Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.ein anderer Leipziger folgt. Das Buch von Biedermann ist ein erfreuliches und Dieser Charakteristik der Parteien und ihrer Thätigkeit folgen Portraits ihrer Wir empfehlen dies Buch, eine Skizze des Parteilebens in der National¬ ein anderer Leipziger folgt. Das Buch von Biedermann ist ein erfreuliches und Dieser Charakteristik der Parteien und ihrer Thätigkeit folgen Portraits ihrer Wir empfehlen dies Buch, eine Skizze des Parteilebens in der National¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279720"/> <p xml:id="ID_580" prev="#ID_579"> ein anderer Leipziger folgt. Das Buch von Biedermann ist ein erfreuliches und<lb/> interessantes Gegenstück zu Laube's Geschichte des Parlaments. Es hat nicht nur<lb/> das Verdienst uns zu zeigen, wie der gebildete Historiker, ein angesehenes und<lb/> vielbeschäftigtes Mitglied des Parlaments, jene Verhältnisse und Personen betrach¬<lb/> tet, auf die er selbst nicht unbedeutenden Einfluß geübt hat, sondern es ergänzt<lb/> auch sehr glücklich und vollständig die Schilderung, welche wir Laube verdanken.<lb/> Biedermann führt den Leser hinter die Coulissen des großen Hauses; er hat sich<lb/> die Aufgabe gestellt, die Entstehung, Thätigkeit und Politik der einzelnen Partei-<lb/> genvssenschaften, in welche die Versammlung zerfiel, darzustellen; den Einfluß, wel¬<lb/> chen die einzelnen Klubbs aus die wichtigsten Fragen ausgeübt, zu bestimmen, und<lb/> die große Schlußkatastrophe des Parlaments in ihrem innern Verlauf aus den<lb/> Veränderungen der Parteien zu erklären.</p><lb/> <p xml:id="ID_581"> Dieser Charakteristik der Parteien und ihrer Thätigkeit folgen Portraits ihrer<lb/> Mitglieder, keine irgend erwähnnngswerthe Person der Nationalversammlung bleibt<lb/> unbeschrieben und jede erscheint im Zusammenhang mit ihren Parteigenossen.<lb/> Das milde, verständige Urtheil des Verfassers weiß zu schonen, ohne zu verschwei¬<lb/> gen, und mit Vergnügen wird der Leser unserer Partei aus der einfachen Charak¬<lb/> teristik erkennen, wie dieselbe fast überall die allgemeine Ansicht der Versammlung<lb/> über die Einzelnen hinter sich hat. Natürlich nur die Ansicht unserer Partei<lb/> welche mau jetzt die Gothaer zu nennen pflegt; doch versteht Biedermann auch sei¬<lb/> nen Gegnern gerecht zu werden, und gegen die Wahrheit der Portraits von Ra-<lb/> veaux, Ludwig Simon u. s. w. würde auch die Linke nicht viel einwenden können.<lb/> Es folgt ans dem Zwecke seiner Darstellung und vielleicht aus seiner Eigenthüm¬<lb/> lichkeit, daß er die Einzelnen weniger in ihrer dramatischen Erscheinung auf der<lb/> Rednerbühne schildert, als nach ihrem Einfluß auf ihre Partei und ihrer Nütz¬<lb/> lichkeit für die gute Sache; bei solcher pragmatischen Darstellung kommt das In¬<lb/> dividuum in der Regel nicht schlecht weg. Mit der höchsten Liebe und Verehrung<lb/> hängt der Verfasser an Heinrich von Gngern, er ist mehr gefeiert als beurtheilt;<lb/> aber auch das wird dem Leser wohl thu». — Denn es erfreut in diesem schlaffen,<lb/> mäkelnden und mißtrauischen Jahre, wei.n man irgendwo einer recht warmen und<lb/> innigen Liebe zu einzelnen Menschen begegnet; wir Deutsche haben so sehr das<lb/> Bedürfniß zu lieben und zu verehren, und wir sind jetzt vielleicht grade deshalb<lb/> so verstimmt und traurig, weil wir so wenig Veranlassung dazu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_582"> Wir empfehlen dies Buch, eine Skizze des Parteilebens in der National¬<lb/> versammlung, unseren Lesern angelegentlich; es soll dem deutschen Volk nicht nur<lb/> eine wehmüthige Freude sein, seine Helden und -ihr Thun geschildert zu sehen;<lb/> diese Beschreibung kann ihm auch für die Zukunft nützlich werden; denn es lehrt<lb/> Vorzüge und Schwächen seiner Wahlkandidaten kennen, welche man aus den steno¬<lb/> graphischen Berichten nicht immer herausliest.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0172]
ein anderer Leipziger folgt. Das Buch von Biedermann ist ein erfreuliches und
interessantes Gegenstück zu Laube's Geschichte des Parlaments. Es hat nicht nur
das Verdienst uns zu zeigen, wie der gebildete Historiker, ein angesehenes und
vielbeschäftigtes Mitglied des Parlaments, jene Verhältnisse und Personen betrach¬
tet, auf die er selbst nicht unbedeutenden Einfluß geübt hat, sondern es ergänzt
auch sehr glücklich und vollständig die Schilderung, welche wir Laube verdanken.
Biedermann führt den Leser hinter die Coulissen des großen Hauses; er hat sich
die Aufgabe gestellt, die Entstehung, Thätigkeit und Politik der einzelnen Partei-
genvssenschaften, in welche die Versammlung zerfiel, darzustellen; den Einfluß, wel¬
chen die einzelnen Klubbs aus die wichtigsten Fragen ausgeübt, zu bestimmen, und
die große Schlußkatastrophe des Parlaments in ihrem innern Verlauf aus den
Veränderungen der Parteien zu erklären.
Dieser Charakteristik der Parteien und ihrer Thätigkeit folgen Portraits ihrer
Mitglieder, keine irgend erwähnnngswerthe Person der Nationalversammlung bleibt
unbeschrieben und jede erscheint im Zusammenhang mit ihren Parteigenossen.
Das milde, verständige Urtheil des Verfassers weiß zu schonen, ohne zu verschwei¬
gen, und mit Vergnügen wird der Leser unserer Partei aus der einfachen Charak¬
teristik erkennen, wie dieselbe fast überall die allgemeine Ansicht der Versammlung
über die Einzelnen hinter sich hat. Natürlich nur die Ansicht unserer Partei
welche mau jetzt die Gothaer zu nennen pflegt; doch versteht Biedermann auch sei¬
nen Gegnern gerecht zu werden, und gegen die Wahrheit der Portraits von Ra-
veaux, Ludwig Simon u. s. w. würde auch die Linke nicht viel einwenden können.
Es folgt ans dem Zwecke seiner Darstellung und vielleicht aus seiner Eigenthüm¬
lichkeit, daß er die Einzelnen weniger in ihrer dramatischen Erscheinung auf der
Rednerbühne schildert, als nach ihrem Einfluß auf ihre Partei und ihrer Nütz¬
lichkeit für die gute Sache; bei solcher pragmatischen Darstellung kommt das In¬
dividuum in der Regel nicht schlecht weg. Mit der höchsten Liebe und Verehrung
hängt der Verfasser an Heinrich von Gngern, er ist mehr gefeiert als beurtheilt;
aber auch das wird dem Leser wohl thu». — Denn es erfreut in diesem schlaffen,
mäkelnden und mißtrauischen Jahre, wei.n man irgendwo einer recht warmen und
innigen Liebe zu einzelnen Menschen begegnet; wir Deutsche haben so sehr das
Bedürfniß zu lieben und zu verehren, und wir sind jetzt vielleicht grade deshalb
so verstimmt und traurig, weil wir so wenig Veranlassung dazu haben.
Wir empfehlen dies Buch, eine Skizze des Parteilebens in der National¬
versammlung, unseren Lesern angelegentlich; es soll dem deutschen Volk nicht nur
eine wehmüthige Freude sein, seine Helden und -ihr Thun geschildert zu sehen;
diese Beschreibung kann ihm auch für die Zukunft nützlich werden; denn es lehrt
Vorzüge und Schwächen seiner Wahlkandidaten kennen, welche man aus den steno¬
graphischen Berichten nicht immer herausliest.
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