Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

pflichtungen oder gesetzlicher Erlasse. Aber das Alles war nothwendig, Mros!
wir wollen auch das zugeben, obgleich wir anderer Meinung sind. Jetzt aber merkt
auf: ein braves Volk von Männern liebt es unter keinen Umständen, solche Her¬
renwillkür an sich geübt zu sehn; auch nicht, wenn sie ihm nützlich und vortheil--
hast ist. Es wird den Mann, welcher sie üben muß, vielleicht achten, aber es
wird ihn nicht lieben und weder seine Phantasie noch seine Wünsche an ihn hän¬
gen. Populär darf ein solcher Held, er heiße Brandenburg oder Melden, nicht
werden, ihm setzt die Nachwelt keine Bildsäulen. Das Ministerium handelte viel¬
leicht hochherzig, als es seinen Kopf und sein Gewissen dem königlichen Willen
überlieferte, wir sind ihm dankbar für das Nützliche, das es uns gethan, aber wir,
Mros und ich, habe" zu viel Stolz, um vor Männern zu kriechen, die unser Va¬
terland nur dadurch retten konnten, daß sie das Volk demüthigem.

Aber nicht mit dem Ministerium wolle" wir zanken, mein Bruder Mros, es ist
zu groß für uns, und sein Fatum schwebt bereits über ihm. So lange die Furcht
vor Auflösung des Staates, Unsicherheit des Eigenthums und euren demagogischen
Hengablen in den Seelen der Besitzenden nachziltert, ist die Fluth des öffentli¬
chen Vertrauens nach dem Soldatenministerium hiu; wie die Austern im Sturm,
so habe" die friedlichen Arbeitsmenschen sich in ihr Haus, ihr Geschäft zurückge¬
zogen und überlassen dem Ministerium sie vor dem Unwetter, so gut es gehen
will, zu schützen; ist jene Furcht aber ganz verschwunden, so wird das Nachdenken
kommen, eine verständige Kritik der ministeriellen Maßregeln, und dann mögen
die Herren zusehe", wie sie bestehe".

Aber ein freundliches Wort wollen wir noch plaudern mit den aktiven Freun¬
den des Ministeriums. Es gibt in Preußen Zeitungsschreiber, welche so viel
Bürgertugend besitzen, daß sie die parlamentarischen Gegner des Ministeriums mit
einem gewissen vornehmen Achselzucken abfertigen, als etwas Veraltetes, Verkom¬
menes, ungefähr so, wie Ihr im vorigen Jahr Euren Pfarrer, als er euch rieth,
weniger Brauntwein in euch aufzunehmen. Ihr fandet den Nath damals recht un¬
geschickt und erklärtet Euren Pfarrer für einen veralteten Mann mit oppositio¬
nellen schrillten. Grade so machen es diese unartigen Nestlinge mit der Mino¬
rität der Kammern, welche mit vielem Patriotismus und wahrhaftig mit nicht
geringer Mäßigung das liberale Element der Nation repräsentirt. Sie schlagen
auf die neuen Lederhosen, welche ihnen das Ministerium geschenkt hat, damit sie
für dasselbe Courier reiten, rühmen die hochherzige patriotische Tapferkeit ihrer
Herren und frage" höhnend, wo war die sogenannte liberale Partei, als es galt
das Vaterland zu retten, diese Gothaer, die widerwillig auf die Entschlossenheit
anderer Leute sehen und selbst ihr Haupt verhüllten, als der Sturm losbrach?
Mros, wo war damals wohl die Opposition? sie ist nicht mit Wrangel i" Berlin
eimnarschirt, sie hat auch nicht geholfen, der Nationalversammlung zu Frankfurt


27"

pflichtungen oder gesetzlicher Erlasse. Aber das Alles war nothwendig, Mros!
wir wollen auch das zugeben, obgleich wir anderer Meinung sind. Jetzt aber merkt
auf: ein braves Volk von Männern liebt es unter keinen Umständen, solche Her¬
renwillkür an sich geübt zu sehn; auch nicht, wenn sie ihm nützlich und vortheil--
hast ist. Es wird den Mann, welcher sie üben muß, vielleicht achten, aber es
wird ihn nicht lieben und weder seine Phantasie noch seine Wünsche an ihn hän¬
gen. Populär darf ein solcher Held, er heiße Brandenburg oder Melden, nicht
werden, ihm setzt die Nachwelt keine Bildsäulen. Das Ministerium handelte viel¬
leicht hochherzig, als es seinen Kopf und sein Gewissen dem königlichen Willen
überlieferte, wir sind ihm dankbar für das Nützliche, das es uns gethan, aber wir,
Mros und ich, habe» zu viel Stolz, um vor Männern zu kriechen, die unser Va¬
terland nur dadurch retten konnten, daß sie das Volk demüthigem.

Aber nicht mit dem Ministerium wolle» wir zanken, mein Bruder Mros, es ist
zu groß für uns, und sein Fatum schwebt bereits über ihm. So lange die Furcht
vor Auflösung des Staates, Unsicherheit des Eigenthums und euren demagogischen
Hengablen in den Seelen der Besitzenden nachziltert, ist die Fluth des öffentli¬
chen Vertrauens nach dem Soldatenministerium hiu; wie die Austern im Sturm,
so habe» die friedlichen Arbeitsmenschen sich in ihr Haus, ihr Geschäft zurückge¬
zogen und überlassen dem Ministerium sie vor dem Unwetter, so gut es gehen
will, zu schützen; ist jene Furcht aber ganz verschwunden, so wird das Nachdenken
kommen, eine verständige Kritik der ministeriellen Maßregeln, und dann mögen
die Herren zusehe», wie sie bestehe».

Aber ein freundliches Wort wollen wir noch plaudern mit den aktiven Freun¬
den des Ministeriums. Es gibt in Preußen Zeitungsschreiber, welche so viel
Bürgertugend besitzen, daß sie die parlamentarischen Gegner des Ministeriums mit
einem gewissen vornehmen Achselzucken abfertigen, als etwas Veraltetes, Verkom¬
menes, ungefähr so, wie Ihr im vorigen Jahr Euren Pfarrer, als er euch rieth,
weniger Brauntwein in euch aufzunehmen. Ihr fandet den Nath damals recht un¬
geschickt und erklärtet Euren Pfarrer für einen veralteten Mann mit oppositio¬
nellen schrillten. Grade so machen es diese unartigen Nestlinge mit der Mino¬
rität der Kammern, welche mit vielem Patriotismus und wahrhaftig mit nicht
geringer Mäßigung das liberale Element der Nation repräsentirt. Sie schlagen
auf die neuen Lederhosen, welche ihnen das Ministerium geschenkt hat, damit sie
für dasselbe Courier reiten, rühmen die hochherzige patriotische Tapferkeit ihrer
Herren und frage» höhnend, wo war die sogenannte liberale Partei, als es galt
das Vaterland zu retten, diese Gothaer, die widerwillig auf die Entschlossenheit
anderer Leute sehen und selbst ihr Haupt verhüllten, als der Sturm losbrach?
Mros, wo war damals wohl die Opposition? sie ist nicht mit Wrangel i» Berlin
eimnarschirt, sie hat auch nicht geholfen, der Nationalversammlung zu Frankfurt


27"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279763"/>
            <p xml:id="ID_727" prev="#ID_726"> pflichtungen oder gesetzlicher Erlasse. Aber das Alles war nothwendig, Mros!<lb/>
wir wollen auch das zugeben, obgleich wir anderer Meinung sind. Jetzt aber merkt<lb/>
auf: ein braves Volk von Männern liebt es unter keinen Umständen, solche Her¬<lb/>
renwillkür an sich geübt zu sehn; auch nicht, wenn sie ihm nützlich und vortheil--<lb/>
hast ist. Es wird den Mann, welcher sie üben muß, vielleicht achten, aber es<lb/>
wird ihn nicht lieben und weder seine Phantasie noch seine Wünsche an ihn hän¬<lb/>
gen. Populär darf ein solcher Held, er heiße Brandenburg oder Melden, nicht<lb/>
werden, ihm setzt die Nachwelt keine Bildsäulen. Das Ministerium handelte viel¬<lb/>
leicht hochherzig, als es seinen Kopf und sein Gewissen dem königlichen Willen<lb/>
überlieferte, wir sind ihm dankbar für das Nützliche, das es uns gethan, aber wir,<lb/>
Mros und ich, habe» zu viel Stolz, um vor Männern zu kriechen, die unser Va¬<lb/>
terland nur dadurch retten konnten, daß sie das Volk demüthigem.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_728"> Aber nicht mit dem Ministerium wolle» wir zanken, mein Bruder Mros, es ist<lb/>
zu groß für uns, und sein Fatum schwebt bereits über ihm. So lange die Furcht<lb/>
vor Auflösung des Staates, Unsicherheit des Eigenthums und euren demagogischen<lb/>
Hengablen in den Seelen der Besitzenden nachziltert, ist die Fluth des öffentli¬<lb/>
chen Vertrauens nach dem Soldatenministerium hiu; wie die Austern im Sturm,<lb/>
so habe» die friedlichen Arbeitsmenschen sich in ihr Haus, ihr Geschäft zurückge¬<lb/>
zogen und überlassen dem Ministerium sie vor dem Unwetter, so gut es gehen<lb/>
will, zu schützen; ist jene Furcht aber ganz verschwunden, so wird das Nachdenken<lb/>
kommen, eine verständige Kritik der ministeriellen Maßregeln, und dann mögen<lb/>
die Herren zusehe», wie sie bestehe».</p><lb/>
            <p xml:id="ID_729" next="#ID_730"> Aber ein freundliches Wort wollen wir noch plaudern mit den aktiven Freun¬<lb/>
den des Ministeriums. Es gibt in Preußen Zeitungsschreiber, welche so viel<lb/>
Bürgertugend besitzen, daß sie die parlamentarischen Gegner des Ministeriums mit<lb/>
einem gewissen vornehmen Achselzucken abfertigen, als etwas Veraltetes, Verkom¬<lb/>
menes, ungefähr so, wie Ihr im vorigen Jahr Euren Pfarrer, als er euch rieth,<lb/>
weniger Brauntwein in euch aufzunehmen. Ihr fandet den Nath damals recht un¬<lb/>
geschickt und erklärtet Euren Pfarrer für einen veralteten Mann mit oppositio¬<lb/>
nellen schrillten. Grade so machen es diese unartigen Nestlinge mit der Mino¬<lb/>
rität der Kammern, welche mit vielem Patriotismus und wahrhaftig mit nicht<lb/>
geringer Mäßigung das liberale Element der Nation repräsentirt. Sie schlagen<lb/>
auf die neuen Lederhosen, welche ihnen das Ministerium geschenkt hat, damit sie<lb/>
für dasselbe Courier reiten, rühmen die hochherzige patriotische Tapferkeit ihrer<lb/>
Herren und frage» höhnend, wo war die sogenannte liberale Partei, als es galt<lb/>
das Vaterland zu retten, diese Gothaer, die widerwillig auf die Entschlossenheit<lb/>
anderer Leute sehen und selbst ihr Haupt verhüllten, als der Sturm losbrach?<lb/>
Mros, wo war damals wohl die Opposition? sie ist nicht mit Wrangel i» Berlin<lb/>
eimnarschirt, sie hat auch nicht geholfen, der Nationalversammlung zu Frankfurt</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 27"</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0215] pflichtungen oder gesetzlicher Erlasse. Aber das Alles war nothwendig, Mros! wir wollen auch das zugeben, obgleich wir anderer Meinung sind. Jetzt aber merkt auf: ein braves Volk von Männern liebt es unter keinen Umständen, solche Her¬ renwillkür an sich geübt zu sehn; auch nicht, wenn sie ihm nützlich und vortheil-- hast ist. Es wird den Mann, welcher sie üben muß, vielleicht achten, aber es wird ihn nicht lieben und weder seine Phantasie noch seine Wünsche an ihn hän¬ gen. Populär darf ein solcher Held, er heiße Brandenburg oder Melden, nicht werden, ihm setzt die Nachwelt keine Bildsäulen. Das Ministerium handelte viel¬ leicht hochherzig, als es seinen Kopf und sein Gewissen dem königlichen Willen überlieferte, wir sind ihm dankbar für das Nützliche, das es uns gethan, aber wir, Mros und ich, habe» zu viel Stolz, um vor Männern zu kriechen, die unser Va¬ terland nur dadurch retten konnten, daß sie das Volk demüthigem. Aber nicht mit dem Ministerium wolle» wir zanken, mein Bruder Mros, es ist zu groß für uns, und sein Fatum schwebt bereits über ihm. So lange die Furcht vor Auflösung des Staates, Unsicherheit des Eigenthums und euren demagogischen Hengablen in den Seelen der Besitzenden nachziltert, ist die Fluth des öffentli¬ chen Vertrauens nach dem Soldatenministerium hiu; wie die Austern im Sturm, so habe» die friedlichen Arbeitsmenschen sich in ihr Haus, ihr Geschäft zurückge¬ zogen und überlassen dem Ministerium sie vor dem Unwetter, so gut es gehen will, zu schützen; ist jene Furcht aber ganz verschwunden, so wird das Nachdenken kommen, eine verständige Kritik der ministeriellen Maßregeln, und dann mögen die Herren zusehe», wie sie bestehe». Aber ein freundliches Wort wollen wir noch plaudern mit den aktiven Freun¬ den des Ministeriums. Es gibt in Preußen Zeitungsschreiber, welche so viel Bürgertugend besitzen, daß sie die parlamentarischen Gegner des Ministeriums mit einem gewissen vornehmen Achselzucken abfertigen, als etwas Veraltetes, Verkom¬ menes, ungefähr so, wie Ihr im vorigen Jahr Euren Pfarrer, als er euch rieth, weniger Brauntwein in euch aufzunehmen. Ihr fandet den Nath damals recht un¬ geschickt und erklärtet Euren Pfarrer für einen veralteten Mann mit oppositio¬ nellen schrillten. Grade so machen es diese unartigen Nestlinge mit der Mino¬ rität der Kammern, welche mit vielem Patriotismus und wahrhaftig mit nicht geringer Mäßigung das liberale Element der Nation repräsentirt. Sie schlagen auf die neuen Lederhosen, welche ihnen das Ministerium geschenkt hat, damit sie für dasselbe Courier reiten, rühmen die hochherzige patriotische Tapferkeit ihrer Herren und frage» höhnend, wo war die sogenannte liberale Partei, als es galt das Vaterland zu retten, diese Gothaer, die widerwillig auf die Entschlossenheit anderer Leute sehen und selbst ihr Haupt verhüllten, als der Sturm losbrach? Mros, wo war damals wohl die Opposition? sie ist nicht mit Wrangel i» Berlin eimnarschirt, sie hat auch nicht geholfen, der Nationalversammlung zu Frankfurt 27"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/215
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/215>, abgerufen am 15.01.2025.