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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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sich schon ein bissl und dann wälzt sich, aber ist ganz fidel. Und Drau ist grad so
wie San, und beide z'sammen sein noch viel schöner wie Donau." -- "Ja, ja,
ni' glaub schon," sagte Rospini aufstehend und steckte den Pfeifenkopf sorgsam in
<'.> Lederbeutel. Mir fing der Croat an interessant zu werdeu, allein der Wiener
^ miet unter das Verdeckzelt. "Kommen Sie" flüsterte er; "mir scheint, s'ist
i:o.v mehr solche Nation da hinten. Vergleicht der unsere Donau mit der Sau!
Ich bin ein guter Oestreicher und am End send's auch kaiserliche Unterthanen,
aber verzeih mir Gott die Sünd, ich kauu die Naatzen, Krabaten, Schklavaken,
und wie das Gesinde! sonst noch getauft ist, nicht ausstehn. Früher meint man,
es wären da unten neben denen Magyaren blos noch ein paar hundert Schwein¬
schneider und Topfbinder, die bei nus in die Vorstadt' betteln kommen, aber seit
vorigem Jahr hat sich das Zeug in die Millionen vermehrt, wie die Juden, und
arg'zogen wie die englischen Retter, und darauf Haben's nun ein' unsinnigen Na¬
tionalstolz. Geben's Acht, die heißen Alle durch die Bank -- pitsch und -- patsch
und sind doch hunderterlei Sorte, daß sich der Teufel auskenne. Und ein Je¬
des will was Aparts für sich haben. S'thät Noth, daß der Kaiser ein jedem
von die kleinen Lumpenvölker eine aparte Wienerstadt baute, akkurat so groß und
schön wie unsere, mit'n Prater, mit'n Theater und mien Stephansthurm hinter
ein jeden nationalen Misthaufen. Sonst Haben's nit genug Gleichberechtigung!"

Rospini hatte nicht ganz Unrecht, obwohl gerade der dicke Banaler mit sei¬
ner eigenthümlichen Ansicht vom Malerisch-Romantischen den Zorn des Wieners
nicht verdiente. Oestreich ist bekanntlich von einigen zahmen und mehreren wil¬
den und halbwilden Völkerschaften bewohnt. Die Führer der letzteren faßten nun
aufangs das neue Schiboleth Oestreichs, die Gleichberechtigung, höchst schnurrig
auf. Nicht gleiches Recht, zu säen und zu ernten, sondern ganz gleiche Früchte,
und zwar ohne gesäet zu haben, erwarteten sie. Den Kaiser dachten sie sich als
einen großen Kommunisten, der ihnen versprochen, die Ungleichheiten, welche Gott
bei der Erschaffung Oestreichs gemacht, mit unfehlbarer Gerechtigkeit zu verbes¬
sern; die Negierung als eine Apotheke, wo unter die armen Völker Wohlstands¬
essenzen, Schönheitselixire, Bildungssalben und sonstige wunderthätige Hausmittel
zu gleichen Dosen ausgetheilt werden müßten. Der Gorale oder Knmane schmiert
sich das kaiserliche Geschenk über die Haut, und im Nu steht er auf derselben
Stufe mit dem civilisirtesten der östreichischen Volksstämme. Falls jedoch das Mit¬
tel nicht augenblicklich wirkte, müßten sämmtliche Völker so tief heruntersteigen,
daß sie den Goraleu oder Kumanen nicht'um einen Gedanken überragten. Das
letztere Ziel konnte, bei folgerichtiger Ausführung dieses Communismus, glücklich
erreicht werden, denn die possierlichen Wilden hatten sich mit großem Triumph ei¬
nes andern Losungswortes bemächtigt, welches da heißt: die Majorität entschei¬
det. Da nun die überwiegende Mehrzahl der östreichischen Staatsbürger barfuß
läuft und einen schrecklichen Widerwillen gegen Seife und deutsche Bildung be-


sich schon ein bissl und dann wälzt sich, aber ist ganz fidel. Und Drau ist grad so
wie San, und beide z'sammen sein noch viel schöner wie Donau." — „Ja, ja,
ni' glaub schon," sagte Rospini aufstehend und steckte den Pfeifenkopf sorgsam in
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^ miet unter das Verdeckzelt. „Kommen Sie" flüsterte er; „mir scheint, s'ist
i:o.v mehr solche Nation da hinten. Vergleicht der unsere Donau mit der Sau!
Ich bin ein guter Oestreicher und am End send's auch kaiserliche Unterthanen,
aber verzeih mir Gott die Sünd, ich kauu die Naatzen, Krabaten, Schklavaken,
und wie das Gesinde! sonst noch getauft ist, nicht ausstehn. Früher meint man,
es wären da unten neben denen Magyaren blos noch ein paar hundert Schwein¬
schneider und Topfbinder, die bei nus in die Vorstadt' betteln kommen, aber seit
vorigem Jahr hat sich das Zeug in die Millionen vermehrt, wie die Juden, und
arg'zogen wie die englischen Retter, und darauf Haben's nun ein' unsinnigen Na¬
tionalstolz. Geben's Acht, die heißen Alle durch die Bank — pitsch und — patsch
und sind doch hunderterlei Sorte, daß sich der Teufel auskenne. Und ein Je¬
des will was Aparts für sich haben. S'thät Noth, daß der Kaiser ein jedem
von die kleinen Lumpenvölker eine aparte Wienerstadt baute, akkurat so groß und
schön wie unsere, mit'n Prater, mit'n Theater und mien Stephansthurm hinter
ein jeden nationalen Misthaufen. Sonst Haben's nit genug Gleichberechtigung!"

Rospini hatte nicht ganz Unrecht, obwohl gerade der dicke Banaler mit sei¬
ner eigenthümlichen Ansicht vom Malerisch-Romantischen den Zorn des Wieners
nicht verdiente. Oestreich ist bekanntlich von einigen zahmen und mehreren wil¬
den und halbwilden Völkerschaften bewohnt. Die Führer der letzteren faßten nun
aufangs das neue Schiboleth Oestreichs, die Gleichberechtigung, höchst schnurrig
auf. Nicht gleiches Recht, zu säen und zu ernten, sondern ganz gleiche Früchte,
und zwar ohne gesäet zu haben, erwarteten sie. Den Kaiser dachten sie sich als
einen großen Kommunisten, der ihnen versprochen, die Ungleichheiten, welche Gott
bei der Erschaffung Oestreichs gemacht, mit unfehlbarer Gerechtigkeit zu verbes¬
sern; die Negierung als eine Apotheke, wo unter die armen Völker Wohlstands¬
essenzen, Schönheitselixire, Bildungssalben und sonstige wunderthätige Hausmittel
zu gleichen Dosen ausgetheilt werden müßten. Der Gorale oder Knmane schmiert
sich das kaiserliche Geschenk über die Haut, und im Nu steht er auf derselben
Stufe mit dem civilisirtesten der östreichischen Volksstämme. Falls jedoch das Mit¬
tel nicht augenblicklich wirkte, müßten sämmtliche Völker so tief heruntersteigen,
daß sie den Goraleu oder Kumanen nicht'um einen Gedanken überragten. Das
letztere Ziel konnte, bei folgerichtiger Ausführung dieses Communismus, glücklich
erreicht werden, denn die possierlichen Wilden hatten sich mit großem Triumph ei¬
nes andern Losungswortes bemächtigt, welches da heißt: die Majorität entschei¬
det. Da nun die überwiegende Mehrzahl der östreichischen Staatsbürger barfuß
läuft und einen schrecklichen Widerwillen gegen Seife und deutsche Bildung be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/190>, abgerufen am 15.01.2025.