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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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neral, Damjanich. General Unlieb, v. Dcssefh n. s. w.; Männer, die, ohne an den
politischen Fäden der ungarischen Erhebung angesponnen zu haben, mit dem Gros
des ungarischen Militärs, in welchem sie zufällig dienten, der zeitweiligen unga¬
rischen Regierung gehorchend, einen Krieg kämpften, der aus einer allgemeinen,
durch das'östreichische Cabinet eben sowohl wie durch die magyarische Partei ver¬
schuldeten Begriffsverwirrung entsprungen war; Männer, deren Namen zum Theil
in der ungarischen Kriegsgeschichte mit Auszeichnung genannt wurden, und denen
die kaiserlichen Generale wie ebenbürtigen Feinden mit Achtung zu begegnen ge¬
wohnt waren. Ferner sind unter den Hingerichteten zwei Civilbeamte der unga¬
rischen Regierung, ein Geistlicher, der GncrillashäuptlingFckkete und endlich der,
seiner Zeit vom Kaiser Ferdinand bestätigte Ministerpräsident, Graf Louis Bat-
thyaui. Keiner von ihnen war irgend einer Schuld an der Ermordung Latour's
angeklagt, doch wurden fünfzehn derselben zur Feier des Tages, am v. Octo-
ber gehängt und erschossen. Eine Sühne im echten Geiste christlich kroatischer
Weltanschauung!

Es fällt mir nicht ein, zu behaupten, daß die Unglücklichen völlig schuldlos waren,
so wenig wie ich entscheiden mag, ob der Geistliche, welcher Kossuth's Proklama¬
tionen von der Kanzel zu verkündigen hatte, der freiwillige Anführer wilder Roß-
Hirten und der von nationalem Patriotismus verblendete Münster wirklich an ei¬
nen und deuselben Galgen gehörten. Möglich, sogar wahrscheinlich, daß der Buch¬
stabe des Gesetzes Allen den gleichen Strick zuerkannt. Aber dieses Gesetz, und
seine Ausleger und Vollstrecker sind im Laufe des Jahres 184!" von der öffent¬
lichen Meinung ganz Europas gebrandmarkt worden. Unsere Kriegsgerichte siud
heimlich, den Angeklagten steht kein Vertheidiger zur Seite, die UrtelSsprüche
sind lakonisch oder konfus, die Motivirung pflegt so vage zu sein, daß sie in ein
Gesammturtheil über ganze Regimenter oder Stadtbcvvlkerungcu passen würde,
die Angabe mildernden oder erschwerender Umstände pflegt zu fehlen oder höchst
unbefriedigend auszufallen.

Das Strafgesetzbuch endlich (die hochnothpeinliche thercsianische Gerichtsord¬
nung), aus hundertjährigem Schlummer durch deu Terrorismus der Reaction
auferweckt, steht in so barbarischem Widerspruch mit deutschen und östreichischen
Grundrechten, daß es, aus alttürkisch, deu "Hochverräther" noch in seiner Wittwe
und in seinen Waisen straft. Wie zu Tököli'S und Nakvczv/s Zeiten, wird die
Confiscation "seines gesammten beweglichen und unbeweglichen, wo
immer befindlichen Vermögens" verhängt. Unsere Militärjnstiz ist von
allen Stand- und Gesichtspunkten der verschiedensten politischen Parteien verur¬
theilt worden; selbst die pechschwarz-schivefelgclben Organe des patriarchalischen Ab-
solutismus konnten sich nicht enthalten, über die Principlosigkeit und Jncvnse-
".uenz der Kriegsgerichte den Kopf zu schütteln, denn im Laufe dieses Jahres haben
einige hundert Beispiele gezeigt, daß in Oestreich das Schicksal des Individuums


neral, Damjanich. General Unlieb, v. Dcssefh n. s. w.; Männer, die, ohne an den
politischen Fäden der ungarischen Erhebung angesponnen zu haben, mit dem Gros
des ungarischen Militärs, in welchem sie zufällig dienten, der zeitweiligen unga¬
rischen Regierung gehorchend, einen Krieg kämpften, der aus einer allgemeinen,
durch das'östreichische Cabinet eben sowohl wie durch die magyarische Partei ver¬
schuldeten Begriffsverwirrung entsprungen war; Männer, deren Namen zum Theil
in der ungarischen Kriegsgeschichte mit Auszeichnung genannt wurden, und denen
die kaiserlichen Generale wie ebenbürtigen Feinden mit Achtung zu begegnen ge¬
wohnt waren. Ferner sind unter den Hingerichteten zwei Civilbeamte der unga¬
rischen Regierung, ein Geistlicher, der GncrillashäuptlingFckkete und endlich der,
seiner Zeit vom Kaiser Ferdinand bestätigte Ministerpräsident, Graf Louis Bat-
thyaui. Keiner von ihnen war irgend einer Schuld an der Ermordung Latour's
angeklagt, doch wurden fünfzehn derselben zur Feier des Tages, am v. Octo-
ber gehängt und erschossen. Eine Sühne im echten Geiste christlich kroatischer
Weltanschauung!

Es fällt mir nicht ein, zu behaupten, daß die Unglücklichen völlig schuldlos waren,
so wenig wie ich entscheiden mag, ob der Geistliche, welcher Kossuth's Proklama¬
tionen von der Kanzel zu verkündigen hatte, der freiwillige Anführer wilder Roß-
Hirten und der von nationalem Patriotismus verblendete Münster wirklich an ei¬
nen und deuselben Galgen gehörten. Möglich, sogar wahrscheinlich, daß der Buch¬
stabe des Gesetzes Allen den gleichen Strick zuerkannt. Aber dieses Gesetz, und
seine Ausleger und Vollstrecker sind im Laufe des Jahres 184!» von der öffent¬
lichen Meinung ganz Europas gebrandmarkt worden. Unsere Kriegsgerichte siud
heimlich, den Angeklagten steht kein Vertheidiger zur Seite, die UrtelSsprüche
sind lakonisch oder konfus, die Motivirung pflegt so vage zu sein, daß sie in ein
Gesammturtheil über ganze Regimenter oder Stadtbcvvlkerungcu passen würde,
die Angabe mildernden oder erschwerender Umstände pflegt zu fehlen oder höchst
unbefriedigend auszufallen.

Das Strafgesetzbuch endlich (die hochnothpeinliche thercsianische Gerichtsord¬
nung), aus hundertjährigem Schlummer durch deu Terrorismus der Reaction
auferweckt, steht in so barbarischem Widerspruch mit deutschen und östreichischen
Grundrechten, daß es, aus alttürkisch, deu „Hochverräther" noch in seiner Wittwe
und in seinen Waisen straft. Wie zu Tököli'S und Nakvczv/s Zeiten, wird die
Confiscation „seines gesammten beweglichen und unbeweglichen, wo
immer befindlichen Vermögens" verhängt. Unsere Militärjnstiz ist von
allen Stand- und Gesichtspunkten der verschiedensten politischen Parteien verur¬
theilt worden; selbst die pechschwarz-schivefelgclben Organe des patriarchalischen Ab-
solutismus konnten sich nicht enthalten, über die Principlosigkeit und Jncvnse-
".uenz der Kriegsgerichte den Kopf zu schütteln, denn im Laufe dieses Jahres haben
einige hundert Beispiele gezeigt, daß in Oestreich das Schicksal des Individuums


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/161>, abgerufen am 15.01.2025.