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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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hier sogleich nicht blos den guten Geist, sondern die Gesellschaft selbst. Die
Wirthe fürchten sie als Unheilbringer. Ein gewisser Nanpaczewski, der ein rei¬
zendes Gartenetablissement errichtet hatte und durch den zahlreichen Zuspruch des
deutscheu und polnischen Publikums ein bedeutendes Vermögen gewann, ging zu
Grunde, als sich ein Theil des russischen StabSofsiziercorps bei ihm heimisch
machte. Deutsche und polnische Gäste verschwanden und der unglückliche Unter¬
nehmer schlang sich eine Schleife um den Hals, um sein verlorenes Vermögen
nicht allzu lange bejammern zu müssen.

Der gesellige Umgang der Polen und Deutschen hat an einigen Orten trotz
der Störung, welche die allenthalben heimischen Spione verursachen, eine Freund¬
lichkeit gewonnen, die kaum etwas zu wünschen übrig läßt. Vorzugsweise ist dies
der Fall in dem Gesellschaftshause von Krassow. Eine Bibliothek steht den Gästen
zur Disposition, und verschiedene Einrichtungen sind getroffen, welche den Unter¬
haltungen denjenigen Stoss aufdringen, der den Gästen ihre politische Stellung
vergessen läßt. Man könnte dieses Gesellschaftshaus ein literarisches und künst¬
lerisches nennen. Dem Wirthe ist der Ruhm zuzusprechen, diejenigen Mittel
gefunden zu haben, welche die gesellschaftlichen Mißverhältnisse unbemerkbar machen
und dem Gaste ein in Warschau seltenes Wohlbefinden bereiten. Hier sind anch
die Juden, allerdings nur die gebildete", Theilhaber der Gesellschaft.

Warschau besitzt zwei herrliche Volksgarten. Der eine ist ein altes Geschenk
der berühmten Grafen Krasinski und liegt in der nördlichen Hälfte der Stadt.
Der andere ungleich größere, welcher in der anderen Hälfte liegt, ist ein Werk
der Könige aus dem sächsischen Hause, weshalb er der sächsische Garten genannt
wird. Herrliche Alleen und überdeckte Schlangenwege ziehen und winden sich nach
dem besten Plane dnrch einander. Riesige Bänme von allen Gattungen beschat¬
ten die breiten Wege und Nascnpläue, hier und dort würzt ein Wäldchen von
blühenden Gesträuchen die Luft mit angenehmen Gerüchen. Zahlreiche Statuen,
Lauben, Brunnen und Obstpflanzungen machen die Parthien vielfältiger. Genug,
diese Gärten sind das Reizendste, was der Freund ambulanter Erholung sich
wünschen kann. Und darum erfreut sich ihrer auch das gesammte Publikum der
Stadt, mit Ausnahme der Juden. Diesen ist es nicht gestattet, die beiden schö¬
nen Volksgarten zu besuchen, es sei den", daß sie in einer anderen als jüdische"
Tracht erschienen, oder daß sie mit einem kaiserlichen Orden geschmückt sind, dann
werden sie trotz der rauchsten Zobelmützen und längsten Kaftane als Ausnahmen
betrachtet und dürfen hier mitten unter den russischen Herren Generalen, Oberste"
und Staatsräthen lustwandeln.

Die Juden ausgenommen, findet sich in den beiden Gärten das gesammte
Publikum der Stadt ein; allein auch hier kommt keine Mischung zu Stande, welche
an eine allgemeine Gesellschaft glauben ließe. Die Parteien meiden sich und wähle"
verschiedene Zeiten. An russischen Feiertagen erblickt man nie einen Polen von


hier sogleich nicht blos den guten Geist, sondern die Gesellschaft selbst. Die
Wirthe fürchten sie als Unheilbringer. Ein gewisser Nanpaczewski, der ein rei¬
zendes Gartenetablissement errichtet hatte und durch den zahlreichen Zuspruch des
deutscheu und polnischen Publikums ein bedeutendes Vermögen gewann, ging zu
Grunde, als sich ein Theil des russischen StabSofsiziercorps bei ihm heimisch
machte. Deutsche und polnische Gäste verschwanden und der unglückliche Unter¬
nehmer schlang sich eine Schleife um den Hals, um sein verlorenes Vermögen
nicht allzu lange bejammern zu müssen.

Der gesellige Umgang der Polen und Deutschen hat an einigen Orten trotz
der Störung, welche die allenthalben heimischen Spione verursachen, eine Freund¬
lichkeit gewonnen, die kaum etwas zu wünschen übrig läßt. Vorzugsweise ist dies
der Fall in dem Gesellschaftshause von Krassow. Eine Bibliothek steht den Gästen
zur Disposition, und verschiedene Einrichtungen sind getroffen, welche den Unter¬
haltungen denjenigen Stoss aufdringen, der den Gästen ihre politische Stellung
vergessen läßt. Man könnte dieses Gesellschaftshaus ein literarisches und künst¬
lerisches nennen. Dem Wirthe ist der Ruhm zuzusprechen, diejenigen Mittel
gefunden zu haben, welche die gesellschaftlichen Mißverhältnisse unbemerkbar machen
und dem Gaste ein in Warschau seltenes Wohlbefinden bereiten. Hier sind anch
die Juden, allerdings nur die gebildete», Theilhaber der Gesellschaft.

Warschau besitzt zwei herrliche Volksgarten. Der eine ist ein altes Geschenk
der berühmten Grafen Krasinski und liegt in der nördlichen Hälfte der Stadt.
Der andere ungleich größere, welcher in der anderen Hälfte liegt, ist ein Werk
der Könige aus dem sächsischen Hause, weshalb er der sächsische Garten genannt
wird. Herrliche Alleen und überdeckte Schlangenwege ziehen und winden sich nach
dem besten Plane dnrch einander. Riesige Bänme von allen Gattungen beschat¬
ten die breiten Wege und Nascnpläue, hier und dort würzt ein Wäldchen von
blühenden Gesträuchen die Luft mit angenehmen Gerüchen. Zahlreiche Statuen,
Lauben, Brunnen und Obstpflanzungen machen die Parthien vielfältiger. Genug,
diese Gärten sind das Reizendste, was der Freund ambulanter Erholung sich
wünschen kann. Und darum erfreut sich ihrer auch das gesammte Publikum der
Stadt, mit Ausnahme der Juden. Diesen ist es nicht gestattet, die beiden schö¬
nen Volksgarten zu besuchen, es sei den», daß sie in einer anderen als jüdische»
Tracht erschienen, oder daß sie mit einem kaiserlichen Orden geschmückt sind, dann
werden sie trotz der rauchsten Zobelmützen und längsten Kaftane als Ausnahmen
betrachtet und dürfen hier mitten unter den russischen Herren Generalen, Oberste»
und Staatsräthen lustwandeln.

Die Juden ausgenommen, findet sich in den beiden Gärten das gesammte
Publikum der Stadt ein; allein auch hier kommt keine Mischung zu Stande, welche
an eine allgemeine Gesellschaft glauben ließe. Die Parteien meiden sich und wähle»
verschiedene Zeiten. An russischen Feiertagen erblickt man nie einen Polen von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/490>, abgerufen am 05.02.2025.