Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.stände, daß vielleicht mancher deutsche Bettler Anstand genommen haben würde, sie Die Uniformirnng der Gemeinen besteht aus einem langen bis zu den Füßen In manche" Beziehungen steht der gemeine Soldat selbst dem Thiere noch stände, daß vielleicht mancher deutsche Bettler Anstand genommen haben würde, sie Die Uniformirnng der Gemeinen besteht aus einem langen bis zu den Füßen In manche» Beziehungen steht der gemeine Soldat selbst dem Thiere noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279674"/> <p xml:id="ID_409" prev="#ID_408"> stände, daß vielleicht mancher deutsche Bettler Anstand genommen haben würde, sie<lb/> an seinen Leib zu legen. Seine Waffcnstücke, besonders der gewaltige Säbel,<lb/> harmonirten mit dem uralischen Gesicht, indem jener so wenig der. Gebrauch des<lb/> Putzpulvers als dieses den Gebrauch der Seife verrieth. Das war ein Capitän;<lb/> an seinem Burschen waren die Beinkleider aus Flicken zusammengesetzt. —</p><lb/> <p xml:id="ID_410"> Die Uniformirnng der Gemeinen besteht aus einem langen bis zu den Füßen<lb/> hinabreichenden schlafrvckartigcn braunen Kittel, einer roth umstreiflen grünen oder<lb/> blauen Mütze und groben weiten Leinwaudbeinkleidern. In diesen Kleidungsstücken<lb/> findet man den russischen Soldaten im Sommer wie im Winter, beim Exerciren<lb/> und beim Müssiggehen. Eine bessere Uniform, welche in grauen Beinkleidern und<lb/> eiuer Art Frack besteht, bekommt er nur bei hohen Festen und Paraden; doch<lb/> befinden sich diese besseren Montirungsstücke außer bei dem Gebrauche derselben<lb/> nie in seineu Händen. Das Tuch zu den Montirungsstücken der Gemeinen ist das<lb/> gröbste, welches man auf Erden finden kann. Das zu Mänteln, Mützen und<lb/> den Paradebeinkleidern wird nicht einmal aus reiner Wolle verfertigt, sondern aus<lb/> einem Halbgemisch von Wolle und Kuhhaaren, daher es denn dem groben Filze<lb/> gleicht. Bei der Kavallerie machen die scharf abstechenden Farben die schlechte<lb/> Qualität der Bekleidungsstücke weniger bemerkbar, dagegen muß man beim ersten<lb/> Blicke auf einen Jnfanteristen, der, die Leinwandbeinkleider in die plumpen kur¬<lb/> zen Stiefel hineingestopft, in seinem langen braunen schuittloseu Filzkittel wie ein<lb/> Züchtling vorüber humpelt, die Bemerkung machen, daß die Regierung den ge¬<lb/> meinen Soldaten kaum so hochachtet als das Pferd, welches sie vor die Kanonen<lb/> spannen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_411" next="#ID_412"> In manche» Beziehungen steht der gemeine Soldat selbst dem Thiere noch<lb/> nach, z. B. in der Pflege seines Körpers. Er reinigt sich ohne Zwang nie, und<lb/> da der Zwang bei so großen Massen doch nicht alltäglich in Ausübung gebracht<lb/> werden kann, so hat er fast stets ein Ansehen, als ob er ein Mann der heißen<lb/> Zone wäre. Die graubraune Gesichtsfarbe ist keinesweges eine natürliche. Des Gesund¬<lb/> heitszustandes halber hat sich die Regierung in's Mittel schlagen und Anstalten<lb/> errichten müssen, in welchen große Massen auf ein Mal gereinigt werden können.<lb/> Dies sind die russischen Dampfbadehäuser. Vorschriftsmäßig werden die Soldaten<lb/> alle acht, mindestens alle vierzehn Tage zur Reinigung in die Dampfbäder ge¬<lb/> trieben, außerdem jedes Mal vor großen Kirchenfesten, Festen des kaiserlichen<lb/> Hofes und großen Paraden. Es ist ein eigenthümliches Schauspiel, an den be¬<lb/> stimmten Tagen Rußlands Stütze und Stolz, compagnieweise und in Reihe und<lb/> Glied in das Dampfbad treiben zu sehen. Jeder der schmutzigen Burschen trägt<lb/> in der einen Hand ein weißes Hemd, in der andern einen Besen von Birkenrei¬<lb/> sig, mit welchem er im Bade den in der Compagnie hinter ihm stehenden Mann<lb/> reinigen muß, so wie dieser ihn als seinen Vordermann. In Warschau und an¬<lb/> deren Städten, die eine starke Besatzung haben, sind .mehrere Badehäuser eingerich-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
stände, daß vielleicht mancher deutsche Bettler Anstand genommen haben würde, sie
an seinen Leib zu legen. Seine Waffcnstücke, besonders der gewaltige Säbel,
harmonirten mit dem uralischen Gesicht, indem jener so wenig der. Gebrauch des
Putzpulvers als dieses den Gebrauch der Seife verrieth. Das war ein Capitän;
an seinem Burschen waren die Beinkleider aus Flicken zusammengesetzt. —
Die Uniformirnng der Gemeinen besteht aus einem langen bis zu den Füßen
hinabreichenden schlafrvckartigcn braunen Kittel, einer roth umstreiflen grünen oder
blauen Mütze und groben weiten Leinwaudbeinkleidern. In diesen Kleidungsstücken
findet man den russischen Soldaten im Sommer wie im Winter, beim Exerciren
und beim Müssiggehen. Eine bessere Uniform, welche in grauen Beinkleidern und
eiuer Art Frack besteht, bekommt er nur bei hohen Festen und Paraden; doch
befinden sich diese besseren Montirungsstücke außer bei dem Gebrauche derselben
nie in seineu Händen. Das Tuch zu den Montirungsstücken der Gemeinen ist das
gröbste, welches man auf Erden finden kann. Das zu Mänteln, Mützen und
den Paradebeinkleidern wird nicht einmal aus reiner Wolle verfertigt, sondern aus
einem Halbgemisch von Wolle und Kuhhaaren, daher es denn dem groben Filze
gleicht. Bei der Kavallerie machen die scharf abstechenden Farben die schlechte
Qualität der Bekleidungsstücke weniger bemerkbar, dagegen muß man beim ersten
Blicke auf einen Jnfanteristen, der, die Leinwandbeinkleider in die plumpen kur¬
zen Stiefel hineingestopft, in seinem langen braunen schuittloseu Filzkittel wie ein
Züchtling vorüber humpelt, die Bemerkung machen, daß die Regierung den ge¬
meinen Soldaten kaum so hochachtet als das Pferd, welches sie vor die Kanonen
spannen läßt.
In manche» Beziehungen steht der gemeine Soldat selbst dem Thiere noch
nach, z. B. in der Pflege seines Körpers. Er reinigt sich ohne Zwang nie, und
da der Zwang bei so großen Massen doch nicht alltäglich in Ausübung gebracht
werden kann, so hat er fast stets ein Ansehen, als ob er ein Mann der heißen
Zone wäre. Die graubraune Gesichtsfarbe ist keinesweges eine natürliche. Des Gesund¬
heitszustandes halber hat sich die Regierung in's Mittel schlagen und Anstalten
errichten müssen, in welchen große Massen auf ein Mal gereinigt werden können.
Dies sind die russischen Dampfbadehäuser. Vorschriftsmäßig werden die Soldaten
alle acht, mindestens alle vierzehn Tage zur Reinigung in die Dampfbäder ge¬
trieben, außerdem jedes Mal vor großen Kirchenfesten, Festen des kaiserlichen
Hofes und großen Paraden. Es ist ein eigenthümliches Schauspiel, an den be¬
stimmten Tagen Rußlands Stütze und Stolz, compagnieweise und in Reihe und
Glied in das Dampfbad treiben zu sehen. Jeder der schmutzigen Burschen trägt
in der einen Hand ein weißes Hemd, in der andern einen Besen von Birkenrei¬
sig, mit welchem er im Bade den in der Compagnie hinter ihm stehenden Mann
reinigen muß, so wie dieser ihn als seinen Vordermann. In Warschau und an¬
deren Städten, die eine starke Besatzung haben, sind .mehrere Badehäuser eingerich-
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