Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Im Anfall selbst sind zwei Behandlungsweisen möglich: eine thätig ein¬ Beim einschreitenden Verfahren sucht man die fanatische Geistesregung Die zweite BeHandlungsweise ist die zuwartende, ex spectative. Sie Außer dem Anfalle, theils nachbehandelnd, theils vorbauend, Grenzboten. lo. 184S. 23
Im Anfall selbst sind zwei Behandlungsweisen möglich: eine thätig ein¬ Beim einschreitenden Verfahren sucht man die fanatische Geistesregung Die zweite BeHandlungsweise ist die zuwartende, ex spectative. Sie Außer dem Anfalle, theils nachbehandelnd, theils vorbauend, Grenzboten. lo. 184S. 23
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Im Anfall selbst sind zwei Behandlungsweisen möglich: eine thätig ein¬
schreitende und eine geduldig abwartende.
Beim einschreitenden Verfahren sucht man die fanatische Geistesregung
gewaltsam zu unterdrücken. Es ist nicht zu leugnen, daß dies möglich ist, und
wo es gelingt, etwa so wirkt, wie ein Sturzbad bei tobsüchtiger Aufregung.
Durch Niederwerfen des exaltirten Geistes, durch das in ihm erzeugte Gefühl
der äußern Abhängigkeit dämpft man die Leidenschaft, bricht man den Muth und
macht, daß der Verstand sich auf wirkliche Dinge richtet. In politischen und
religiösen Krisen geschieht dies durch Pulver und Blei, Einsperrung und Kriegsnoth.
Es leuchtet ein, für welche einzelnen Fälle des Fanatismus dies Verfahren paßt,
nämlich für die sanguinischen Fanatiker und für die ungebildeten Mitläufer. Bei
dem ächten energischen Fanatismus nutzt das Rcpressivverfahren nichts; es macht
ihn nur hartnäckiger. Dieses Verfahren ist aber die Lieblingsmethode der politischen
und religiösen Quacksalber; ja, oft zeigt uns die Geschichte, wie ein Fanatiker
über den Anderen zu Gerichte sitzt, und diese Fälle sind es, wo die Geschichte
von deu gräßlichsten, der Menschheit zu ewiger Schande gereichenden Greuelthaten
erzählt; wo die Kur zu geistiger Tödtung, zu jahrhundertelanger Stumpfsinnigkeit
geführt hat. — Wollen wir an dem Fortschritte des Menschengeschlechts zur ächten
Humanität und Sittlichkeit nicht verzweifeln, so müssen wir hoffen, daß eine
Zeit kommen wird, wo man den Fanatiker als einen Geisteskran¬
ken behandelt, wo man über ihn die Stimme des Arztes befragt und seine
Strafe nicht nach dem Maße seiner Unthaten als Rache dictirt, sondern nach dem
Heilungsbedürfnisse seines Seelenzustandes, nach ärztliche« Anzeigen abmißt.
Die zweite BeHandlungsweise ist die zuwartende, ex spectative. Sie
hat überall den Vorzug, wo sie ohne Gefahr ins Werk gesetzt werden kann,
inhaltlose Allgemeinheiten nutzen sich sehr schnell ab: so anch die Stichworte der
Dogmatiker, die Phrasen der Politiker. Ueberschwenglichkeit zieht Abspannung
nach sich, oder beschränkt sich selbst durch Lächerlichwerden. Auch erscheinen viele
Glaubensgegenstände bei dem ersten Versuche, sie ins Leben überzuführen, sofort
als unpraktisch, ja albern und unausstehlich, z. B. Güter- und Weibergemein-
schaft, theokratisches Gemeinwesen. — Oft nutzt sich auch der Fanatismus durch
Erlöschen seiner ursächlichen Veranlassungen ab: den gekränkten Ehrgeiz tröstet
eine erlangte Stelle, der Geldnoth wird durch besseren Verdienst abgeholfen und
durch Steigen der Börsencourse beruhigt sich der Fanatiker der Ruhe. — Diese
Beispiele kann auch die Behandlung nachahmen; übrigens behüte sie den Fana¬
tiker und seine Umgebung vor Schaden und leite die gleich zu erwähnenden Ma߬
regeln ein.
Außer dem Anfalle, theils nachbehandelnd, theils vorbauend,
'° sich schon Vorboten des Fanatismus zeigen, ist die Hauptaufgabe, die Quot¬
en des Fanatismus zu verstopfen. Diese sind die Leidenschaftlichkeit, dieOrtho-
Grenzboten. lo. 184S. 23
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