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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Gebildete. Es handelt sich jetzt um mehr als vor dem März 48: e§ handelt sich
darum, ob wir fortfahren sollen, in der Reihe der unabhängigen Staaten eine
Stelle zu finden, oder ob wir dem Schicksal Italiens verfallen. Die einzige Macht,
die uns davor noch bewahren kann, weil sie wenigstens noch gerüstet dasteht, ist
Preußen. Wer sich jetzt außerhalb des wirklichen Staats stellt, um seiner Cava-
lierparvle nichts zu vergeben, um nicht der Inconsequenz geziehen zu werden --
in derselben Art, wie man diejenigen, die nach der Revolution reaktionär waren
gegen das Fieber der Demokratie, wie sie vorher oppositionell gewesen gegen den
Absolutismus, der Apostasie beschuldigte, weil sie die Localitäten gewechselt hatten
-- der ist nicht etwa neutral, er treibt vielmehr, so viel an ihm ist, den Staat
in die Netze der neuen Preußischen, in die Netze der heiligen Allianz, und er
trägt mit die Verantwortung für den Fall des Vaterlandes.




Die Versammlung in Gotha.



Wer am 2t>. Juni über Erfurt zur Versammlung der Wcidenbuschpartei reiste,
wurde auf dem Eisenbahnperron dieser Festung lebhaft daran erinnert, daß der
Zweck seiner Partei, die kämpfenden Gegensätze unseres Vaterlandes durch das
.Gesetz eiuer starken staatlichen Einheit zu binden, grade jetzt eben so viel Schwie¬
rigkeit als Verdienst habe. Denn längs der Wagenreihe des anhaltenden Zuges
war eine bedenkliche Svldatcnschaar aufgestellt, wahrscheinlich als Soutien für
zahlreiche Polizeibeamte, welche in den Waggons und aus dem Gauge verdächtige
Gesichter, Röcke und Hüte anhielten und uach ihrer Legitimation fragten. Es
war nämlich von Gotha die Anzeige eingelaufen, daß demokratische Ruhestörer den
Entschluß gefaßt hätten, die friedliche Versammlung zu sprengen. Man fürchtete
Zuzug auf der Eisenbahn, die Truppen waren ausgestellt ihn zu verhindern.

Gotha lag nach einem Regentage im Abendschein so freundlich da, wie es
sich für eine kleine Residenz in Thüringen schickt. Die grünen Büsche um das
alte Herrenschloß auf. der Anhöhe blitzten lustig von Regentropfen und unten ans
dem Platz vor dem Theater trieb sich erwartend ein schaulustiges Publikum in
anständiger Kleidung und Haltung umher. Im stattlichen Theatergebäude waren
die Männer des Weidenbusches versammelt. -- Sie hatte" sehr weise gehandelt,
als sie den Entschluß faßten, keine Zuhörer ihrer Berathungen aufzunehmen. Die
Debatten erhielten dadurch eine ungezwungene Form, und in dem Kreise der alten
Bekannten ließ die Zunge sich freier gehn und ging über Persönlichkeiten und
Verhältnisse hin, deren Besprechung ein strengeres parlamentarisches Verfahren


Gebildete. Es handelt sich jetzt um mehr als vor dem März 48: e§ handelt sich
darum, ob wir fortfahren sollen, in der Reihe der unabhängigen Staaten eine
Stelle zu finden, oder ob wir dem Schicksal Italiens verfallen. Die einzige Macht,
die uns davor noch bewahren kann, weil sie wenigstens noch gerüstet dasteht, ist
Preußen. Wer sich jetzt außerhalb des wirklichen Staats stellt, um seiner Cava-
lierparvle nichts zu vergeben, um nicht der Inconsequenz geziehen zu werden —
in derselben Art, wie man diejenigen, die nach der Revolution reaktionär waren
gegen das Fieber der Demokratie, wie sie vorher oppositionell gewesen gegen den
Absolutismus, der Apostasie beschuldigte, weil sie die Localitäten gewechselt hatten
— der ist nicht etwa neutral, er treibt vielmehr, so viel an ihm ist, den Staat
in die Netze der neuen Preußischen, in die Netze der heiligen Allianz, und er
trägt mit die Verantwortung für den Fall des Vaterlandes.




Die Versammlung in Gotha.



Wer am 2t>. Juni über Erfurt zur Versammlung der Wcidenbuschpartei reiste,
wurde auf dem Eisenbahnperron dieser Festung lebhaft daran erinnert, daß der
Zweck seiner Partei, die kämpfenden Gegensätze unseres Vaterlandes durch das
.Gesetz eiuer starken staatlichen Einheit zu binden, grade jetzt eben so viel Schwie¬
rigkeit als Verdienst habe. Denn längs der Wagenreihe des anhaltenden Zuges
war eine bedenkliche Svldatcnschaar aufgestellt, wahrscheinlich als Soutien für
zahlreiche Polizeibeamte, welche in den Waggons und aus dem Gauge verdächtige
Gesichter, Röcke und Hüte anhielten und uach ihrer Legitimation fragten. Es
war nämlich von Gotha die Anzeige eingelaufen, daß demokratische Ruhestörer den
Entschluß gefaßt hätten, die friedliche Versammlung zu sprengen. Man fürchtete
Zuzug auf der Eisenbahn, die Truppen waren ausgestellt ihn zu verhindern.

Gotha lag nach einem Regentage im Abendschein so freundlich da, wie es
sich für eine kleine Residenz in Thüringen schickt. Die grünen Büsche um das
alte Herrenschloß auf. der Anhöhe blitzten lustig von Regentropfen und unten ans
dem Platz vor dem Theater trieb sich erwartend ein schaulustiges Publikum in
anständiger Kleidung und Haltung umher. Im stattlichen Theatergebäude waren
die Männer des Weidenbusches versammelt. — Sie hatte» sehr weise gehandelt,
als sie den Entschluß faßten, keine Zuhörer ihrer Berathungen aufzunehmen. Die
Debatten erhielten dadurch eine ungezwungene Form, und in dem Kreise der alten
Bekannten ließ die Zunge sich freier gehn und ging über Persönlichkeiten und
Verhältnisse hin, deren Besprechung ein strengeres parlamentarisches Verfahren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/63>, abgerufen am 05.02.2025.