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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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die vielen Sandbänke, welche die flache Küste gefährlich machen, betrieben werden
können. Der östliche Küstenstrich des Landes ist zum großen Theil sehr fruchtbar
und bildet eine zusammenhängende Reihe entzückender Landschaften. Die Fiorde er¬
strecken sich tief hinein in's Land, rauschende Buchenwälder säumen ihre grünen
Ufer, niedere, reich bewaldete Hügelkette" bilden wunderschöne, reich bewässerte
Wiesenthäler, viele freundliche Städtchen liegen an der Straße, die armseligen
Dörfer erhalten in ihrer lachenden Umgebung einen romantischen Anstrich, und
jeder Augenblick bietet eine neue Fernsicht auf das blaue Meer mit seinen fernen
Inseln und den weißen Segeln, die wie Möven in der Luft, sich auf seinen Wo¬
gen schaukeln. Die herrlichste Gegend Jütlands ist die Umgebung der Stadt
Beile, welche man das dänische Paradies zu nennen pflegt. Auch Nauders liegt
sehr schön, Wiborg hingegen, die Hauptstadt und der Sitz des Landtags, nicht.

Hoch im Norden zerreißt der Lymfiord, ein großer Meeresarm, das Land in
vielgcbuchtete Stücke, so daß dessen nördlichste Spitze, die in das Skager Nak hin¬
einragt, eine völlige Insel ist, die nur bei niederem Meeresstaud durch eine Bank
mit der Westküste zusammenhängt. Hier ist schon rein scandinavische Landschaft
"ut die Erinnerung an die Wikiugerfahrten werden wach, wenn die Springflnth
über die Dämme tobt und die Fischer mit ihren Kopf'"s mitten in die Gehöfte
schleudert, wenn gestrandete Wale und Schiffstrümmer das Volk zu Beutezügen
sammeln. Es muß ein wunderbarer Standpunkt sein auf dem Cap Skagcnshorn,
das als äußerste Spitze Dänemarks hinüber "ach Norwegen deutet; dort muß
alle Erhabenheit und jeder Schrecken des Meeres in überraschender Wirkung vor'ö
Auge trete". Und gefährlich ist der Boden -- denn die Zeit wird kommen, in
welcher die Springflnth das nordische Jnseljütland begraben wird mit Land und
Leuten -- kurz oder lang.




Ans M e i n i n g e n.

Sie thun uns Unrecht, ich sage Ihnen, himmelschreiendes Unrecht. Die Grenzboten
Woriren uns." Hassen Sie uns, fürchten Sie uns, verspotten Sie uns, aber erkennen
^'e uns an. Auch wir machen Geschichte. Es ist wahr, es gab eine Zeit, wo wir
idyllischer Behaglichkeit alle Freuden des patriarchalischen Regiments genossen. In
^ser Zeit der politischen Unschuld war es ein Ereignis;, wenn Serenissimus einen an-
hin? Schnitt der Uniformen vorschrieb, die bei den höchst exclusiveu Hoffesten getragen
Wurden. Wurde aber vollends eine neue Hofdame angestellt, so geriet!) das Land in
iberische Aufregung. Mit Politik befaßte" wir uus nicht, außer daß wir die Dienst-
Uachrichtcn unsers Negierungsvlattcs mit Heißhunger verschlangen. Zwar hatten wir
"und eine Ständeversammlung, aber Niemand bekümmerte sich um dieselbe; sie war
'"lin'sterU'it, kein Mensch sprach von ihr; sie wurde liberal, man ignorirte sie. Erlau¬
en alten Reactionär, eine Thräne im Auge zu zerdrücken, wie Karl Moor
" der Erinnerung an seine schuldlose Kindheit; ich spreche von einer nie wiederkeh¬
renden Zeit. Es kam der März: Bürgcrwehr, Volksversammlung, Katzenmusik, Bauern-


die vielen Sandbänke, welche die flache Küste gefährlich machen, betrieben werden
können. Der östliche Küstenstrich des Landes ist zum großen Theil sehr fruchtbar
und bildet eine zusammenhängende Reihe entzückender Landschaften. Die Fiorde er¬
strecken sich tief hinein in's Land, rauschende Buchenwälder säumen ihre grünen
Ufer, niedere, reich bewaldete Hügelkette» bilden wunderschöne, reich bewässerte
Wiesenthäler, viele freundliche Städtchen liegen an der Straße, die armseligen
Dörfer erhalten in ihrer lachenden Umgebung einen romantischen Anstrich, und
jeder Augenblick bietet eine neue Fernsicht auf das blaue Meer mit seinen fernen
Inseln und den weißen Segeln, die wie Möven in der Luft, sich auf seinen Wo¬
gen schaukeln. Die herrlichste Gegend Jütlands ist die Umgebung der Stadt
Beile, welche man das dänische Paradies zu nennen pflegt. Auch Nauders liegt
sehr schön, Wiborg hingegen, die Hauptstadt und der Sitz des Landtags, nicht.

Hoch im Norden zerreißt der Lymfiord, ein großer Meeresarm, das Land in
vielgcbuchtete Stücke, so daß dessen nördlichste Spitze, die in das Skager Nak hin¬
einragt, eine völlige Insel ist, die nur bei niederem Meeresstaud durch eine Bank
mit der Westküste zusammenhängt. Hier ist schon rein scandinavische Landschaft
»ut die Erinnerung an die Wikiugerfahrten werden wach, wenn die Springflnth
über die Dämme tobt und die Fischer mit ihren Kopf'"s mitten in die Gehöfte
schleudert, wenn gestrandete Wale und Schiffstrümmer das Volk zu Beutezügen
sammeln. Es muß ein wunderbarer Standpunkt sein auf dem Cap Skagcnshorn,
das als äußerste Spitze Dänemarks hinüber »ach Norwegen deutet; dort muß
alle Erhabenheit und jeder Schrecken des Meeres in überraschender Wirkung vor'ö
Auge trete». Und gefährlich ist der Boden — denn die Zeit wird kommen, in
welcher die Springflnth das nordische Jnseljütland begraben wird mit Land und
Leuten — kurz oder lang.




Ans M e i n i n g e n.

Sie thun uns Unrecht, ich sage Ihnen, himmelschreiendes Unrecht. Die Grenzboten
Woriren uns." Hassen Sie uns, fürchten Sie uns, verspotten Sie uns, aber erkennen
^'e uns an. Auch wir machen Geschichte. Es ist wahr, es gab eine Zeit, wo wir
idyllischer Behaglichkeit alle Freuden des patriarchalischen Regiments genossen. In
^ser Zeit der politischen Unschuld war es ein Ereignis;, wenn Serenissimus einen an-
hin? Schnitt der Uniformen vorschrieb, die bei den höchst exclusiveu Hoffesten getragen
Wurden. Wurde aber vollends eine neue Hofdame angestellt, so geriet!) das Land in
iberische Aufregung. Mit Politik befaßte» wir uus nicht, außer daß wir die Dienst-
Uachrichtcn unsers Negierungsvlattcs mit Heißhunger verschlangen. Zwar hatten wir
"und eine Ständeversammlung, aber Niemand bekümmerte sich um dieselbe; sie war
'»lin'sterU'it, kein Mensch sprach von ihr; sie wurde liberal, man ignorirte sie. Erlau¬
en alten Reactionär, eine Thräne im Auge zu zerdrücken, wie Karl Moor
« der Erinnerung an seine schuldlose Kindheit; ich spreche von einer nie wiederkeh¬
renden Zeit. Es kam der März: Bürgcrwehr, Volksversammlung, Katzenmusik, Bauern-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/437>, abgerufen am 05.02.2025.