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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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die Kaiserkrone zurückzuschicken, sie hat weder das Dreikönigsbündniß geschlossen,
noch über das neue Wahlgesetz gejubelt. Wo war sie doch damals, als das Mi¬
nisterium seine rettenden Thaten übte? Möglich, daß sie zum Theil in Frankfurt
war und für das Prinzipat Preußens gearbeitet hat, möglich auch, daß sie in
Berlin zu laut und patriotisch sprach und deshalb nach Haus geschickt wurde; es
gilt jetzt sür "demokratisch," ein Gedächtniß für die Vergangenheit zu haben, und
Mros und ich wollen uicht an das erinnern, was sie damals that. Eins aber
wollen wir sagen, daß es wenige Patrioten von ehrlichem Gemüth und gradem
deutschem Sinn gab, die es nicht einen Kampf und eine schmerzhafte Ueberwin¬
dung gekostet hat, damals dem Ministerium nicht zu widerstehen, als es gegen
königliche Versprechungen und die leidenschaftlichen Wünsche der deutschen Nation,
mit mehr Gehorsam als Weisheit und Schonung das Gespinnst vom Webstuhl der
Nation zerriß, um ein neues durchlöchertes ministerielles Gewebe über das Vaterland zu
breiten. Wer die traurigen Thaten, zu welchen eine finstere Nothwendigkeit zwingt,
als glänzendes Heidenthum preist, verräth eine Sclavennatur, und mein Freund
Mros läßt allen solchen Gesellen sagen, sie wären wie die Spitze des Gemeinde-
Hirten, die zwischen seinen Beinen stehn und bellen. Man kann sie durchaus uicht
bewundern.

Und so lebt wohl, mein ehrenwerther Freund Michael Mros: Und hört,
wenn Ihr nach Breslau kommt und bei Korns Haus vorbeigeht, so geht doch
zur schlesischen Zeitung hinauf und sagt Ihr einiges Zweckmäßige: So geht es
mit ihr nicht weiter, sie sei ein gutes Blatt gewesen, damals, als es galt den
Breslauer Demokraten entgegen zu trete"; jetzt aber sei sie traurig heruntergekom-
men. Wenn ein Breslauer Blatt vom nltracvnscrvativen Standpunkt aus auf die
krakelige "Bourgeoisie" eines Beckerath und unserer Partei, ihrer eigenen Par¬
tei Schimpfe, so sei das zum mindesten unverschämt.

Es gibt viele Hasen und auch viele Aristokraten in Schlesien, und beide
Branchen von Staatsbürgern gehörten zu ihren Abonnenten; aber eine Zeitung
habe die Aufgabe: eine hochgeachtete Freundin ihrer Leser zu werden, nicht eine
Dienstmagd für alle ihre unklaren Stimmungen und Capricen. -- Geht Mros,
sagt das der Schlesischen, es ist schade um sie.

Und Ihr selbst, Michael Mros, lebt wohl, an mich denken könnt Ihr nicht,
um so besser; ich bin überzeugt, unser Verhältniß wird um so zarter und idealer
bleiben. Lebt wohl, ich liebe Euch.




die Kaiserkrone zurückzuschicken, sie hat weder das Dreikönigsbündniß geschlossen,
noch über das neue Wahlgesetz gejubelt. Wo war sie doch damals, als das Mi¬
nisterium seine rettenden Thaten übte? Möglich, daß sie zum Theil in Frankfurt
war und für das Prinzipat Preußens gearbeitet hat, möglich auch, daß sie in
Berlin zu laut und patriotisch sprach und deshalb nach Haus geschickt wurde; es
gilt jetzt sür „demokratisch," ein Gedächtniß für die Vergangenheit zu haben, und
Mros und ich wollen uicht an das erinnern, was sie damals that. Eins aber
wollen wir sagen, daß es wenige Patrioten von ehrlichem Gemüth und gradem
deutschem Sinn gab, die es nicht einen Kampf und eine schmerzhafte Ueberwin¬
dung gekostet hat, damals dem Ministerium nicht zu widerstehen, als es gegen
königliche Versprechungen und die leidenschaftlichen Wünsche der deutschen Nation,
mit mehr Gehorsam als Weisheit und Schonung das Gespinnst vom Webstuhl der
Nation zerriß, um ein neues durchlöchertes ministerielles Gewebe über das Vaterland zu
breiten. Wer die traurigen Thaten, zu welchen eine finstere Nothwendigkeit zwingt,
als glänzendes Heidenthum preist, verräth eine Sclavennatur, und mein Freund
Mros läßt allen solchen Gesellen sagen, sie wären wie die Spitze des Gemeinde-
Hirten, die zwischen seinen Beinen stehn und bellen. Man kann sie durchaus uicht
bewundern.

Und so lebt wohl, mein ehrenwerther Freund Michael Mros: Und hört,
wenn Ihr nach Breslau kommt und bei Korns Haus vorbeigeht, so geht doch
zur schlesischen Zeitung hinauf und sagt Ihr einiges Zweckmäßige: So geht es
mit ihr nicht weiter, sie sei ein gutes Blatt gewesen, damals, als es galt den
Breslauer Demokraten entgegen zu trete»; jetzt aber sei sie traurig heruntergekom-
men. Wenn ein Breslauer Blatt vom nltracvnscrvativen Standpunkt aus auf die
krakelige „Bourgeoisie" eines Beckerath und unserer Partei, ihrer eigenen Par¬
tei Schimpfe, so sei das zum mindesten unverschämt.

Es gibt viele Hasen und auch viele Aristokraten in Schlesien, und beide
Branchen von Staatsbürgern gehörten zu ihren Abonnenten; aber eine Zeitung
habe die Aufgabe: eine hochgeachtete Freundin ihrer Leser zu werden, nicht eine
Dienstmagd für alle ihre unklaren Stimmungen und Capricen. — Geht Mros,
sagt das der Schlesischen, es ist schade um sie.

Und Ihr selbst, Michael Mros, lebt wohl, an mich denken könnt Ihr nicht,
um so besser; ich bin überzeugt, unser Verhältniß wird um so zarter und idealer
bleiben. Lebt wohl, ich liebe Euch.




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[0216] die Kaiserkrone zurückzuschicken, sie hat weder das Dreikönigsbündniß geschlossen, noch über das neue Wahlgesetz gejubelt. Wo war sie doch damals, als das Mi¬ nisterium seine rettenden Thaten übte? Möglich, daß sie zum Theil in Frankfurt war und für das Prinzipat Preußens gearbeitet hat, möglich auch, daß sie in Berlin zu laut und patriotisch sprach und deshalb nach Haus geschickt wurde; es gilt jetzt sür „demokratisch," ein Gedächtniß für die Vergangenheit zu haben, und Mros und ich wollen uicht an das erinnern, was sie damals that. Eins aber wollen wir sagen, daß es wenige Patrioten von ehrlichem Gemüth und gradem deutschem Sinn gab, die es nicht einen Kampf und eine schmerzhafte Ueberwin¬ dung gekostet hat, damals dem Ministerium nicht zu widerstehen, als es gegen königliche Versprechungen und die leidenschaftlichen Wünsche der deutschen Nation, mit mehr Gehorsam als Weisheit und Schonung das Gespinnst vom Webstuhl der Nation zerriß, um ein neues durchlöchertes ministerielles Gewebe über das Vaterland zu breiten. Wer die traurigen Thaten, zu welchen eine finstere Nothwendigkeit zwingt, als glänzendes Heidenthum preist, verräth eine Sclavennatur, und mein Freund Mros läßt allen solchen Gesellen sagen, sie wären wie die Spitze des Gemeinde- Hirten, die zwischen seinen Beinen stehn und bellen. Man kann sie durchaus uicht bewundern. Und so lebt wohl, mein ehrenwerther Freund Michael Mros: Und hört, wenn Ihr nach Breslau kommt und bei Korns Haus vorbeigeht, so geht doch zur schlesischen Zeitung hinauf und sagt Ihr einiges Zweckmäßige: So geht es mit ihr nicht weiter, sie sei ein gutes Blatt gewesen, damals, als es galt den Breslauer Demokraten entgegen zu trete»; jetzt aber sei sie traurig heruntergekom- men. Wenn ein Breslauer Blatt vom nltracvnscrvativen Standpunkt aus auf die krakelige „Bourgeoisie" eines Beckerath und unserer Partei, ihrer eigenen Par¬ tei Schimpfe, so sei das zum mindesten unverschämt. Es gibt viele Hasen und auch viele Aristokraten in Schlesien, und beide Branchen von Staatsbürgern gehörten zu ihren Abonnenten; aber eine Zeitung habe die Aufgabe: eine hochgeachtete Freundin ihrer Leser zu werden, nicht eine Dienstmagd für alle ihre unklaren Stimmungen und Capricen. — Geht Mros, sagt das der Schlesischen, es ist schade um sie. Und Ihr selbst, Michael Mros, lebt wohl, an mich denken könnt Ihr nicht, um so besser; ich bin überzeugt, unser Verhältniß wird um so zarter und idealer bleiben. Lebt wohl, ich liebe Euch.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/216>, abgerufen am 15.01.2025.