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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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einen Zauberschlag ist in dem Froste des Herbstes ein frisches grünes Handels¬
leben aufgeschossen. In den Comptoiren Breslaus drängen sich die Agenten und
Briefträger und vor den Wa.irenhandlungcn haben sich friedliche Barrikaden von
ungeduldigen Kisten aufgethürmt. Es sieht aus, als wäre eine gute Zeit gekommen
für die Arbeiten des Friedens, und mancher geschäftige Christ und Jude preist die
emsige Gegenwart und segnet sie als die goldene Zeit, welche er seit einem Jahre
und länger erbetet hat; aber der erfahrene Kaufmann schüttelt doch den Kopf über
das ungestüme Treiben, das zu schnell kam, um lange auszuhalten, und sich so
sehr überstürzt, daß es nich't solid sein kann. Der Kaufmann in Breslau muß
sich sagen, daß ihm nur die Zeitverhältnisse einen momentanen Vorzug vor Trieft
gegeben haben, und daß der Vortheil, welchen ihm auch der gute Verkauf seiner
Waare nach Oestreich bringen kann, noch zweifelhaft ist. Denn zu eifrig wird
in solcher Zeit Vertrauen in Anspruch genommen und geschenkt: was mit der einen
Hand gewonnen wird, geht durch die andere verloren, und selten ist der Segen
bei einem Geschäft mit Ausgehungerten. -- Aber der deutsche Kaufmann hat noch
einen sehr bestimmten Grund, seinen Verkehr mit dem östreichischen Handelsfreund
für ein gewagtes Geschäft zu halten. Dieser Grund liegt noch immer in den
Geldverhältnissen des Kaiserstaates, noch immer schwebt das Gespenst des Staats-
bankerotts über den Papierzetteln, mit welchen der Oestreicher seine Schulden
bezahlt, und die Finanzoperationen der kaiserlichen Regierung sind durchaus nicht
geeignet, die Hoffnung auf eine glückliche Lösung der Geldwirren aufkommen
zu lassen.

Eine überraschende Nachricht, welche unsere östreichischen Agenten in diesen Ta¬
gen uns zukommen ließen, erfüllt hier die Vorsichtigen mit einer neuen Sorge.
Ans den größern Handelsstädten, aus Brünn, Troppau, Lemberg, Krakau wurde
zu gleicher Zeit berichtet, daß die Banknoten dort selten werden und auf eine ge-
heimnißvolle Weise ans dem Verkehr verschwinden, während an ihrer Stelle die
dreiprozentigen Staatsnoten im Verkehr hervorquiyen. Es sei fast unmöglich,
klagen unsre Agenten, noch Banknoten aufzutreiben und als Zahlung über die
Grenze zu schicken. Da nun bei uns in preußisch Schlesien gar kein Vertrauen
zu dem kaiserlichen Papiergeld vorhanden ist und dasselbe im größern kauf¬
männischen Verkehr nur schwierig anzubringen ist, im kleinen natürlich gar nicht,
so wäre diese Veränderung der Zahlungsvaluta schon an sich sehr lästig, sie wird
aber gefährlich durch die Ursache, aus welcher man sie herleitet. Es erscheint
ohne Zweifel, daß die östreichische Regierung im Stillen ein finanzielles Manöver
durchführt. Sie hält die Banknoten in ihren Kasten zurück, tauscht dieselben ge¬
gen dreiprozentige Kassenscheine um und zieht die Banknoten an sich, um dieselben
der Bank zurückzuzahlen und so einen Theil ihrer Schuld gegen die Bank abzu¬
tragen. Die Operation ist sehr einfach und sicher, redlich aber gegen das Volk
und harmlos kann sie nicht genannt werden. Warum hat sich der Staat in der.


einen Zauberschlag ist in dem Froste des Herbstes ein frisches grünes Handels¬
leben aufgeschossen. In den Comptoiren Breslaus drängen sich die Agenten und
Briefträger und vor den Wa.irenhandlungcn haben sich friedliche Barrikaden von
ungeduldigen Kisten aufgethürmt. Es sieht aus, als wäre eine gute Zeit gekommen
für die Arbeiten des Friedens, und mancher geschäftige Christ und Jude preist die
emsige Gegenwart und segnet sie als die goldene Zeit, welche er seit einem Jahre
und länger erbetet hat; aber der erfahrene Kaufmann schüttelt doch den Kopf über
das ungestüme Treiben, das zu schnell kam, um lange auszuhalten, und sich so
sehr überstürzt, daß es nich't solid sein kann. Der Kaufmann in Breslau muß
sich sagen, daß ihm nur die Zeitverhältnisse einen momentanen Vorzug vor Trieft
gegeben haben, und daß der Vortheil, welchen ihm auch der gute Verkauf seiner
Waare nach Oestreich bringen kann, noch zweifelhaft ist. Denn zu eifrig wird
in solcher Zeit Vertrauen in Anspruch genommen und geschenkt: was mit der einen
Hand gewonnen wird, geht durch die andere verloren, und selten ist der Segen
bei einem Geschäft mit Ausgehungerten. — Aber der deutsche Kaufmann hat noch
einen sehr bestimmten Grund, seinen Verkehr mit dem östreichischen Handelsfreund
für ein gewagtes Geschäft zu halten. Dieser Grund liegt noch immer in den
Geldverhältnissen des Kaiserstaates, noch immer schwebt das Gespenst des Staats-
bankerotts über den Papierzetteln, mit welchen der Oestreicher seine Schulden
bezahlt, und die Finanzoperationen der kaiserlichen Regierung sind durchaus nicht
geeignet, die Hoffnung auf eine glückliche Lösung der Geldwirren aufkommen
zu lassen.

Eine überraschende Nachricht, welche unsere östreichischen Agenten in diesen Ta¬
gen uns zukommen ließen, erfüllt hier die Vorsichtigen mit einer neuen Sorge.
Ans den größern Handelsstädten, aus Brünn, Troppau, Lemberg, Krakau wurde
zu gleicher Zeit berichtet, daß die Banknoten dort selten werden und auf eine ge-
heimnißvolle Weise ans dem Verkehr verschwinden, während an ihrer Stelle die
dreiprozentigen Staatsnoten im Verkehr hervorquiyen. Es sei fast unmöglich,
klagen unsre Agenten, noch Banknoten aufzutreiben und als Zahlung über die
Grenze zu schicken. Da nun bei uns in preußisch Schlesien gar kein Vertrauen
zu dem kaiserlichen Papiergeld vorhanden ist und dasselbe im größern kauf¬
männischen Verkehr nur schwierig anzubringen ist, im kleinen natürlich gar nicht,
so wäre diese Veränderung der Zahlungsvaluta schon an sich sehr lästig, sie wird
aber gefährlich durch die Ursache, aus welcher man sie herleitet. Es erscheint
ohne Zweifel, daß die östreichische Regierung im Stillen ein finanzielles Manöver
durchführt. Sie hält die Banknoten in ihren Kasten zurück, tauscht dieselben ge¬
gen dreiprozentige Kassenscheine um und zieht die Banknoten an sich, um dieselben
der Bank zurückzuzahlen und so einen Theil ihrer Schuld gegen die Bank abzu¬
tragen. Die Operation ist sehr einfach und sicher, redlich aber gegen das Volk
und harmlos kann sie nicht genannt werden. Warum hat sich der Staat in der.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/185>, abgerufen am 15.01.2025.