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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Lebensmitteln und Bevölkerung nicht eingetreten sei. Ueber die
Vermehrung des ackerbaren Landes fehlen uns nnn zwar zuverlässige Nachrichten
eben so, als über das quantitative Verhältniß der mit dem Ackerbau beschäftigten
Einwohnerzahl. Es ist aber die erstere nicht zweifelhaft, wenn wir auf die große
Menge von neuen Culturen blicken, welche durch Waldrodungen, Anbruch von
Wiesen und Separationen von Gemeindehntungen in den letzten 4") Jahren dem
Ackerbau überwiesen wurden. In einer kleinen Schrift: "Ueber Zweck und Wirk¬
samkeit landwirthschaftlicher Lehrinstitute ze. Vreslan 1847." findet sich im sechsten
Briefe die Vermuthung aufgestellt, daß das uach älteren Angaben auf 7,900,000
Morgen angenommene Ackerland der Provinz Schlesien sich mindestens auf 8,783,250
Morgen, oder um fast vermehrt habe. Diese Vermehrung ist allerdings geringer,
als die der Bevölkerung, bedenkt man indeß, daß seit den letzten 40 Jahren der
Kartoffelbau sich allgemein verbreitete, daß keine andre Frucht auf einer be¬
stimmten Fläche so viel Nahrungsstoff liefert, als eben die Kartoffel, so erklärt
sich die Anskömmlichkeit der Nahrungsmittel auf einer relativ kleineren Fläche
vollkommen.

Die angeführte Schrift sucht ferner durch Zahlen nachzuweisen, daß bei einem
jährlichen Verbrauch von 12 Arbeitstagen für den Morgen Ackerland und 4 Arbeits¬
tagen für den Morgen Grasland und der dort vorausgesetzten Zahl der Landbauer
(^4,575! Familien), !) der schlesischen Landwirthschaft die nöthige
Handarbeit nicht fehle, 2) daß vielmehr die Culturen noch erhöht
werde", also größere Arbeit skr äste verwendet werden könnten,
und daß ein landwirthschaftliches Proletariat für Schlesien
keine Nothwendigkeit sei.

Dies alles vorausgesetzt -- und es wurde, so viel wir wissen, nirgends wi¬
derlegt -- muß geschlossen werden, daß wenn wirklich Arbeitskraft durch den schle¬
sischen Landbau unbeschäftigt bleibt, wie vielfach behauptet wird, nicht 12 und
resp. 4 Arbeitstage auf den Morgen Acker- und Wiesenland verbraucht werden,
sondern weniger, und daß mithin, da der Verbrauch vou Arbeitskraft
mit der Zunahme der Cultur steigt, und mit der Abnahme dersel¬
ben fällt, der schlesische Ackerbau sich nicht auf einer befriedigen¬
den Cnlturstufe befinden könne, da er die hierzu erforderliche und
eben nur ausreichende Arbeitskraft nicht beschäftigt.

Und dieser Vorwurf trifft ihn hier mit vollem Recht. Noch immer liegt der
größte Theil des schlesischen, zumal bäuerlichen Ackerbaues in den Fesseln einer
ermüdenden Dreifelderwirthschaft, obschon die Bedingungen, unter denen allein sie
so lange bestehen konnte, nämlich Reichthum an Grasland und Werthlosigkeit der
Arbeit, schon längst nicht mehr vorhanden sind. Noch immer sprechen landwirth-
schaftliche Schriftsteller selbst ersten Ranges mit mehr Schonung als Wahrheit von
der Möglichkeit einer sogenannten "verbesserten Dreifelderwirthschaft," obschon sie


Lebensmitteln und Bevölkerung nicht eingetreten sei. Ueber die
Vermehrung des ackerbaren Landes fehlen uns nnn zwar zuverlässige Nachrichten
eben so, als über das quantitative Verhältniß der mit dem Ackerbau beschäftigten
Einwohnerzahl. Es ist aber die erstere nicht zweifelhaft, wenn wir auf die große
Menge von neuen Culturen blicken, welche durch Waldrodungen, Anbruch von
Wiesen und Separationen von Gemeindehntungen in den letzten 4«) Jahren dem
Ackerbau überwiesen wurden. In einer kleinen Schrift: „Ueber Zweck und Wirk¬
samkeit landwirthschaftlicher Lehrinstitute ze. Vreslan 1847." findet sich im sechsten
Briefe die Vermuthung aufgestellt, daß das uach älteren Angaben auf 7,900,000
Morgen angenommene Ackerland der Provinz Schlesien sich mindestens auf 8,783,250
Morgen, oder um fast vermehrt habe. Diese Vermehrung ist allerdings geringer,
als die der Bevölkerung, bedenkt man indeß, daß seit den letzten 40 Jahren der
Kartoffelbau sich allgemein verbreitete, daß keine andre Frucht auf einer be¬
stimmten Fläche so viel Nahrungsstoff liefert, als eben die Kartoffel, so erklärt
sich die Anskömmlichkeit der Nahrungsmittel auf einer relativ kleineren Fläche
vollkommen.

Die angeführte Schrift sucht ferner durch Zahlen nachzuweisen, daß bei einem
jährlichen Verbrauch von 12 Arbeitstagen für den Morgen Ackerland und 4 Arbeits¬
tagen für den Morgen Grasland und der dort vorausgesetzten Zahl der Landbauer
(^4,575! Familien), !) der schlesischen Landwirthschaft die nöthige
Handarbeit nicht fehle, 2) daß vielmehr die Culturen noch erhöht
werde», also größere Arbeit skr äste verwendet werden könnten,
und daß ein landwirthschaftliches Proletariat für Schlesien
keine Nothwendigkeit sei.

Dies alles vorausgesetzt — und es wurde, so viel wir wissen, nirgends wi¬
derlegt — muß geschlossen werden, daß wenn wirklich Arbeitskraft durch den schle¬
sischen Landbau unbeschäftigt bleibt, wie vielfach behauptet wird, nicht 12 und
resp. 4 Arbeitstage auf den Morgen Acker- und Wiesenland verbraucht werden,
sondern weniger, und daß mithin, da der Verbrauch vou Arbeitskraft
mit der Zunahme der Cultur steigt, und mit der Abnahme dersel¬
ben fällt, der schlesische Ackerbau sich nicht auf einer befriedigen¬
den Cnlturstufe befinden könne, da er die hierzu erforderliche und
eben nur ausreichende Arbeitskraft nicht beschäftigt.

Und dieser Vorwurf trifft ihn hier mit vollem Recht. Noch immer liegt der
größte Theil des schlesischen, zumal bäuerlichen Ackerbaues in den Fesseln einer
ermüdenden Dreifelderwirthschaft, obschon die Bedingungen, unter denen allein sie
so lange bestehen konnte, nämlich Reichthum an Grasland und Werthlosigkeit der
Arbeit, schon längst nicht mehr vorhanden sind. Noch immer sprechen landwirth-
schaftliche Schriftsteller selbst ersten Ranges mit mehr Schonung als Wahrheit von
der Möglichkeit einer sogenannten „verbesserten Dreifelderwirthschaft," obschon sie


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[0464] Lebensmitteln und Bevölkerung nicht eingetreten sei. Ueber die Vermehrung des ackerbaren Landes fehlen uns nnn zwar zuverlässige Nachrichten eben so, als über das quantitative Verhältniß der mit dem Ackerbau beschäftigten Einwohnerzahl. Es ist aber die erstere nicht zweifelhaft, wenn wir auf die große Menge von neuen Culturen blicken, welche durch Waldrodungen, Anbruch von Wiesen und Separationen von Gemeindehntungen in den letzten 4«) Jahren dem Ackerbau überwiesen wurden. In einer kleinen Schrift: „Ueber Zweck und Wirk¬ samkeit landwirthschaftlicher Lehrinstitute ze. Vreslan 1847." findet sich im sechsten Briefe die Vermuthung aufgestellt, daß das uach älteren Angaben auf 7,900,000 Morgen angenommene Ackerland der Provinz Schlesien sich mindestens auf 8,783,250 Morgen, oder um fast vermehrt habe. Diese Vermehrung ist allerdings geringer, als die der Bevölkerung, bedenkt man indeß, daß seit den letzten 40 Jahren der Kartoffelbau sich allgemein verbreitete, daß keine andre Frucht auf einer be¬ stimmten Fläche so viel Nahrungsstoff liefert, als eben die Kartoffel, so erklärt sich die Anskömmlichkeit der Nahrungsmittel auf einer relativ kleineren Fläche vollkommen. Die angeführte Schrift sucht ferner durch Zahlen nachzuweisen, daß bei einem jährlichen Verbrauch von 12 Arbeitstagen für den Morgen Ackerland und 4 Arbeits¬ tagen für den Morgen Grasland und der dort vorausgesetzten Zahl der Landbauer (^4,575! Familien), !) der schlesischen Landwirthschaft die nöthige Handarbeit nicht fehle, 2) daß vielmehr die Culturen noch erhöht werde», also größere Arbeit skr äste verwendet werden könnten, und daß ein landwirthschaftliches Proletariat für Schlesien keine Nothwendigkeit sei. Dies alles vorausgesetzt — und es wurde, so viel wir wissen, nirgends wi¬ derlegt — muß geschlossen werden, daß wenn wirklich Arbeitskraft durch den schle¬ sischen Landbau unbeschäftigt bleibt, wie vielfach behauptet wird, nicht 12 und resp. 4 Arbeitstage auf den Morgen Acker- und Wiesenland verbraucht werden, sondern weniger, und daß mithin, da der Verbrauch vou Arbeitskraft mit der Zunahme der Cultur steigt, und mit der Abnahme dersel¬ ben fällt, der schlesische Ackerbau sich nicht auf einer befriedigen¬ den Cnlturstufe befinden könne, da er die hierzu erforderliche und eben nur ausreichende Arbeitskraft nicht beschäftigt. Und dieser Vorwurf trifft ihn hier mit vollem Recht. Noch immer liegt der größte Theil des schlesischen, zumal bäuerlichen Ackerbaues in den Fesseln einer ermüdenden Dreifelderwirthschaft, obschon die Bedingungen, unter denen allein sie so lange bestehen konnte, nämlich Reichthum an Grasland und Werthlosigkeit der Arbeit, schon längst nicht mehr vorhanden sind. Noch immer sprechen landwirth- schaftliche Schriftsteller selbst ersten Ranges mit mehr Schonung als Wahrheit von der Möglichkeit einer sogenannten „verbesserten Dreifelderwirthschaft," obschon sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/464>, abgerufen am 05.02.2025.