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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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selbst einräumen müssen, daß die einzige mögliche Verbesserung eben das Aufgeben
ihres Princips ist; noch immer stellen uns ihre geistlosen Nachbeter, deren die
landwirthschaftliche Literatur so viele zählt, Hunderte von Recepten zu Frucht-
wechselwirthschasteu ans, ohne daß das Wesen des Fruchtwechsels und die Gründe,
auf denen eine jede Feldeiutheiluug beruhen muß, der Mehrzahl der ausübenden
Landwirthe deutlich geworden wären; noch immer verlassen neunzehntel von ihnen
eine vernünftige Buchführung -- die allein über die Resultate unserer landwirth-
schaftlichen Bestrebungen Rechenschaft zu geben vermag, als eine unnütze Pedan¬
terie, und verarmen, weil sie nicht zu rechnen verstehen; noch immer wird Vieh¬
zucht und Futterbau als ein nothwendiges Uebel, aber nicht als die Grundlage
jedes rationellen Wirthschaftsbetriebes angesehen, und während wir über die nie¬
drigen Kornpreise jammern, holen wir aus dem Auslande Zug- und Schlacht¬
vieh. Wohl bringt der Bauer, selbst bei mittelmäßiger Erndte, noch immer so viel
Brodgetreide auf den Markt, daß der Preis kaum seine Mühe deckt, aber wahr¬
lich, nicht aus christlicher Liebe für deu Gevatter Schneider und Handschuhmacher,
sondern weil er nichts anderes anzubauen versteht, als Kartoffeln und Halmfrucht,
weil er -- durch die unselige Theilung seines Ackers in drei Felder, gezwungen,
oder doch verleitet - - in wahnsinniger Verblendung keine andere Fruchtfolge kennt,
als: Kartoffel", Winterroggen, Winterroggen, Kartoffeln, Winterroggen und Hafer
oder Buchweizen, weil er nicht begreift, daß er auf diesem Wege verarmen, seinen
Acker zur trostlosen Wüste machen und sein Vieh verhungern lassen muß.

Doch freilich, das sagten seine Lehrmeister im Jahr 1848 ihm nicht, sie
wußten es nicht, oder wenn sie es wußten, sie hätten es ihm doch nicht gesagt.

"Die Feudallasten sind es, die euch erdrücke", ihr armen Leute! Während ihr
mühsam im Schweiße eures Angesichts euren Acker baut, habt ihr nicht einmal
Futter für eure magern Kühe! -..... Seht die fetten Rinder des Gutsherrn, seht
seine feinwolligen Schafe, die ernährt ihr nebst dem faulen Herren selbst, dnrch
eure Dienste, eure Zinsen, eure Laudemien, während er euch den Wald verschließt,
auf euren Feldern jagt, eure Saaten zerstampft und eure armen Weiber pfändet,
wenn sie dem hungrigen Vieh gestatten, einige Schritte über die Grenze zu gehn.
Lange genug trugt ihr den ungerechten Druck, jetzt ist es Zeit, ihn für immer
abzuschütteln! -- Daher wählt uicht etwa eure Gutsherr", eure Dränger zur
Nationalversammlung, sondern wählt uns, die wir ein Herz haben für eure Lei¬
den, oder geht selbst hiu und schmauset die selten Tagegelder, während eure Ka¬
meraden Steuern und Abgaben verweigern und jedem Beamten die Zähne weisen,
der ihnen etwas anhaben will! Seht, wie sie es dort und dort machten! sie zer¬
trümmerten die Schlösser ihrer Dränger, ja sie erschlugen sie, wenn sie sich wieder-
setzen wollten! Gott hat nicht gewollt, daß es Reiche gebe und Arme, daß die
einen müßig gehen, während die andern kam" vermöge", durch schwere Arbeit den


Grenzboten. in. ,849. ,59

selbst einräumen müssen, daß die einzige mögliche Verbesserung eben das Aufgeben
ihres Princips ist; noch immer stellen uns ihre geistlosen Nachbeter, deren die
landwirthschaftliche Literatur so viele zählt, Hunderte von Recepten zu Frucht-
wechselwirthschasteu ans, ohne daß das Wesen des Fruchtwechsels und die Gründe,
auf denen eine jede Feldeiutheiluug beruhen muß, der Mehrzahl der ausübenden
Landwirthe deutlich geworden wären; noch immer verlassen neunzehntel von ihnen
eine vernünftige Buchführung — die allein über die Resultate unserer landwirth-
schaftlichen Bestrebungen Rechenschaft zu geben vermag, als eine unnütze Pedan¬
terie, und verarmen, weil sie nicht zu rechnen verstehen; noch immer wird Vieh¬
zucht und Futterbau als ein nothwendiges Uebel, aber nicht als die Grundlage
jedes rationellen Wirthschaftsbetriebes angesehen, und während wir über die nie¬
drigen Kornpreise jammern, holen wir aus dem Auslande Zug- und Schlacht¬
vieh. Wohl bringt der Bauer, selbst bei mittelmäßiger Erndte, noch immer so viel
Brodgetreide auf den Markt, daß der Preis kaum seine Mühe deckt, aber wahr¬
lich, nicht aus christlicher Liebe für deu Gevatter Schneider und Handschuhmacher,
sondern weil er nichts anderes anzubauen versteht, als Kartoffeln und Halmfrucht,
weil er — durch die unselige Theilung seines Ackers in drei Felder, gezwungen,
oder doch verleitet - - in wahnsinniger Verblendung keine andere Fruchtfolge kennt,
als: Kartoffel», Winterroggen, Winterroggen, Kartoffeln, Winterroggen und Hafer
oder Buchweizen, weil er nicht begreift, daß er auf diesem Wege verarmen, seinen
Acker zur trostlosen Wüste machen und sein Vieh verhungern lassen muß.

Doch freilich, das sagten seine Lehrmeister im Jahr 1848 ihm nicht, sie
wußten es nicht, oder wenn sie es wußten, sie hätten es ihm doch nicht gesagt.

„Die Feudallasten sind es, die euch erdrücke», ihr armen Leute! Während ihr
mühsam im Schweiße eures Angesichts euren Acker baut, habt ihr nicht einmal
Futter für eure magern Kühe! -..... Seht die fetten Rinder des Gutsherrn, seht
seine feinwolligen Schafe, die ernährt ihr nebst dem faulen Herren selbst, dnrch
eure Dienste, eure Zinsen, eure Laudemien, während er euch den Wald verschließt,
auf euren Feldern jagt, eure Saaten zerstampft und eure armen Weiber pfändet,
wenn sie dem hungrigen Vieh gestatten, einige Schritte über die Grenze zu gehn.
Lange genug trugt ihr den ungerechten Druck, jetzt ist es Zeit, ihn für immer
abzuschütteln! — Daher wählt uicht etwa eure Gutsherr», eure Dränger zur
Nationalversammlung, sondern wählt uns, die wir ein Herz haben für eure Lei¬
den, oder geht selbst hiu und schmauset die selten Tagegelder, während eure Ka¬
meraden Steuern und Abgaben verweigern und jedem Beamten die Zähne weisen,
der ihnen etwas anhaben will! Seht, wie sie es dort und dort machten! sie zer¬
trümmerten die Schlösser ihrer Dränger, ja sie erschlugen sie, wenn sie sich wieder-
setzen wollten! Gott hat nicht gewollt, daß es Reiche gebe und Arme, daß die
einen müßig gehen, während die andern kam» vermöge», durch schwere Arbeit den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/465>, abgerufen am 05.02.2025.