Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.verändert. Ich schreibe dies in politischer Untersuchungshaft. Dabei gereichte es Dr. -öermann Eberhard dichter. Handelsverkehr und Geld an der östreichisch - schlesischen Grenze. Bei uns ist jetzt ein Leben in Handel und Verkehr, wie wir seit vielen Jah¬ verändert. Ich schreibe dies in politischer Untersuchungshaft. Dabei gereichte es Dr. -öermann Eberhard dichter. Handelsverkehr und Geld an der östreichisch - schlesischen Grenze. Bei uns ist jetzt ein Leben in Handel und Verkehr, wie wir seit vielen Jah¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279732"/> <p xml:id="ID_625" prev="#ID_624"> verändert. Ich schreibe dies in politischer Untersuchungshaft. Dabei gereichte es<lb/> mir zu besonderer Genugthuung, daß ich keine der geäußerten Ansichten zu än¬<lb/> dern, keine der hier ausgesprochenen Ueberzeugungen zurückzunehmen finde. Ich<lb/> habe vielmehr gerade in jenen Maitagen genng Gelegenheit zu Beobachtungen über<lb/> die Natur und die Erscheinungen der fanatischen Geistesstimmung gefunden, welche<lb/> den hier ausgesprochenen Sätzen zur Stütze gereichen. Vielleicht erhöht dies das<lb/> geringe Verdienst dieser Arbeit, mag anch das öffentliche Urtheil über dieselbe<lb/> hente ganz anders ausfallen, als es dazumal lautete.</p><lb/> <note type="byline"> Dr. -öermann Eberhard dichter.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Handelsverkehr und Geld<lb/> an der östreichisch - schlesischen Grenze.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_626" next="#ID_627"> Bei uns ist jetzt ein Leben in Handel und Verkehr, wie wir seit vielen Jah¬<lb/> ren, seit der Bauerninsurrection in Galizien, nicht gehabt haben. Fässer, Kisten<lb/> und Ballen werden aus und eingeladen, die Lokomotive stöhnt, der Frachtfuhrmann<lb/> flucht, die Commis und Agenten flattern vielbeschäftigt und aufgeregt, wie Sper¬<lb/> linge, um den Grenzpfahl. Man kauft wieder in Oestreich; der erste Schimmer<lb/> des zurückkehrenden Vertrauens genügt, um eine colossale Waarenspedition in die<lb/> Handelsplätze des Kaiserstaats hervorzurufen. Freilich drängt den Kaufmann die<lb/> bittere Noth; der Krieg, der gefräßige, hat Alles verzehrt, was von Erzeug¬<lb/> nissen fremder Länder und von einheimischen Produkten ans den Lagern war;<lb/> Ungarn, das Vieles hergab, ist todt, jetzt ist der Wein dort viermal theurer<lb/> als in Wien, die Soldaten haben ihn ausgetrunken und die Fässer zerschlagen;<lb/> sein Getreide haben die Pferde zerstampft und seine Viehheerden sind in die Feld¬<lb/> kessel der Heere gesprungen, nur die Häute der Thiere waren in demselben Ver¬<lb/> hältniß billig, als die Thiere selbst theuer wurden. Aber auch Colonialwaaren,<lb/> Fabrikate und Manufacturarbeiten waren in Oestreich selten geworden und wurden<lb/> in Massen begehrt. Und der Markt von Trieft, der große Hafen Oestreichs für<lb/> die überseeischen Produkte, war durch die Kriegshändel im adriatischen Meer und<lb/> durch das Misere der Zeit muthlos und in seinen Vorräthen lückenhaft geworden.<lb/> So kam es, daß der östreichische Kaufmann nach Norden sah, und daß Breslau<lb/> auf einmal mit Aufträgen und Bestellungen von Galizien, Troppau, Olmütz u. s^ro.<lb/> überschüttet wurde. Und deshalb knarren jetzt an unserer Grenze, die seit Jahren<lb/> fast verlassen war, auf einmal die Näder zahlloser Frachtwagen, und wie durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
verändert. Ich schreibe dies in politischer Untersuchungshaft. Dabei gereichte es
mir zu besonderer Genugthuung, daß ich keine der geäußerten Ansichten zu än¬
dern, keine der hier ausgesprochenen Ueberzeugungen zurückzunehmen finde. Ich
habe vielmehr gerade in jenen Maitagen genng Gelegenheit zu Beobachtungen über
die Natur und die Erscheinungen der fanatischen Geistesstimmung gefunden, welche
den hier ausgesprochenen Sätzen zur Stütze gereichen. Vielleicht erhöht dies das
geringe Verdienst dieser Arbeit, mag anch das öffentliche Urtheil über dieselbe
hente ganz anders ausfallen, als es dazumal lautete.
Dr. -öermann Eberhard dichter.
Handelsverkehr und Geld
an der östreichisch - schlesischen Grenze.
Bei uns ist jetzt ein Leben in Handel und Verkehr, wie wir seit vielen Jah¬
ren, seit der Bauerninsurrection in Galizien, nicht gehabt haben. Fässer, Kisten
und Ballen werden aus und eingeladen, die Lokomotive stöhnt, der Frachtfuhrmann
flucht, die Commis und Agenten flattern vielbeschäftigt und aufgeregt, wie Sper¬
linge, um den Grenzpfahl. Man kauft wieder in Oestreich; der erste Schimmer
des zurückkehrenden Vertrauens genügt, um eine colossale Waarenspedition in die
Handelsplätze des Kaiserstaats hervorzurufen. Freilich drängt den Kaufmann die
bittere Noth; der Krieg, der gefräßige, hat Alles verzehrt, was von Erzeug¬
nissen fremder Länder und von einheimischen Produkten ans den Lagern war;
Ungarn, das Vieles hergab, ist todt, jetzt ist der Wein dort viermal theurer
als in Wien, die Soldaten haben ihn ausgetrunken und die Fässer zerschlagen;
sein Getreide haben die Pferde zerstampft und seine Viehheerden sind in die Feld¬
kessel der Heere gesprungen, nur die Häute der Thiere waren in demselben Ver¬
hältniß billig, als die Thiere selbst theuer wurden. Aber auch Colonialwaaren,
Fabrikate und Manufacturarbeiten waren in Oestreich selten geworden und wurden
in Massen begehrt. Und der Markt von Trieft, der große Hafen Oestreichs für
die überseeischen Produkte, war durch die Kriegshändel im adriatischen Meer und
durch das Misere der Zeit muthlos und in seinen Vorräthen lückenhaft geworden.
So kam es, daß der östreichische Kaufmann nach Norden sah, und daß Breslau
auf einmal mit Aufträgen und Bestellungen von Galizien, Troppau, Olmütz u. s^ro.
überschüttet wurde. Und deshalb knarren jetzt an unserer Grenze, die seit Jahren
fast verlassen war, auf einmal die Näder zahlloser Frachtwagen, und wie durch
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