Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Dauert diese ängstliche Sorge fort, so muß sie den Staat schwächen und nicht Die staatliche Union Preußens mit den kleinern protestantischen Staaten, von So läßt sich schon jetzt ein Unterschied in der politischen Bildung und den Vielleicht ist dies für einen preußischen Fürsten schwerer, als wir annehmen. Dauert diese ängstliche Sorge fort, so muß sie den Staat schwächen und nicht Die staatliche Union Preußens mit den kleinern protestantischen Staaten, von So läßt sich schon jetzt ein Unterschied in der politischen Bildung und den Vielleicht ist dies für einen preußischen Fürsten schwerer, als wir annehmen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279759"/> <p xml:id="ID_716" prev="#ID_715"> Dauert diese ängstliche Sorge fort, so muß sie den Staat schwächen und nicht<lb/> stärken. Grade weil der preußische Staat so gute Garantien für seine Dauerbar-<lb/> keit hat, hat de>' Bürger dieses Staates auch das Recht zu verlangen, daß ihm<lb/> voller Antheil werde an den constitutionellen Rechten, welche ein edles Volk der<lb/> Regierung gegenüber für sich fordern darf. Und in diesem Sinne gilt der Satz,<lb/> der Preuße wird um so loyaler sein, je freier seine Staatsverfassung ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_717"> Die staatliche Union Preußens mit den kleinern protestantischen Staaten, von<lb/> denen Sachsen, Hannover und Würtemberg vorläufig auszuscheiden sind, muß trotz<lb/> aller Aehnlichkeit der Bildung in all den einzelnen Staaten, doch für den neuen<lb/> Bundesstaat eine andere Richtung geben, als Preußen für sich allein hat. Der<lb/> Bundesstaat wird in seinen Kammern und seiner Gesetzgebung etwas liberaler sein<lb/> müssen als Preußen, der richtige Schwerpunkt unseres politischen Lebens wird<lb/> durch diese Verbindung etwas mehr nach links gelegt. Zwar bringen Mecklen¬<lb/> burg und Oldenburg zum neuen Staat noch sehr conservative Elemente, denu der<lb/> große Grundbesitz hat dort noch ein fast bedenkliches Uebergewicht, dagegen tritt<lb/> von Thüringen bis zu der Südspitze von Baden ein Terrain zum Bundesstaat, in<lb/> welchem eine fehlerhafte Hypvthekenordnung und eine schlechte agrarische Gesetz¬<lb/> gebung übergroße Parzellirung des Bodens, ein zahlreiches^ ländliches Proletariat<lb/> und daraus im Volk eine Neigung zu Neuerungen und schnellen Veränderungen<lb/> entwickelt haben. In den freien Handelsstädten aber andererseits eine Masse von<lb/> praktischer Intelligenz, welche im Bundesstaat das Verhältniß des Großhandels<lb/> zum Landbau zum Vortheil des erster» andern wird. Alle kleineren Staaten aber<lb/> haben die militärische Loyalität der Preußen gar nicht, die politische Intelligenz<lb/> des Volkes hat sich fast überall in dauernder, oft erbitterter Opposition gegen die<lb/> einheimische Regierung entwickelt, und die größte Anzahl der Männer, welche dort<lb/> die politische Bildung repräsentiren, sind nicht, wie dies in Preußen gewöhnlich<lb/> ist, durch militärische oder Beamtcnchargen mit der Negierung verdürbe», sondern<lb/> stehen frei in selbstgeschaffenen Kreise praktischer Thätigkeit unter ihren Mitbür¬<lb/> gern. Dazu rechne mau, daß in den südlicheren Staaten auch die Seele der<lb/> Völker beweglicher, reizbarer und sanguinischer wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_718"> So läßt sich schon jetzt ein Unterschied in der politischen Bildung und den<lb/> Interessen der verschiedenen Bundesstaaten trotz aller Aehnlichkeit nicht verkennen.<lb/> Beide Theile werden nachgeben müssen, auch Preußen, und die Aufgabe des Für¬<lb/> sten, welcher dem neuen Bund vorstehen soll, ist jetzt vorzugsweise die, genau<lb/> den Punkt zu erkennen, bis zu welchem er den Liberalismus der neuen Bundes¬<lb/> regierung gegenüber einem verständigen preußischen Regiment vorwärtsschieben muß,<lb/> um eine wirkliche Verbindung der gemüthlichen Neigungen und materielle» In¬<lb/> teressen zwischen den einzelnen Theilen des neuen Bundes hervorzubringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_719" next="#ID_720"> Vielleicht ist dies für einen preußischen Fürsten schwerer, als wir annehmen.<lb/> Nothwendig aber ist eine Nuancirung der preußischen Politik, wenn der neue</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
Dauert diese ängstliche Sorge fort, so muß sie den Staat schwächen und nicht
stärken. Grade weil der preußische Staat so gute Garantien für seine Dauerbar-
keit hat, hat de>' Bürger dieses Staates auch das Recht zu verlangen, daß ihm
voller Antheil werde an den constitutionellen Rechten, welche ein edles Volk der
Regierung gegenüber für sich fordern darf. Und in diesem Sinne gilt der Satz,
der Preuße wird um so loyaler sein, je freier seine Staatsverfassung ist.
Die staatliche Union Preußens mit den kleinern protestantischen Staaten, von
denen Sachsen, Hannover und Würtemberg vorläufig auszuscheiden sind, muß trotz
aller Aehnlichkeit der Bildung in all den einzelnen Staaten, doch für den neuen
Bundesstaat eine andere Richtung geben, als Preußen für sich allein hat. Der
Bundesstaat wird in seinen Kammern und seiner Gesetzgebung etwas liberaler sein
müssen als Preußen, der richtige Schwerpunkt unseres politischen Lebens wird
durch diese Verbindung etwas mehr nach links gelegt. Zwar bringen Mecklen¬
burg und Oldenburg zum neuen Staat noch sehr conservative Elemente, denu der
große Grundbesitz hat dort noch ein fast bedenkliches Uebergewicht, dagegen tritt
von Thüringen bis zu der Südspitze von Baden ein Terrain zum Bundesstaat, in
welchem eine fehlerhafte Hypvthekenordnung und eine schlechte agrarische Gesetz¬
gebung übergroße Parzellirung des Bodens, ein zahlreiches^ ländliches Proletariat
und daraus im Volk eine Neigung zu Neuerungen und schnellen Veränderungen
entwickelt haben. In den freien Handelsstädten aber andererseits eine Masse von
praktischer Intelligenz, welche im Bundesstaat das Verhältniß des Großhandels
zum Landbau zum Vortheil des erster» andern wird. Alle kleineren Staaten aber
haben die militärische Loyalität der Preußen gar nicht, die politische Intelligenz
des Volkes hat sich fast überall in dauernder, oft erbitterter Opposition gegen die
einheimische Regierung entwickelt, und die größte Anzahl der Männer, welche dort
die politische Bildung repräsentiren, sind nicht, wie dies in Preußen gewöhnlich
ist, durch militärische oder Beamtcnchargen mit der Negierung verdürbe», sondern
stehen frei in selbstgeschaffenen Kreise praktischer Thätigkeit unter ihren Mitbür¬
gern. Dazu rechne mau, daß in den südlicheren Staaten auch die Seele der
Völker beweglicher, reizbarer und sanguinischer wird.
So läßt sich schon jetzt ein Unterschied in der politischen Bildung und den
Interessen der verschiedenen Bundesstaaten trotz aller Aehnlichkeit nicht verkennen.
Beide Theile werden nachgeben müssen, auch Preußen, und die Aufgabe des Für¬
sten, welcher dem neuen Bund vorstehen soll, ist jetzt vorzugsweise die, genau
den Punkt zu erkennen, bis zu welchem er den Liberalismus der neuen Bundes¬
regierung gegenüber einem verständigen preußischen Regiment vorwärtsschieben muß,
um eine wirkliche Verbindung der gemüthlichen Neigungen und materielle» In¬
teressen zwischen den einzelnen Theilen des neuen Bundes hervorzubringen.
Vielleicht ist dies für einen preußischen Fürsten schwerer, als wir annehmen.
Nothwendig aber ist eine Nuancirung der preußischen Politik, wenn der neue
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