Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.deuten schwärmt er für Vater Radetzky und den jungen Kaiser, den die Minister Ich will die Zeit, da er schläft, benützen, um ungestört ein Wörtlein mit der Auf dem Schnabel des Boots liegen in Reih und Glied, barfuß und die deuten schwärmt er für Vater Radetzky und den jungen Kaiser, den die Minister Ich will die Zeit, da er schläft, benützen, um ungestört ein Wörtlein mit der Auf dem Schnabel des Boots liegen in Reih und Glied, barfuß und die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279742"/> <p xml:id="ID_646" prev="#ID_645"> deuten schwärmt er für Vater Radetzky und den jungen Kaiser, den die Minister<lb/> „unsern kleinen" nennen. „Unser Kleiner macht sich; es vergeht kein Jahr, so<lb/> wird er in Frankfurt a. M. gekrönt." Manchmal wirft er im Kaffehause einen<lb/> Blick ans die Karte von Ungarn und zählt die Stecknadeln mit kaiserlichen Fähn¬<lb/> lein, welche die Stellungen der Slnuee bezeichnen, dann denkt er an die entschwun¬<lb/> denen Silberzwanziger, und stutzt eine Weile, — doch bah! „Es gibt nur ein<lb/> Wien und von hier muß der Friede und die Ruhe ausgehen, denn wo wird stär¬<lb/> ker regiert, assentirt und kommandirt? Deutschland fürchtet, Rußland bedient uns.<lb/> Wien wird die Hauptstadt vou Mitteleuropa — wenigstens."</p><lb/> <p xml:id="ID_647"> Ich will die Zeit, da er schläft, benützen, um ungestört ein Wörtlein mit der<lb/> Donan zu reden; es könnte vielleicht sein Nationalgefühl beleidigen, wenn er es<lb/> anhörte.</p><lb/> <p xml:id="ID_648" next="#ID_649"> Auf dem Schnabel des Boots liegen in Reih und Glied, barfuß und die<lb/> blankattunenen Schnupftücher über den Gesichtern, schlafende Schiffleute. Sie ha¬<lb/> ben ihre kleinen Obst- und Salzfahrzeuge in Wien zerschlagen, als Holz verkauft<lb/> und fahren mit Dampf aufwärts, um neue zu zimmern. Hart am rechten Ufer<lb/> schleppen sich plumpe, niedere Frachtschiffe fort, von schwerhufigen Rossen mühsam<lb/> gezogen. Der Leinpfad bleibt nicht auf demselben Ufer, ein oder zwei Mal zwi¬<lb/> schen Wien und Linz müssen Fracht, Schiffer und Pferde auf das andere Ufer<lb/> übersetzt werden, um weiter zu kommen. Vor dem Donaukanal bei Nußdorf, ein<lb/> gutes Stück vor Wien, müssen bei kleinem Wasserstand die schweren Schiffe aus¬<lb/> laden, bei hohem Stand im Frühjahr macht der Kanal die Ueberschwemmung ge¬<lb/> fährlicher. So wenig entspricht er seinem Zweck. Siehst du, stolze Donau, in<lb/> welch schlimme, verwahrloste Wirthschaft du mit so jäher Ungeduld dich hereingestürzt<lb/> hast. Seit Kaiser Joseph, der die Strudel- und Wirbelklippen zu sprengen an¬<lb/> fing, ist kaum das Nothdürftigste geschehen, um deine gewaltige Mähne zu kämmen,<lb/> deinen starken Rücken geschmeidiger, den Menschen freundlich und dienstwillig zu<lb/> machen. Das Alles soll erst werden. Kein Segel sah ich blinken den lieben lan¬<lb/> gen Tag hindurch. Wolken und wilde Gänse flattern hie und da über einem<lb/> glücklich zerstörten Raubnest, wie Dürrenstein und Greifenstein, — es muß wenig<lb/> Rittcroolk hier gehaust haben, denn die Burgen sind dünn gesäet, — oder über<lb/> dunklen, waldgekrönten Felskammer, welche stellenweise das Thal von der Welt<lb/> absperren wollen, und dies sind die schönsten Punkte. Die Landschaft athmet und<lb/> seufzt dumpfe Einsamkeit, still brütende Ruhe, wie das Gemüth einer oberöstrei¬<lb/> chischen Frau, die fleißig zur Beichte geht. Auch die Flecken und Dörfer, an<lb/> denen wir halten, starren schüchtern, fast lautlos den Dampfer an, als wär's<lb/> eine wildfremde Erscheinung. Ist denn kein Volk hier, das bei der Arbeit singen<lb/> kann? Und wo sind die traulichen Kapellen und Abteien, wo die steinernen Blu¬<lb/> mengärten gothischer Baukunst? Hat das Mittelalter hier kein sinniges Angebinde<lb/> hinterlassen, um sich mit der lichteren Nachwelt zu versöhnen? An einigen Klöstern</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
deuten schwärmt er für Vater Radetzky und den jungen Kaiser, den die Minister
„unsern kleinen" nennen. „Unser Kleiner macht sich; es vergeht kein Jahr, so
wird er in Frankfurt a. M. gekrönt." Manchmal wirft er im Kaffehause einen
Blick ans die Karte von Ungarn und zählt die Stecknadeln mit kaiserlichen Fähn¬
lein, welche die Stellungen der Slnuee bezeichnen, dann denkt er an die entschwun¬
denen Silberzwanziger, und stutzt eine Weile, — doch bah! „Es gibt nur ein
Wien und von hier muß der Friede und die Ruhe ausgehen, denn wo wird stär¬
ker regiert, assentirt und kommandirt? Deutschland fürchtet, Rußland bedient uns.
Wien wird die Hauptstadt vou Mitteleuropa — wenigstens."
Ich will die Zeit, da er schläft, benützen, um ungestört ein Wörtlein mit der
Donan zu reden; es könnte vielleicht sein Nationalgefühl beleidigen, wenn er es
anhörte.
Auf dem Schnabel des Boots liegen in Reih und Glied, barfuß und die
blankattunenen Schnupftücher über den Gesichtern, schlafende Schiffleute. Sie ha¬
ben ihre kleinen Obst- und Salzfahrzeuge in Wien zerschlagen, als Holz verkauft
und fahren mit Dampf aufwärts, um neue zu zimmern. Hart am rechten Ufer
schleppen sich plumpe, niedere Frachtschiffe fort, von schwerhufigen Rossen mühsam
gezogen. Der Leinpfad bleibt nicht auf demselben Ufer, ein oder zwei Mal zwi¬
schen Wien und Linz müssen Fracht, Schiffer und Pferde auf das andere Ufer
übersetzt werden, um weiter zu kommen. Vor dem Donaukanal bei Nußdorf, ein
gutes Stück vor Wien, müssen bei kleinem Wasserstand die schweren Schiffe aus¬
laden, bei hohem Stand im Frühjahr macht der Kanal die Ueberschwemmung ge¬
fährlicher. So wenig entspricht er seinem Zweck. Siehst du, stolze Donau, in
welch schlimme, verwahrloste Wirthschaft du mit so jäher Ungeduld dich hereingestürzt
hast. Seit Kaiser Joseph, der die Strudel- und Wirbelklippen zu sprengen an¬
fing, ist kaum das Nothdürftigste geschehen, um deine gewaltige Mähne zu kämmen,
deinen starken Rücken geschmeidiger, den Menschen freundlich und dienstwillig zu
machen. Das Alles soll erst werden. Kein Segel sah ich blinken den lieben lan¬
gen Tag hindurch. Wolken und wilde Gänse flattern hie und da über einem
glücklich zerstörten Raubnest, wie Dürrenstein und Greifenstein, — es muß wenig
Rittcroolk hier gehaust haben, denn die Burgen sind dünn gesäet, — oder über
dunklen, waldgekrönten Felskammer, welche stellenweise das Thal von der Welt
absperren wollen, und dies sind die schönsten Punkte. Die Landschaft athmet und
seufzt dumpfe Einsamkeit, still brütende Ruhe, wie das Gemüth einer oberöstrei¬
chischen Frau, die fleißig zur Beichte geht. Auch die Flecken und Dörfer, an
denen wir halten, starren schüchtern, fast lautlos den Dampfer an, als wär's
eine wildfremde Erscheinung. Ist denn kein Volk hier, das bei der Arbeit singen
kann? Und wo sind die traulichen Kapellen und Abteien, wo die steinernen Blu¬
mengärten gothischer Baukunst? Hat das Mittelalter hier kein sinniges Angebinde
hinterlassen, um sich mit der lichteren Nachwelt zu versöhnen? An einigen Klöstern
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