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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Der Verwaltungsrath des deutschen Bundesstaates.



So ist die Trennung geschehen, Sachsen und Hannover haben sich gelöst
von dem Wege, ans welchem die Gestaltung des neuen Bundesstaates erstrebt wird.
Es ist dies vorläufig kein Unglück, eher ein Glück für die Zukunft unsres Vater¬
landes. Denn es kommt jetzt zunächst darauf an, einmüthig und ohne Hindernisse,
welche Cabinetsintriguen dazwischen werfen können, irgend Etwas zu Stande
zu bringen, was die Grundlage für eine Vereinigung der deutschen Stämme bil¬
den kann. Ja, wir Deutsche sind bescheiden geworden seit diesem Frühjahr; wir ha¬
ben erkannt, daß wir noch keine Nation find, und diese Erkenntniß, so bitter sie
uns anch gemacht wurde, kann wenigstens bewirken, daß wir vorsichtiger werden,
besonnener und deshalb energischer. Die politische Nichtigkeit der kleinen König¬
reiche ward bis jetzt weder von den Fürsten noch von den Völkern lebhaft genug
empfunden, sie wird ihnen von der Stunde an fühlbar werden, wo sich rings um
sie herum ein größeres Leben und ein kräftiges Selbstgefühl regt. Die Opposi¬
tion von Hannover und Sachsen hat ihren letzten Grund in der Verstimmung ih¬
rer souveraine, beide waren bereit, einen Theil ihrer Hoheitsprivilegien dem
Bundesstaat zu opfern, wenn ihre Vettern im Süden, der Baier und Würten-
berger dasselbe Opfer brächten. Unerträglich aber erschien es ihnen sich beschränkt
M sehen, während jene in allen den kleinen Genüssen einer isolirten souverainen
Existenz schwelgen. Jetzt haben sich alle vier Könige aus dem Knoten des Bun¬
desstaates herausgeworfen, es ist nicht nöthig, daß deshalb die Partie aushört.
Der höchste Trumpf ist darin geblieben, das Bedürfniß der Deutschen sich fest mit
""ander zu vereinigen, und wenn Preußen versteht diese Größe zu gebrauchen,
s° mag es noch jetzt gegen das Cabinet des Fürsten Schwarzenberg, der ohne sein
Verdienst die vier Könige in der Hand hält, das Spiel gewinnen. Der Abschied
Sachsens und Hannovers aus dem Verwaltungsrath war kühl und diplomatisch
genug. In der Sitzung am 19. October machte uoch in Gegenwart der Herrn
Zeschau und Wangenheim, der preußische Bevollmächtigte specielle Vorschläge
sür Zusammenberufung des nächsten Reichstages. Zuerst einige Modificationen
^'in Verfassungsentwurf. Der Ausdruck "Reich" soll durch "Bundesstaat" und


Grenzten, lo. 1849. 26
Der Verwaltungsrath des deutschen Bundesstaates.



So ist die Trennung geschehen, Sachsen und Hannover haben sich gelöst
von dem Wege, ans welchem die Gestaltung des neuen Bundesstaates erstrebt wird.
Es ist dies vorläufig kein Unglück, eher ein Glück für die Zukunft unsres Vater¬
landes. Denn es kommt jetzt zunächst darauf an, einmüthig und ohne Hindernisse,
welche Cabinetsintriguen dazwischen werfen können, irgend Etwas zu Stande
zu bringen, was die Grundlage für eine Vereinigung der deutschen Stämme bil¬
den kann. Ja, wir Deutsche sind bescheiden geworden seit diesem Frühjahr; wir ha¬
ben erkannt, daß wir noch keine Nation find, und diese Erkenntniß, so bitter sie
uns anch gemacht wurde, kann wenigstens bewirken, daß wir vorsichtiger werden,
besonnener und deshalb energischer. Die politische Nichtigkeit der kleinen König¬
reiche ward bis jetzt weder von den Fürsten noch von den Völkern lebhaft genug
empfunden, sie wird ihnen von der Stunde an fühlbar werden, wo sich rings um
sie herum ein größeres Leben und ein kräftiges Selbstgefühl regt. Die Opposi¬
tion von Hannover und Sachsen hat ihren letzten Grund in der Verstimmung ih¬
rer souveraine, beide waren bereit, einen Theil ihrer Hoheitsprivilegien dem
Bundesstaat zu opfern, wenn ihre Vettern im Süden, der Baier und Würten-
berger dasselbe Opfer brächten. Unerträglich aber erschien es ihnen sich beschränkt
M sehen, während jene in allen den kleinen Genüssen einer isolirten souverainen
Existenz schwelgen. Jetzt haben sich alle vier Könige aus dem Knoten des Bun¬
desstaates herausgeworfen, es ist nicht nöthig, daß deshalb die Partie aushört.
Der höchste Trumpf ist darin geblieben, das Bedürfniß der Deutschen sich fest mit
«»ander zu vereinigen, und wenn Preußen versteht diese Größe zu gebrauchen,
s° mag es noch jetzt gegen das Cabinet des Fürsten Schwarzenberg, der ohne sein
Verdienst die vier Könige in der Hand hält, das Spiel gewinnen. Der Abschied
Sachsens und Hannovers aus dem Verwaltungsrath war kühl und diplomatisch
genug. In der Sitzung am 19. October machte uoch in Gegenwart der Herrn
Zeschau und Wangenheim, der preußische Bevollmächtigte specielle Vorschläge
sür Zusammenberufung des nächsten Reichstages. Zuerst einige Modificationen
^'in Verfassungsentwurf. Der Ausdruck „Reich" soll durch „Bundesstaat" und


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[0205] Der Verwaltungsrath des deutschen Bundesstaates. So ist die Trennung geschehen, Sachsen und Hannover haben sich gelöst von dem Wege, ans welchem die Gestaltung des neuen Bundesstaates erstrebt wird. Es ist dies vorläufig kein Unglück, eher ein Glück für die Zukunft unsres Vater¬ landes. Denn es kommt jetzt zunächst darauf an, einmüthig und ohne Hindernisse, welche Cabinetsintriguen dazwischen werfen können, irgend Etwas zu Stande zu bringen, was die Grundlage für eine Vereinigung der deutschen Stämme bil¬ den kann. Ja, wir Deutsche sind bescheiden geworden seit diesem Frühjahr; wir ha¬ ben erkannt, daß wir noch keine Nation find, und diese Erkenntniß, so bitter sie uns anch gemacht wurde, kann wenigstens bewirken, daß wir vorsichtiger werden, besonnener und deshalb energischer. Die politische Nichtigkeit der kleinen König¬ reiche ward bis jetzt weder von den Fürsten noch von den Völkern lebhaft genug empfunden, sie wird ihnen von der Stunde an fühlbar werden, wo sich rings um sie herum ein größeres Leben und ein kräftiges Selbstgefühl regt. Die Opposi¬ tion von Hannover und Sachsen hat ihren letzten Grund in der Verstimmung ih¬ rer souveraine, beide waren bereit, einen Theil ihrer Hoheitsprivilegien dem Bundesstaat zu opfern, wenn ihre Vettern im Süden, der Baier und Würten- berger dasselbe Opfer brächten. Unerträglich aber erschien es ihnen sich beschränkt M sehen, während jene in allen den kleinen Genüssen einer isolirten souverainen Existenz schwelgen. Jetzt haben sich alle vier Könige aus dem Knoten des Bun¬ desstaates herausgeworfen, es ist nicht nöthig, daß deshalb die Partie aushört. Der höchste Trumpf ist darin geblieben, das Bedürfniß der Deutschen sich fest mit «»ander zu vereinigen, und wenn Preußen versteht diese Größe zu gebrauchen, s° mag es noch jetzt gegen das Cabinet des Fürsten Schwarzenberg, der ohne sein Verdienst die vier Könige in der Hand hält, das Spiel gewinnen. Der Abschied Sachsens und Hannovers aus dem Verwaltungsrath war kühl und diplomatisch genug. In der Sitzung am 19. October machte uoch in Gegenwart der Herrn Zeschau und Wangenheim, der preußische Bevollmächtigte specielle Vorschläge sür Zusammenberufung des nächsten Reichstages. Zuerst einige Modificationen ^'in Verfassungsentwurf. Der Ausdruck „Reich" soll durch „Bundesstaat" und Grenzten, lo. 1849. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/205>, abgerufen am 15.01.2025.