Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.lich gegenüber den hübschen Damen. Leider sind diese guten deutschen Frauen un¬ Wie sehr sich nun aber auch Madame Eichstädt und andere deutsche Schöne Daraus ist zu ersehen, daß die russischen Ressvnrcenmitglieder keine Spur lich gegenüber den hübschen Damen. Leider sind diese guten deutschen Frauen un¬ Wie sehr sich nun aber auch Madame Eichstädt und andere deutsche Schöne Daraus ist zu ersehen, daß die russischen Ressvnrcenmitglieder keine Spur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279513"/> <p xml:id="ID_1656" prev="#ID_1655"> lich gegenüber den hübschen Damen. Leider sind diese guten deutschen Frauen un¬<lb/> ter Warschau's unnatürliche Gesellschaftsverhältnissen so schwacher Seele geworden,<lb/> daß sie die weibliche Souveränität, auf welche selbst die niedrigste Bettlerin einen<lb/> schönen Stolz zu begründen berechtigt ist, gänzlich vergessen. Sie buhlen förmlich<lb/> um einen Tanz mit dem Fürsten, und fühlen sich durch denselben bis zur — um<lb/> mich so auszudrücken — tiefsten Hingebung beglückt. Solche Schätzung des poli¬<lb/> tische» Ranges war vor 1830 in keinem geselligen Vereine der Warschauer Bür¬<lb/> gerschaft zu finden. Man achtete damals den Fürsten und Grafen für ein eben<lb/> solches Mitglied des Vereins als den Gerber und Geigenmachcr. — Unnatür¬<lb/> lichen Grunde entwachsen unnatürliche Gestalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1657"> Wie sehr sich nun aber auch Madame Eichstädt und andere deutsche Schöne<lb/> durch den Arm des huldreichen fürstlichen Tänzers beglückt fühlen mögen, so ist<lb/> doch die Stimmung des großen, d. h. des deutschen, man kann auch sagen des<lb/> bürgerlichen Theils der Gesellschaft, entsetzlich gedrückt, schwerfällig, düster. Die<lb/> deutschen Herren überlassen es den Russen und den dreisteren Jünglinge», mit<lb/> ihren Fraue» sich im Tanz zu vergnügen. Sie selbst suche» die Mittel und<lb/> weichen den Herren von der ersten Rolle, wie freundlich diese sich anch beweisen<lb/> mögen, nach Möglichkeit aus. Die Nebenzimmer gewähren ihnen ein Asyl. Aber<lb/> auch hier ist noch nicht der Ort, wo sich das Herz frei, wohl und heiter fühlen<lb/> könnte. Die Zunge muß mit allen Sinnen bewacht werden, damit sie nicht ein<lb/> gefährliches Wort ausspreche, und das Auge hat mit äußerster Sorgfalt Jeden zu<lb/> Prüfen, der sich nähert, um ein Gespräch anzuknüpfen. Man würde sich sehr täu¬<lb/> schen, zu meinen, daß man hier, mitten unter Russen, freier und von den gefähr¬<lb/> lichen Wächtern der politischen Meinung, welche Warschau bis in seine letzten<lb/> Winkel durchwühlen, weniger beobachtet sei. Auch der Generalpvlizeiminister tanzt,<lb/> und wo dieser sich befindet, da wimmelt es von seinen geheimen Agenten. Die<lb/> geringste mißfällige Aeußerung über den Fürsten oder sonst einen der anwesenden<lb/> großen Russen ist für sie ein Fund. Wagt sich die Meinung auf das politische<lb/> Gebiet, ja vielleicht in dessen höhere Regionen, so wird sie desto gefährlicher. Die<lb/> geheimen Agenten des Polizeiministers besitzen aber ein außerordentliches Talent,<lb/> die Meinungen herauszulocken, und da diese in der That für die russische Partei<lb/> nicht oft günstig sein können, der ehrliche Deutsche aber im Heucheln keine Riesen¬<lb/> kraft besitzt, so geschieht es nicht selten, daß der gute Mann, welcher die Res¬<lb/> source zu seiner Freude und Erholung besuchte, des andern Tags auf das Polizei¬<lb/> bureau gefordert wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1658" next="#ID_1659"> Daraus ist zu ersehen, daß die russischen Ressvnrcenmitglieder keine Spur<lb/> von Bürgergefühl auf deu Ballsaal mitbringen. Sie empfinden auch hier keine<lb/> andere, als eine politische Bedeutung, und kaum mag es diesen Fremdlingen anders<lb/> möglich sein. Das schöne Gefühl des unbefangenen Bürgers, welches allein die<lb/> Gesellschaft erquickend macht, kann ihnen hier auf einen fremden Boden, in einer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
lich gegenüber den hübschen Damen. Leider sind diese guten deutschen Frauen un¬
ter Warschau's unnatürliche Gesellschaftsverhältnissen so schwacher Seele geworden,
daß sie die weibliche Souveränität, auf welche selbst die niedrigste Bettlerin einen
schönen Stolz zu begründen berechtigt ist, gänzlich vergessen. Sie buhlen förmlich
um einen Tanz mit dem Fürsten, und fühlen sich durch denselben bis zur — um
mich so auszudrücken — tiefsten Hingebung beglückt. Solche Schätzung des poli¬
tische» Ranges war vor 1830 in keinem geselligen Vereine der Warschauer Bür¬
gerschaft zu finden. Man achtete damals den Fürsten und Grafen für ein eben
solches Mitglied des Vereins als den Gerber und Geigenmachcr. — Unnatür¬
lichen Grunde entwachsen unnatürliche Gestalten.
Wie sehr sich nun aber auch Madame Eichstädt und andere deutsche Schöne
durch den Arm des huldreichen fürstlichen Tänzers beglückt fühlen mögen, so ist
doch die Stimmung des großen, d. h. des deutschen, man kann auch sagen des
bürgerlichen Theils der Gesellschaft, entsetzlich gedrückt, schwerfällig, düster. Die
deutschen Herren überlassen es den Russen und den dreisteren Jünglinge», mit
ihren Fraue» sich im Tanz zu vergnügen. Sie selbst suche» die Mittel und
weichen den Herren von der ersten Rolle, wie freundlich diese sich anch beweisen
mögen, nach Möglichkeit aus. Die Nebenzimmer gewähren ihnen ein Asyl. Aber
auch hier ist noch nicht der Ort, wo sich das Herz frei, wohl und heiter fühlen
könnte. Die Zunge muß mit allen Sinnen bewacht werden, damit sie nicht ein
gefährliches Wort ausspreche, und das Auge hat mit äußerster Sorgfalt Jeden zu
Prüfen, der sich nähert, um ein Gespräch anzuknüpfen. Man würde sich sehr täu¬
schen, zu meinen, daß man hier, mitten unter Russen, freier und von den gefähr¬
lichen Wächtern der politischen Meinung, welche Warschau bis in seine letzten
Winkel durchwühlen, weniger beobachtet sei. Auch der Generalpvlizeiminister tanzt,
und wo dieser sich befindet, da wimmelt es von seinen geheimen Agenten. Die
geringste mißfällige Aeußerung über den Fürsten oder sonst einen der anwesenden
großen Russen ist für sie ein Fund. Wagt sich die Meinung auf das politische
Gebiet, ja vielleicht in dessen höhere Regionen, so wird sie desto gefährlicher. Die
geheimen Agenten des Polizeiministers besitzen aber ein außerordentliches Talent,
die Meinungen herauszulocken, und da diese in der That für die russische Partei
nicht oft günstig sein können, der ehrliche Deutsche aber im Heucheln keine Riesen¬
kraft besitzt, so geschieht es nicht selten, daß der gute Mann, welcher die Res¬
source zu seiner Freude und Erholung besuchte, des andern Tags auf das Polizei¬
bureau gefordert wird.
Daraus ist zu ersehen, daß die russischen Ressvnrcenmitglieder keine Spur
von Bürgergefühl auf deu Ballsaal mitbringen. Sie empfinden auch hier keine
andere, als eine politische Bedeutung, und kaum mag es diesen Fremdlingen anders
möglich sein. Das schöne Gefühl des unbefangenen Bürgers, welches allein die
Gesellschaft erquickend macht, kann ihnen hier auf einen fremden Boden, in einer
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