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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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wird während der Negierung desselben Königs der Krone Preußens die Gelegen¬
heit geboten, Deutschland zu erobern. Zuerst im Jahr 1840, zum zweiten im Früh¬
jahr 1849, das dritte Mal mag im Frühjahr 1850 sein. Mau braucht nicht
abergläubisch zu sein, um zu empfinden, daß dieser dritte Ruf des Schicksals der
letzte sein wird.

Wir aber wollen uuter allen Umständen fest und muthig der Zukunft in's
Auge sehen und mit ganzer Seele nehme" wir "och das schönste Recht der Erd¬
geborenen in Anspruch: wir hoffen.




Die conservative Kraft Preußens.



Als im vorigen Jahr alle Glieder des preußische" Staates krachten, und die
Krisis dort im A"fa"ge bösartiger und gefährlicher erschien, als in den andern
Staaten Deutschlands, waren die Freunde des "intelligenten" Staats sehr be¬
stürzt über das Unerklärliche dieser Erscheinung, seine Gegner versuchten das Un¬
haltbare dieses künstlichen Staatsbaues zu besinnen. Und Wunder! eben so schnell
und energisch, als der Schlag gewesen war, kam el" Gegenschlag, die Reaction
in Preußen wurde vollständiger, als irgend wo anders und die conservative Partei
kam zu einem Selbstgefühl, welches sie so sicher, so innerlich, selbst in Oestreich
gegenwärtig nicht hat. Wer Preußen kennt, das Volk und Land, kann sich nach¬
träglich wohl erklären, wie Alles so kommen mußte. Es ist nicht unnütz, grade
jetzt auch das schou Bekannte zu wiederholen, den" mau kann für unsere nächste
Zukunft Allerlei daraus lerne".

Jene höchst bedeutsame Eigenthümlichkeit Preußens: seine großen Fortschritte
ans dem Kampf starker Gegensätze zu erreichen, und grade aus solchen Kämpfen
neues Leben zu gewinnen, welche viele andre Staaten zersetzen mußten, wird dann
verständlich, wenn man sich erinnert, daß einmal die protestantische Aufklärung
und die philosophische Bildung, welche die Geister in Preußen beherrscht, den
politischen Liberalismus der Einzelnen in allen Graden und Extremen massenhaft
entwickelt hat, während anderseits Gemüth und Interessen die große Mehrzahl
des Volkes conservativ stimmen. Die Interessen des preußischen Volkes sind des¬
halb überwiegend conservativ, weil der Landbau noch fast überall den Hauptan-
theil an dem productiven Vermögen der Nation hat. Handel und Industrie stehn
noch in seineu Diensten. Es ist bereits früher in diesen Heften dargestellt wor¬
den, wie die politische Richtung eines Volkes bestimmt werde durch die Beschaf¬
fenheit des Grundbesitzes und durch sein Verhältniß zum Handel und zur Industrie.


wird während der Negierung desselben Königs der Krone Preußens die Gelegen¬
heit geboten, Deutschland zu erobern. Zuerst im Jahr 1840, zum zweiten im Früh¬
jahr 1849, das dritte Mal mag im Frühjahr 1850 sein. Mau braucht nicht
abergläubisch zu sein, um zu empfinden, daß dieser dritte Ruf des Schicksals der
letzte sein wird.

Wir aber wollen uuter allen Umständen fest und muthig der Zukunft in's
Auge sehen und mit ganzer Seele nehme» wir »och das schönste Recht der Erd¬
geborenen in Anspruch: wir hoffen.




Die conservative Kraft Preußens.



Als im vorigen Jahr alle Glieder des preußische» Staates krachten, und die
Krisis dort im A»fa»ge bösartiger und gefährlicher erschien, als in den andern
Staaten Deutschlands, waren die Freunde des „intelligenten" Staats sehr be¬
stürzt über das Unerklärliche dieser Erscheinung, seine Gegner versuchten das Un¬
haltbare dieses künstlichen Staatsbaues zu besinnen. Und Wunder! eben so schnell
und energisch, als der Schlag gewesen war, kam el» Gegenschlag, die Reaction
in Preußen wurde vollständiger, als irgend wo anders und die conservative Partei
kam zu einem Selbstgefühl, welches sie so sicher, so innerlich, selbst in Oestreich
gegenwärtig nicht hat. Wer Preußen kennt, das Volk und Land, kann sich nach¬
träglich wohl erklären, wie Alles so kommen mußte. Es ist nicht unnütz, grade
jetzt auch das schou Bekannte zu wiederholen, den» mau kann für unsere nächste
Zukunft Allerlei daraus lerne».

Jene höchst bedeutsame Eigenthümlichkeit Preußens: seine großen Fortschritte
ans dem Kampf starker Gegensätze zu erreichen, und grade aus solchen Kämpfen
neues Leben zu gewinnen, welche viele andre Staaten zersetzen mußten, wird dann
verständlich, wenn man sich erinnert, daß einmal die protestantische Aufklärung
und die philosophische Bildung, welche die Geister in Preußen beherrscht, den
politischen Liberalismus der Einzelnen in allen Graden und Extremen massenhaft
entwickelt hat, während anderseits Gemüth und Interessen die große Mehrzahl
des Volkes conservativ stimmen. Die Interessen des preußischen Volkes sind des¬
halb überwiegend conservativ, weil der Landbau noch fast überall den Hauptan-
theil an dem productiven Vermögen der Nation hat. Handel und Industrie stehn
noch in seineu Diensten. Es ist bereits früher in diesen Heften dargestellt wor¬
den, wie die politische Richtung eines Volkes bestimmt werde durch die Beschaf¬
fenheit des Grundbesitzes und durch sein Verhältniß zum Handel und zur Industrie.


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[0208] wird während der Negierung desselben Königs der Krone Preußens die Gelegen¬ heit geboten, Deutschland zu erobern. Zuerst im Jahr 1840, zum zweiten im Früh¬ jahr 1849, das dritte Mal mag im Frühjahr 1850 sein. Mau braucht nicht abergläubisch zu sein, um zu empfinden, daß dieser dritte Ruf des Schicksals der letzte sein wird. Wir aber wollen uuter allen Umständen fest und muthig der Zukunft in's Auge sehen und mit ganzer Seele nehme» wir »och das schönste Recht der Erd¬ geborenen in Anspruch: wir hoffen. Die conservative Kraft Preußens. Als im vorigen Jahr alle Glieder des preußische» Staates krachten, und die Krisis dort im A»fa»ge bösartiger und gefährlicher erschien, als in den andern Staaten Deutschlands, waren die Freunde des „intelligenten" Staats sehr be¬ stürzt über das Unerklärliche dieser Erscheinung, seine Gegner versuchten das Un¬ haltbare dieses künstlichen Staatsbaues zu besinnen. Und Wunder! eben so schnell und energisch, als der Schlag gewesen war, kam el» Gegenschlag, die Reaction in Preußen wurde vollständiger, als irgend wo anders und die conservative Partei kam zu einem Selbstgefühl, welches sie so sicher, so innerlich, selbst in Oestreich gegenwärtig nicht hat. Wer Preußen kennt, das Volk und Land, kann sich nach¬ träglich wohl erklären, wie Alles so kommen mußte. Es ist nicht unnütz, grade jetzt auch das schou Bekannte zu wiederholen, den» mau kann für unsere nächste Zukunft Allerlei daraus lerne». Jene höchst bedeutsame Eigenthümlichkeit Preußens: seine großen Fortschritte ans dem Kampf starker Gegensätze zu erreichen, und grade aus solchen Kämpfen neues Leben zu gewinnen, welche viele andre Staaten zersetzen mußten, wird dann verständlich, wenn man sich erinnert, daß einmal die protestantische Aufklärung und die philosophische Bildung, welche die Geister in Preußen beherrscht, den politischen Liberalismus der Einzelnen in allen Graden und Extremen massenhaft entwickelt hat, während anderseits Gemüth und Interessen die große Mehrzahl des Volkes conservativ stimmen. Die Interessen des preußischen Volkes sind des¬ halb überwiegend conservativ, weil der Landbau noch fast überall den Hauptan- theil an dem productiven Vermögen der Nation hat. Handel und Industrie stehn noch in seineu Diensten. Es ist bereits früher in diesen Heften dargestellt wor¬ den, wie die politische Richtung eines Volkes bestimmt werde durch die Beschaf¬ fenheit des Grundbesitzes und durch sein Verhältniß zum Handel und zur Industrie.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/208>, abgerufen am 15.01.2025.