Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schwammen wir vorüber, großen, stattlichen Bauten, wie Klosterneuburg und Moll,
aber sie sehen breiten Prälaten ähnlich, die weltliche Tracht angelegt haben, um
in moderne Gesellschaft zu gehen; jedes wie zwanzig rheinische Niesenhotels, an-
eincmdergeschoben; ohne Schmuck zur Weide andächtiger Augen, ohne andern Reiz
als für die Phantasie des hungrigen Wanderers, den die zahllose" Scheiben und
die dicken Schornsteine auf den Umfang der Küche und die Tiefe des Kellers
schließen lassen.

Vielleicht, wenn sie einst in Trümmern liegen, machen sie eine romantischere
Miene und trage" wesentlich zur Erheiterung der Landschaft bei; Burgen und
Klöster sind nur als Ruinen schön. Nein, stolze Donau, deine Macht und Größe
in Ehren, aber mit dem grünen Rhein dich zu vergleichen, ist eine Blasphemie.
Dir fehlt der Duft der Sage, die Sonne der Gegenwart, die Musik des Lebens;
dir fehlt der Geist über den Wassern.

Der Rhein wird auf seine ältern Tage ein Holländer, ein Philister, und das
ist nicht schön von ihm; aber du, mein Gott, du wirst ein Türke, ja sogar ein
halber Russe, und das ist nicht nur nicht schön, sondern eine wahre Todsünde.
Mag sein, daß die Wildniß dich besser kleidet. Da unten, bei den Walachen und
Raizen, wo man Sichel und Sense zum Kopfabschneiden braucht, wo Niemand
in deinen Fluthen badet, als Sonne, Mond und Sterne, Niemand sich wäscht,
als wer zufällig ertrinkt oder ertränkt wird, auf der endlosen Haide, da liebst du
es wohl, dich einsam und zügellos durch die Nacht zu wälzen, trunken von deiner
eigenen grauenvollen Schönheit. Deshalb rauschst du so ungestüm und eilst in so
jähen Sprüngen, daß du, Sand und Schlamm aufwühlend, deine Farbe trübst
und deinen Saum beschmutzest. Geh, du bist ein uncivilistrtes Wasser und in
deiner dunkeln Tiefe mögen bauchige Karpfen wohnen und Vielfräße von Hechten,
aber an zaubrische Nixen und melodische Wasserfeen wird hier kein Menschenkind
glauben, so wenig wie ich vor der Hand an das großdeutsche Märchen glaube von
deiner Bedeutung für den orientalischen Handel.

Ich thue dir Unrecht, stolze Dona". Dein Rauschen bedeutet Trauer, dein
Wirbeln und Hasten bedeutet den Schmerz einer armen Dirne, die frühzeitig fort
muß, um in barbarischer Verbannung aufzuwachsen. Dein Wasser ist trübe wie
die Zukunft der Völker da hinten. Kein Diplomat und kein Weiser vermag ihr
auf den Grund zu schaue". Ich aber segne mit dankbaren Blicken das Dampf¬
bad, welches mit jedem Umschwung mich reineren Lüften entgegenführt.




schwammen wir vorüber, großen, stattlichen Bauten, wie Klosterneuburg und Moll,
aber sie sehen breiten Prälaten ähnlich, die weltliche Tracht angelegt haben, um
in moderne Gesellschaft zu gehen; jedes wie zwanzig rheinische Niesenhotels, an-
eincmdergeschoben; ohne Schmuck zur Weide andächtiger Augen, ohne andern Reiz
als für die Phantasie des hungrigen Wanderers, den die zahllose» Scheiben und
die dicken Schornsteine auf den Umfang der Küche und die Tiefe des Kellers
schließen lassen.

Vielleicht, wenn sie einst in Trümmern liegen, machen sie eine romantischere
Miene und trage» wesentlich zur Erheiterung der Landschaft bei; Burgen und
Klöster sind nur als Ruinen schön. Nein, stolze Donau, deine Macht und Größe
in Ehren, aber mit dem grünen Rhein dich zu vergleichen, ist eine Blasphemie.
Dir fehlt der Duft der Sage, die Sonne der Gegenwart, die Musik des Lebens;
dir fehlt der Geist über den Wassern.

Der Rhein wird auf seine ältern Tage ein Holländer, ein Philister, und das
ist nicht schön von ihm; aber du, mein Gott, du wirst ein Türke, ja sogar ein
halber Russe, und das ist nicht nur nicht schön, sondern eine wahre Todsünde.
Mag sein, daß die Wildniß dich besser kleidet. Da unten, bei den Walachen und
Raizen, wo man Sichel und Sense zum Kopfabschneiden braucht, wo Niemand
in deinen Fluthen badet, als Sonne, Mond und Sterne, Niemand sich wäscht,
als wer zufällig ertrinkt oder ertränkt wird, auf der endlosen Haide, da liebst du
es wohl, dich einsam und zügellos durch die Nacht zu wälzen, trunken von deiner
eigenen grauenvollen Schönheit. Deshalb rauschst du so ungestüm und eilst in so
jähen Sprüngen, daß du, Sand und Schlamm aufwühlend, deine Farbe trübst
und deinen Saum beschmutzest. Geh, du bist ein uncivilistrtes Wasser und in
deiner dunkeln Tiefe mögen bauchige Karpfen wohnen und Vielfräße von Hechten,
aber an zaubrische Nixen und melodische Wasserfeen wird hier kein Menschenkind
glauben, so wenig wie ich vor der Hand an das großdeutsche Märchen glaube von
deiner Bedeutung für den orientalischen Handel.

Ich thue dir Unrecht, stolze Dona». Dein Rauschen bedeutet Trauer, dein
Wirbeln und Hasten bedeutet den Schmerz einer armen Dirne, die frühzeitig fort
muß, um in barbarischer Verbannung aufzuwachsen. Dein Wasser ist trübe wie
die Zukunft der Völker da hinten. Kein Diplomat und kein Weiser vermag ihr
auf den Grund zu schaue«. Ich aber segne mit dankbaren Blicken das Dampf¬
bad, welches mit jedem Umschwung mich reineren Lüften entgegenführt.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279743"/>
            <p xml:id="ID_649" prev="#ID_648"> schwammen wir vorüber, großen, stattlichen Bauten, wie Klosterneuburg und Moll,<lb/>
aber sie sehen breiten Prälaten ähnlich, die weltliche Tracht angelegt haben, um<lb/>
in moderne Gesellschaft zu gehen; jedes wie zwanzig rheinische Niesenhotels, an-<lb/>
eincmdergeschoben; ohne Schmuck zur Weide andächtiger Augen, ohne andern Reiz<lb/>
als für die Phantasie des hungrigen Wanderers, den die zahllose» Scheiben und<lb/>
die dicken Schornsteine auf den Umfang der Küche und die Tiefe des Kellers<lb/>
schließen lassen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_650"> Vielleicht, wenn sie einst in Trümmern liegen, machen sie eine romantischere<lb/>
Miene und trage» wesentlich zur Erheiterung der Landschaft bei; Burgen und<lb/>
Klöster sind nur als Ruinen schön. Nein, stolze Donau, deine Macht und Größe<lb/>
in Ehren, aber mit dem grünen Rhein dich zu vergleichen, ist eine Blasphemie.<lb/>
Dir fehlt der Duft der Sage, die Sonne der Gegenwart, die Musik des Lebens;<lb/>
dir fehlt der Geist über den Wassern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_651"> Der Rhein wird auf seine ältern Tage ein Holländer, ein Philister, und das<lb/>
ist nicht schön von ihm; aber du, mein Gott, du wirst ein Türke, ja sogar ein<lb/>
halber Russe, und das ist nicht nur nicht schön, sondern eine wahre Todsünde.<lb/>
Mag sein, daß die Wildniß dich besser kleidet. Da unten, bei den Walachen und<lb/>
Raizen, wo man Sichel und Sense zum Kopfabschneiden braucht, wo Niemand<lb/>
in deinen Fluthen badet, als Sonne, Mond und Sterne, Niemand sich wäscht,<lb/>
als wer zufällig ertrinkt oder ertränkt wird, auf der endlosen Haide, da liebst du<lb/>
es wohl, dich einsam und zügellos durch die Nacht zu wälzen, trunken von deiner<lb/>
eigenen grauenvollen Schönheit. Deshalb rauschst du so ungestüm und eilst in so<lb/>
jähen Sprüngen, daß du, Sand und Schlamm aufwühlend, deine Farbe trübst<lb/>
und deinen Saum beschmutzest. Geh, du bist ein uncivilistrtes Wasser und in<lb/>
deiner dunkeln Tiefe mögen bauchige Karpfen wohnen und Vielfräße von Hechten,<lb/>
aber an zaubrische Nixen und melodische Wasserfeen wird hier kein Menschenkind<lb/>
glauben, so wenig wie ich vor der Hand an das großdeutsche Märchen glaube von<lb/>
deiner Bedeutung für den orientalischen Handel.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_652"> Ich thue dir Unrecht, stolze Dona». Dein Rauschen bedeutet Trauer, dein<lb/>
Wirbeln und Hasten bedeutet den Schmerz einer armen Dirne, die frühzeitig fort<lb/>
muß, um in barbarischer Verbannung aufzuwachsen. Dein Wasser ist trübe wie<lb/>
die Zukunft der Völker da hinten. Kein Diplomat und kein Weiser vermag ihr<lb/>
auf den Grund zu schaue«. Ich aber segne mit dankbaren Blicken das Dampf¬<lb/>
bad, welches mit jedem Umschwung mich reineren Lüften entgegenführt.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0195] schwammen wir vorüber, großen, stattlichen Bauten, wie Klosterneuburg und Moll, aber sie sehen breiten Prälaten ähnlich, die weltliche Tracht angelegt haben, um in moderne Gesellschaft zu gehen; jedes wie zwanzig rheinische Niesenhotels, an- eincmdergeschoben; ohne Schmuck zur Weide andächtiger Augen, ohne andern Reiz als für die Phantasie des hungrigen Wanderers, den die zahllose» Scheiben und die dicken Schornsteine auf den Umfang der Küche und die Tiefe des Kellers schließen lassen. Vielleicht, wenn sie einst in Trümmern liegen, machen sie eine romantischere Miene und trage» wesentlich zur Erheiterung der Landschaft bei; Burgen und Klöster sind nur als Ruinen schön. Nein, stolze Donau, deine Macht und Größe in Ehren, aber mit dem grünen Rhein dich zu vergleichen, ist eine Blasphemie. Dir fehlt der Duft der Sage, die Sonne der Gegenwart, die Musik des Lebens; dir fehlt der Geist über den Wassern. Der Rhein wird auf seine ältern Tage ein Holländer, ein Philister, und das ist nicht schön von ihm; aber du, mein Gott, du wirst ein Türke, ja sogar ein halber Russe, und das ist nicht nur nicht schön, sondern eine wahre Todsünde. Mag sein, daß die Wildniß dich besser kleidet. Da unten, bei den Walachen und Raizen, wo man Sichel und Sense zum Kopfabschneiden braucht, wo Niemand in deinen Fluthen badet, als Sonne, Mond und Sterne, Niemand sich wäscht, als wer zufällig ertrinkt oder ertränkt wird, auf der endlosen Haide, da liebst du es wohl, dich einsam und zügellos durch die Nacht zu wälzen, trunken von deiner eigenen grauenvollen Schönheit. Deshalb rauschst du so ungestüm und eilst in so jähen Sprüngen, daß du, Sand und Schlamm aufwühlend, deine Farbe trübst und deinen Saum beschmutzest. Geh, du bist ein uncivilistrtes Wasser und in deiner dunkeln Tiefe mögen bauchige Karpfen wohnen und Vielfräße von Hechten, aber an zaubrische Nixen und melodische Wasserfeen wird hier kein Menschenkind glauben, so wenig wie ich vor der Hand an das großdeutsche Märchen glaube von deiner Bedeutung für den orientalischen Handel. Ich thue dir Unrecht, stolze Dona». Dein Rauschen bedeutet Trauer, dein Wirbeln und Hasten bedeutet den Schmerz einer armen Dirne, die frühzeitig fort muß, um in barbarischer Verbannung aufzuwachsen. Dein Wasser ist trübe wie die Zukunft der Völker da hinten. Kein Diplomat und kein Weiser vermag ihr auf den Grund zu schaue«. Ich aber segne mit dankbaren Blicken das Dampf¬ bad, welches mit jedem Umschwung mich reineren Lüften entgegenführt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/195
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/195>, abgerufen am 15.01.2025.