Peter Jolle trennte das Fahnentuch vom Schafte, den Schaft ver¬
steckte er unter dem Dach des Kirchthurms zu Zabare, das Fahnentuch aber barg
er in seidener Hülle am bloßen Leibe. So floh er auf östreichisches Gebiet, erst
in's Banat, dann nach Slavonien. Fürst Milos Obrcnovic bot Alles auf, diese
Fahne in seine Hände zu bekommen, weil das Volk an derselben hing und deren
Verlust als ein böses Vorzeichen beklagte. Jolle gab sie nicht her, er hatte sie
wie einen Schatz in metallner Kapsel an einem sichern Orte in Slavonien ver¬
graben. Fast siebenundzwanzig Jahre blieb die Fahne in der Erde. Erst als
Obreuovic gestürzt und Alexander, der zweitgeborne Sohn des Kara Georgje am
2. September 1842 vom versammelten Volk auf dem Wracar zu Belgrad zum
Fürsten vou Serbien erwählt worden war, kehrte der treue Peter Jolle wieder
heim, trat vor den neuen Fürsten und entdeckte sein Geheimniß. Am 26. Octo-
ber 1842, nachdem der Berat, kraft welchem Alexander KaraGeorgjevic als Fürst
von Serbien bestätigt wurde, öffentlich Verlautbart war, brachte ein Kourier die
Fahnenstange von Zabare nach Belgrad, Herr Jolle befestigte das Tuch mit eige¬
ner Hand und seine Schwiegertochter Emma schmückte das Banner mit schön ge-
sellten Bändern. Ein Bataillon serbischen Militärs holte die Fahne feierlich mit
klingendem Spiel aus dem Jolle'schen Hause zum Fürsten.

Noch lebte Peter Jolle in hohem aber rüstigem Greisenalter in seinem Ge¬
burtsort Tvpola. Als der beste Freund und Waffenbruder des schwarzen Georg
und einer der besten Parteigänger in dem serbischen Befreiungskriege ist er im
Besitz sehr wichtiger Daten und Papiere aus jener Zeit, ja er ist selbst die ge--
rauchte Chronik derselben. Möchte doch er, oder einer seiner Söhne seine inter¬
essanten Erlebnisse aufzeichnen, damit sie der geschichtlichen Forschung, welche in
Serbien noch so viel zu thun hat, nicht verloren gehen!

In der Stadtbibliothek zu Semlin bewahrt man die Fahne des bekannten
serbischen Helden Maden, dessen Fahnenträger auf östreichischen Boden auswan¬
dernd, sie in Belgrad's treuer Schwesterstadt niedergelegt hat. Diese Fahne ist
von der Größe einer gewöhnlichen Reiterstandarte, von weißem Seidenzeug, mit
einer rothen, gezackten Kante versehen, drauf ein Doppelwappen, mit Trophäen
dekorirt, unter einer blan ausgeschlagenen Herzogskrone rechts das serbische Wap-
Penkrenz im rothen Felde mit den vier Feuerstählen, links das Wappen von Tri-
ballia, ein Eberkopf, in dessen einem Auge ein Bolzen steckt, im blauen Felde.
Darüber die Devise: boZom ?a vim-u i vtvovlZtvo" (mit Gott für Glauben
und Vaterland).




warm ein's Herz, die alte Fahne der Nemanice so lange im Versteck zu bewahren,
bis einer seiner Nachkommen wiederkehre und Serbien wieder eigene Fürsten
haben werde. Peter Jolle trennte das Fahnentuch vom Schafte, den Schaft ver¬
steckte er unter dem Dach des Kirchthurms zu Zabare, das Fahnentuch aber barg
er in seidener Hülle am bloßen Leibe. So floh er auf östreichisches Gebiet, erst
in's Banat, dann nach Slavonien. Fürst Milos Obrcnovic bot Alles auf, diese
Fahne in seine Hände zu bekommen, weil das Volk an derselben hing und deren
Verlust als ein böses Vorzeichen beklagte. Jolle gab sie nicht her, er hatte sie
wie einen Schatz in metallner Kapsel an einem sichern Orte in Slavonien ver¬
graben. Fast siebenundzwanzig Jahre blieb die Fahne in der Erde. Erst als
Obreuovic gestürzt und Alexander, der zweitgeborne Sohn des Kara Georgje am
2. September 1842 vom versammelten Volk auf dem Wracar zu Belgrad zum
Fürsten vou Serbien erwählt worden war, kehrte der treue Peter Jolle wieder
heim, trat vor den neuen Fürsten und entdeckte sein Geheimniß. Am 26. Octo-
ber 1842, nachdem der Berat, kraft welchem Alexander KaraGeorgjevic als Fürst
von Serbien bestätigt wurde, öffentlich Verlautbart war, brachte ein Kourier die
Fahnenstange von Zabare nach Belgrad, Herr Jolle befestigte das Tuch mit eige¬
ner Hand und seine Schwiegertochter Emma schmückte das Banner mit schön ge-
sellten Bändern. Ein Bataillon serbischen Militärs holte die Fahne feierlich mit
klingendem Spiel aus dem Jolle'schen Hause zum Fürsten.

Noch lebte Peter Jolle in hohem aber rüstigem Greisenalter in seinem Ge¬
burtsort Tvpola. Als der beste Freund und Waffenbruder des schwarzen Georg
und einer der besten Parteigänger in dem serbischen Befreiungskriege ist er im
Besitz sehr wichtiger Daten und Papiere aus jener Zeit, ja er ist selbst die ge--
rauchte Chronik derselben. Möchte doch er, oder einer seiner Söhne seine inter¬
essanten Erlebnisse aufzeichnen, damit sie der geschichtlichen Forschung, welche in
Serbien noch so viel zu thun hat, nicht verloren gehen!

In der Stadtbibliothek zu Semlin bewahrt man die Fahne des bekannten
serbischen Helden Maden, dessen Fahnenträger auf östreichischen Boden auswan¬
dernd, sie in Belgrad's treuer Schwesterstadt niedergelegt hat. Diese Fahne ist
von der Größe einer gewöhnlichen Reiterstandarte, von weißem Seidenzeug, mit
einer rothen, gezackten Kante versehen, drauf ein Doppelwappen, mit Trophäen
dekorirt, unter einer blan ausgeschlagenen Herzogskrone rechts das serbische Wap-
Penkrenz im rothen Felde mit den vier Feuerstählen, links das Wappen von Tri-
ballia, ein Eberkopf, in dessen einem Auge ein Bolzen steckt, im blauen Felde.
Darüber die Devise: boZom ?a vim-u i vtvovlZtvo" (mit Gott für Glauben
und Vaterland).




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/23>, abgerufen am 15.01.2025.