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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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jetzt weit mehr als den doppelten Cours ihres Nominalwerthes. Die Gefahren
und Verluste, welche Oestreich seit dem März 1848 bedrohten, haben der Na-
tionalbank reiche Zinsen getragen.

Die Beziehungen des Staates zur Bank sind einfach damit geregelt, wenn
letztere unabhängig und selbstständig die Interessen der Bauknoteninhaber,
nicht der Bankactieninhaber allein vertritt; wenn sie nur mit ihrem effectiven
Vermögen gebahren darf, statt aus dem Schweiße des Taglöhners Prozente zu
gewinnen; wenn sie, so wie jeder private Gewerbsmann vor das Strafgericht
gezogen wird, sobald ihre Spekulationen den reellen Boden verlassen, ob nun ein
Banquier oder der Staat ihre Mittel in Anspruch nimmt. Bedurfte es erst der
Anordnung des Kaisers, daß der Staat nicht mehr die Bank zur Vermehrung
der Banknoten in Anspruch nehmen darf? Welcher Privatmann darf, nachdem er
sich insolvent erklärte, neue Wechsel ausstellen? Die privilegirte Bank kann ihre
Noten nicht einwechseln, und gibt Millionen neue aus, uuter den Augen und mit
Billigung des Ministeriums. Hiedurch wurde das Vertrauen der Geldwelt tieser
untergraben, als durch deu Wahu einer Zerstückelung Oestreichs. In den be¬
drängten Monaten der Erwerblvstgkeit verschloß die Nationalbank ihren Silber-
brnnueu, und während die Massen bürsteten, leitete der Minister einen Canal in
die Bank, aus dein die Barren und Stangen für seine Zwecke hinausströmten. Die
Direction der Bank, statt die Interessen der Nation nud deö allgemeinen Wohles
zu vertreten, machte das Institut zum Werkzeug des Ministers, und diese selbe
Direction soll noch ferner über das Wohl und Wehe der Millionen abzustimmen
haben. Das erweckt kein Vertrauen!

Der Minister bekennt in seinem Vortrage, daß alle Provinzen Klagen gegen
die Nationalbank richteten, besonders die Handel- nud Gewerbtreibenden; aber der
Minister fertigt diese Beschwerden mit der Vertröstung ab, "sie verdienen eine
Untersuchung, Erwägung und Erörterung." Mit vorzüglicher Gönnerschaft fügt
aber Baron Kraus hinzu, daß eine Verstärkung des Fondes nöthig sei, wenn die
Bank alleu Anforderungen genügen soll. Der Mangel an Fond wurde erst dann
bemerkbar, als die Bank ihre anfängliche Bestimmung verließ, und statt die Ge¬
schäfte einer Nationalbank die Dienste einer Staatsbank übernahm. Millionen
über Millionen würden der Nationalbank zuströmen, wenn sie ihren Zweck unver-
rückt im Auge behält: der Industrie, dem Gewerbe, dem Verkehr ihre Reichthü¬
mer und Privilegien zu widmen; es bedarf keiner Einwirkung des Staates, son¬
dern blos einer Beaufsichtigung desselben. Das neuerwachende Geschäftsleben nach
so langem Stillstande sucht nach Mitteln und Kräften; aber es findet sie nicht bei
der Bank, die sich an die Ruder des Staates schmieden ließ, und so leidet der
Strumpfwirker, wenn ein politisches Diner mißglückt.

Der Kaiser soll eine Commission aus Vertrauensmännern einberufen, um Ent¬
würfe zur Besserung des Geldwesens zu berathen mit vorzulegen; allein diese


jetzt weit mehr als den doppelten Cours ihres Nominalwerthes. Die Gefahren
und Verluste, welche Oestreich seit dem März 1848 bedrohten, haben der Na-
tionalbank reiche Zinsen getragen.

Die Beziehungen des Staates zur Bank sind einfach damit geregelt, wenn
letztere unabhängig und selbstständig die Interessen der Bauknoteninhaber,
nicht der Bankactieninhaber allein vertritt; wenn sie nur mit ihrem effectiven
Vermögen gebahren darf, statt aus dem Schweiße des Taglöhners Prozente zu
gewinnen; wenn sie, so wie jeder private Gewerbsmann vor das Strafgericht
gezogen wird, sobald ihre Spekulationen den reellen Boden verlassen, ob nun ein
Banquier oder der Staat ihre Mittel in Anspruch nimmt. Bedurfte es erst der
Anordnung des Kaisers, daß der Staat nicht mehr die Bank zur Vermehrung
der Banknoten in Anspruch nehmen darf? Welcher Privatmann darf, nachdem er
sich insolvent erklärte, neue Wechsel ausstellen? Die privilegirte Bank kann ihre
Noten nicht einwechseln, und gibt Millionen neue aus, uuter den Augen und mit
Billigung des Ministeriums. Hiedurch wurde das Vertrauen der Geldwelt tieser
untergraben, als durch deu Wahu einer Zerstückelung Oestreichs. In den be¬
drängten Monaten der Erwerblvstgkeit verschloß die Nationalbank ihren Silber-
brnnueu, und während die Massen bürsteten, leitete der Minister einen Canal in
die Bank, aus dein die Barren und Stangen für seine Zwecke hinausströmten. Die
Direction der Bank, statt die Interessen der Nation nud deö allgemeinen Wohles
zu vertreten, machte das Institut zum Werkzeug des Ministers, und diese selbe
Direction soll noch ferner über das Wohl und Wehe der Millionen abzustimmen
haben. Das erweckt kein Vertrauen!

Der Minister bekennt in seinem Vortrage, daß alle Provinzen Klagen gegen
die Nationalbank richteten, besonders die Handel- nud Gewerbtreibenden; aber der
Minister fertigt diese Beschwerden mit der Vertröstung ab, „sie verdienen eine
Untersuchung, Erwägung und Erörterung." Mit vorzüglicher Gönnerschaft fügt
aber Baron Kraus hinzu, daß eine Verstärkung des Fondes nöthig sei, wenn die
Bank alleu Anforderungen genügen soll. Der Mangel an Fond wurde erst dann
bemerkbar, als die Bank ihre anfängliche Bestimmung verließ, und statt die Ge¬
schäfte einer Nationalbank die Dienste einer Staatsbank übernahm. Millionen
über Millionen würden der Nationalbank zuströmen, wenn sie ihren Zweck unver-
rückt im Auge behält: der Industrie, dem Gewerbe, dem Verkehr ihre Reichthü¬
mer und Privilegien zu widmen; es bedarf keiner Einwirkung des Staates, son¬
dern blos einer Beaufsichtigung desselben. Das neuerwachende Geschäftsleben nach
so langem Stillstande sucht nach Mitteln und Kräften; aber es findet sie nicht bei
der Bank, die sich an die Ruder des Staates schmieden ließ, und so leidet der
Strumpfwirker, wenn ein politisches Diner mißglückt.

Der Kaiser soll eine Commission aus Vertrauensmännern einberufen, um Ent¬
würfe zur Besserung des Geldwesens zu berathen mit vorzulegen; allein diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/12>, abgerufen am 15.01.2025.