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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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jede Hoffnung auf tiefere Sympathien bei uns eitel und thöricht macheu, und daß
sich darum Deutschland vorsehn solle, indem es seinen alten Verbündeten
von jetzt an unter seinen Feinden sehn würde. Wenn der Herr Graf die Ursache
der Verschiedenheit und der Abneigung ganz anders auffaßt, wenn er die Begriffe
Gott und der Kaiser, Edelmann und Bauer selbstverständlich in eine Reihenfolge
bringt, die uns unbegreiflich ist, so ist das sür unsere beiderseitigen Behauptungen
ein Beweis mehr.

Loyal, wie der Bauer, ist auch der alte Russe, welcher als Gutsherr auf
dem Lande, oder als Händler in den Städten sitzt. Ihn freut's, daß sein Kaiser
überall ist, Allen zu Hilfe kommt und überall dem Lande Ehre macht. Denn
etwas von der Glorie des Czaren fällt anch anf ihn selbst, da er ein kleiner Theil
des Czaren ist, ja er gehört zum Czaren, sein Leben und sein Geld; und stolz
schlägt er auf seine Geldkatze und spricht, wenn der Kaiser Geld braucht, so
komme er Hieher, ich habe tausend, ich habe zehntausend Rubel für den Herrn
und Vater. -- Die Seele eines ächten Russen dieser Klasse ist wie eine Biene
oder Ameise im Bau, für sie allein ist sie nichts, ein halbes unfertiges Ding,
sie hat sehr wenig eigene Individualität; ihr Centrum, ihr eigentlicher Typus ist
der Weisel, der Czar, für den sie lebt, zusammenschleppt und stirbt.

Nur eine Klasse gibt es in Nußland, welche den ungarischen Krieg mit Un¬
zufriedenheit betrachtet, die altrussischen Aristokraten. Sie sagen, wozu
treibt der Czar das Blut des heiligen Rußland in die Heidcnländer hinein? Für
uns ist keine Gefahr, wir können ruhig im Segen des Friedens gedeihen, wäh¬
rend die Fremde" sich untereinander auffressen. Wozu sollen wir Geld verwenden,
unsere Stellung und Macht den Gefahren eines Krieges aussetze", wozu uus einen
tödtlichen Feind an unsern Grenzen schaffen, der andere Sprache und anderen
Glauben hat als wir, und uns deshalb immer hassen wird. Siege der Czar, so
gereicht es ihm zum Ruhme, nicht uns; die Nvmauow's siud ohnedies zu ehr¬
geizig und zu mächtig sür unser Wohl, und verliert der Czar, so haben wir den
Schaden und bezahlen sein Spiel. -- So spricht der alte Adel in Moskau, so
dachten die Mitglieder des Senats, welche gegen den Krieg sprachen.
"

Urtheilen Sie, ob diese Partei Recht hat. F,r Uns ist sie kein Bundes¬
genosse.




jede Hoffnung auf tiefere Sympathien bei uns eitel und thöricht macheu, und daß
sich darum Deutschland vorsehn solle, indem es seinen alten Verbündeten
von jetzt an unter seinen Feinden sehn würde. Wenn der Herr Graf die Ursache
der Verschiedenheit und der Abneigung ganz anders auffaßt, wenn er die Begriffe
Gott und der Kaiser, Edelmann und Bauer selbstverständlich in eine Reihenfolge
bringt, die uns unbegreiflich ist, so ist das sür unsere beiderseitigen Behauptungen
ein Beweis mehr.

Loyal, wie der Bauer, ist auch der alte Russe, welcher als Gutsherr auf
dem Lande, oder als Händler in den Städten sitzt. Ihn freut's, daß sein Kaiser
überall ist, Allen zu Hilfe kommt und überall dem Lande Ehre macht. Denn
etwas von der Glorie des Czaren fällt anch anf ihn selbst, da er ein kleiner Theil
des Czaren ist, ja er gehört zum Czaren, sein Leben und sein Geld; und stolz
schlägt er auf seine Geldkatze und spricht, wenn der Kaiser Geld braucht, so
komme er Hieher, ich habe tausend, ich habe zehntausend Rubel für den Herrn
und Vater. — Die Seele eines ächten Russen dieser Klasse ist wie eine Biene
oder Ameise im Bau, für sie allein ist sie nichts, ein halbes unfertiges Ding,
sie hat sehr wenig eigene Individualität; ihr Centrum, ihr eigentlicher Typus ist
der Weisel, der Czar, für den sie lebt, zusammenschleppt und stirbt.

Nur eine Klasse gibt es in Nußland, welche den ungarischen Krieg mit Un¬
zufriedenheit betrachtet, die altrussischen Aristokraten. Sie sagen, wozu
treibt der Czar das Blut des heiligen Rußland in die Heidcnländer hinein? Für
uns ist keine Gefahr, wir können ruhig im Segen des Friedens gedeihen, wäh¬
rend die Fremde» sich untereinander auffressen. Wozu sollen wir Geld verwenden,
unsere Stellung und Macht den Gefahren eines Krieges aussetze», wozu uus einen
tödtlichen Feind an unsern Grenzen schaffen, der andere Sprache und anderen
Glauben hat als wir, und uns deshalb immer hassen wird. Siege der Czar, so
gereicht es ihm zum Ruhme, nicht uns; die Nvmauow's siud ohnedies zu ehr¬
geizig und zu mächtig sür unser Wohl, und verliert der Czar, so haben wir den
Schaden und bezahlen sein Spiel. — So spricht der alte Adel in Moskau, so
dachten die Mitglieder des Senats, welche gegen den Krieg sprachen.
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Urtheilen Sie, ob diese Partei Recht hat. F,r Uns ist sie kein Bundes¬
genosse.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/54>, abgerufen am 05.02.2025.