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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Das letztere Bild hier zu finden, befremdete mich, ich konnte eine Bemerkung
darüber nicht zurückhalten.

"Ja Herr Woiwode, warum soll der Milos hier nicht hängen" -- entgeg-
nete Wucic, "war er doch einst ein herrlicher Held und mächtiger Kämpfer für
die Freiheit unsers Landes, bis er sich verleiten und erkaufen ließ durch türkisches
Gold und eine Zeit der Noth und arger Bedrängniß über dies Land heraufbe¬
schwor. Milos drückte das Volk, ließ die Hauptleute und Kuchen, welche die
Unterwerfung unter die Türken nicht dulden wollten, gefangen nehmen und köpfen,
und schickte die blutigen Häupter nach Stambul zum Sultan, der sie ihm mit
Beuteln voll Piaster aufwog. Wenn Du zur Varos-Kapi hinaus nach der Festung
gehst, siehst Du Reste morscher Pallisaden, auf diesen sah ich vieler Edlen Köpfe
aufgesteckt. Damals war's, wo auch wir uneins wurden mit dem alten Milos,
weil er uns zumuthete, was sich kein Serbe zumuthen läßt."

Die Begebenheit, aus welche der Woiwode anspielte, kennt zu Belgrad jedes
Kind, sie legte den ersten Grund zu der großen Popularität Wncic's. Es war
in den Jahren, wo Fürst Milos Obrenovic am blutigsten hauste, Wucic war da¬
mals Kapitän und stand einst eben vor dem Hause des Fürsten, als mau blutige
Häupter von Volksmännern, neue Opfer der Tyrannei, in Säcken herbeitrug, um
sie nach Konstantinopel zu schaffen. Den Wucic übermannte gerechte Zorneswuth:
"Pfui schämt Euch!" rief er den Trägern entrüstet entgegen. "Schämt Euch,
Landsleute, daß Ihr Euch wegwerfe und brauchen laßt zu fluchwürdigen Henkers¬
dienst an den Besten Eures Volks. Wer ein echter Serbe ist und ein Herz im
Leibe hat, hält die Hand rein von Bruderblut." -- Betroffen stellten die
Männer die blutgetränkten Säcke hin und wollten sich davon schleichen, als Fürst
Milos, der den Vorgang vom Fenster aus mit angesehen hatte, roth vor Wuth
die Treppe herabgerannt kam und den Hauptmann grimmig anschnaubte: "Hörst
Du, Wucic! Du selbst wirst jetzt die Säcke nehmen und auf den Wagen schafft",
ich will es so." -- "Die rechte Hand soll mir abdorren, eh' ich das thue!" ent-
gegnete dieser ruhig. -- "Du thust was ich gebiete," zürnte Milos, "oder Dein
Haupt fällt zu jenen." Wucic antwortete ein entschiedenes "Nein!" -- "Wachen
herbei! greift den Rebellen" herrschte der Fürst außer sich vor Zorn. Die Sol¬
daten gingen aufWnciclos, doch dieser zog rasch mit der Linken ein Pistol aus dem
Gürtel und hielt es dem Fürsten vor die Brust, in der Rechten schwang er den
Handzar mit den Worten: "Wer mir naht ist des Todes, auch Du mein Fürst,
wenn Du mich nicht ziehen läßt." Die Wachen traten zurück und Milos ging
bleich und knirschend in sein Haus, Wucic aber verließ noch am selben Tage Bel¬
grad. Man fügt hinzu, daß Fürst Milos Obreuovic von jener Stunde an keine
Hinrichtung mehr vornehmen ließ. --

Ein Reitknecht trat ein, mit der Meldung, die Pferde seien gesattelt. Der


Grenzboten. IV. "849. Z

Das letztere Bild hier zu finden, befremdete mich, ich konnte eine Bemerkung
darüber nicht zurückhalten.

„Ja Herr Woiwode, warum soll der Milos hier nicht hängen" — entgeg-
nete Wucic, „war er doch einst ein herrlicher Held und mächtiger Kämpfer für
die Freiheit unsers Landes, bis er sich verleiten und erkaufen ließ durch türkisches
Gold und eine Zeit der Noth und arger Bedrängniß über dies Land heraufbe¬
schwor. Milos drückte das Volk, ließ die Hauptleute und Kuchen, welche die
Unterwerfung unter die Türken nicht dulden wollten, gefangen nehmen und köpfen,
und schickte die blutigen Häupter nach Stambul zum Sultan, der sie ihm mit
Beuteln voll Piaster aufwog. Wenn Du zur Varos-Kapi hinaus nach der Festung
gehst, siehst Du Reste morscher Pallisaden, auf diesen sah ich vieler Edlen Köpfe
aufgesteckt. Damals war's, wo auch wir uneins wurden mit dem alten Milos,
weil er uns zumuthete, was sich kein Serbe zumuthen läßt."

Die Begebenheit, aus welche der Woiwode anspielte, kennt zu Belgrad jedes
Kind, sie legte den ersten Grund zu der großen Popularität Wncic's. Es war
in den Jahren, wo Fürst Milos Obrenovic am blutigsten hauste, Wucic war da¬
mals Kapitän und stand einst eben vor dem Hause des Fürsten, als mau blutige
Häupter von Volksmännern, neue Opfer der Tyrannei, in Säcken herbeitrug, um
sie nach Konstantinopel zu schaffen. Den Wucic übermannte gerechte Zorneswuth:
„Pfui schämt Euch!" rief er den Trägern entrüstet entgegen. „Schämt Euch,
Landsleute, daß Ihr Euch wegwerfe und brauchen laßt zu fluchwürdigen Henkers¬
dienst an den Besten Eures Volks. Wer ein echter Serbe ist und ein Herz im
Leibe hat, hält die Hand rein von Bruderblut." — Betroffen stellten die
Männer die blutgetränkten Säcke hin und wollten sich davon schleichen, als Fürst
Milos, der den Vorgang vom Fenster aus mit angesehen hatte, roth vor Wuth
die Treppe herabgerannt kam und den Hauptmann grimmig anschnaubte: „Hörst
Du, Wucic! Du selbst wirst jetzt die Säcke nehmen und auf den Wagen schafft»,
ich will es so." — „Die rechte Hand soll mir abdorren, eh' ich das thue!" ent-
gegnete dieser ruhig. — „Du thust was ich gebiete," zürnte Milos, „oder Dein
Haupt fällt zu jenen." Wucic antwortete ein entschiedenes „Nein!" — „Wachen
herbei! greift den Rebellen" herrschte der Fürst außer sich vor Zorn. Die Sol¬
daten gingen aufWnciclos, doch dieser zog rasch mit der Linken ein Pistol aus dem
Gürtel und hielt es dem Fürsten vor die Brust, in der Rechten schwang er den
Handzar mit den Worten: „Wer mir naht ist des Todes, auch Du mein Fürst,
wenn Du mich nicht ziehen läßt." Die Wachen traten zurück und Milos ging
bleich und knirschend in sein Haus, Wucic aber verließ noch am selben Tage Bel¬
grad. Man fügt hinzu, daß Fürst Milos Obreuovic von jener Stunde an keine
Hinrichtung mehr vornehmen ließ. —

Ein Reitknecht trat ein, mit der Meldung, die Pferde seien gesattelt. Der


Grenzboten. IV. »849. Z
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[0021] Das letztere Bild hier zu finden, befremdete mich, ich konnte eine Bemerkung darüber nicht zurückhalten. „Ja Herr Woiwode, warum soll der Milos hier nicht hängen" — entgeg- nete Wucic, „war er doch einst ein herrlicher Held und mächtiger Kämpfer für die Freiheit unsers Landes, bis er sich verleiten und erkaufen ließ durch türkisches Gold und eine Zeit der Noth und arger Bedrängniß über dies Land heraufbe¬ schwor. Milos drückte das Volk, ließ die Hauptleute und Kuchen, welche die Unterwerfung unter die Türken nicht dulden wollten, gefangen nehmen und köpfen, und schickte die blutigen Häupter nach Stambul zum Sultan, der sie ihm mit Beuteln voll Piaster aufwog. Wenn Du zur Varos-Kapi hinaus nach der Festung gehst, siehst Du Reste morscher Pallisaden, auf diesen sah ich vieler Edlen Köpfe aufgesteckt. Damals war's, wo auch wir uneins wurden mit dem alten Milos, weil er uns zumuthete, was sich kein Serbe zumuthen läßt." Die Begebenheit, aus welche der Woiwode anspielte, kennt zu Belgrad jedes Kind, sie legte den ersten Grund zu der großen Popularität Wncic's. Es war in den Jahren, wo Fürst Milos Obrenovic am blutigsten hauste, Wucic war da¬ mals Kapitän und stand einst eben vor dem Hause des Fürsten, als mau blutige Häupter von Volksmännern, neue Opfer der Tyrannei, in Säcken herbeitrug, um sie nach Konstantinopel zu schaffen. Den Wucic übermannte gerechte Zorneswuth: „Pfui schämt Euch!" rief er den Trägern entrüstet entgegen. „Schämt Euch, Landsleute, daß Ihr Euch wegwerfe und brauchen laßt zu fluchwürdigen Henkers¬ dienst an den Besten Eures Volks. Wer ein echter Serbe ist und ein Herz im Leibe hat, hält die Hand rein von Bruderblut." — Betroffen stellten die Männer die blutgetränkten Säcke hin und wollten sich davon schleichen, als Fürst Milos, der den Vorgang vom Fenster aus mit angesehen hatte, roth vor Wuth die Treppe herabgerannt kam und den Hauptmann grimmig anschnaubte: „Hörst Du, Wucic! Du selbst wirst jetzt die Säcke nehmen und auf den Wagen schafft», ich will es so." — „Die rechte Hand soll mir abdorren, eh' ich das thue!" ent- gegnete dieser ruhig. — „Du thust was ich gebiete," zürnte Milos, „oder Dein Haupt fällt zu jenen." Wucic antwortete ein entschiedenes „Nein!" — „Wachen herbei! greift den Rebellen" herrschte der Fürst außer sich vor Zorn. Die Sol¬ daten gingen aufWnciclos, doch dieser zog rasch mit der Linken ein Pistol aus dem Gürtel und hielt es dem Fürsten vor die Brust, in der Rechten schwang er den Handzar mit den Worten: „Wer mir naht ist des Todes, auch Du mein Fürst, wenn Du mich nicht ziehen läßt." Die Wachen traten zurück und Milos ging bleich und knirschend in sein Haus, Wucic aber verließ noch am selben Tage Bel¬ grad. Man fügt hinzu, daß Fürst Milos Obreuovic von jener Stunde an keine Hinrichtung mehr vornehmen ließ. — Ein Reitknecht trat ein, mit der Meldung, die Pferde seien gesattelt. Der Grenzboten. IV. »849. Z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/21>, abgerufen am 15.01.2025.