Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Thatsache etwas, was die Nöthe der Scham auf die Wangen unseres jungen Kai¬ An Ihnen ist es jetzt, Minister Bach, zu zeigen, daß das Recht noch einen Thatsache etwas, was die Nöthe der Scham auf die Wangen unseres jungen Kai¬ An Ihnen ist es jetzt, Minister Bach, zu zeigen, daß das Recht noch einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279457"/> <p xml:id="ID_1472" prev="#ID_1471"> Thatsache etwas, was die Nöthe der Scham auf die Wangen unseres jungen Kai¬<lb/> sers und seiner Generäle treiben muß, es gab nichts was mehr demüthigend für<lb/> Oestreich war, als dieses Manöver der ungarischen Revolutionäre. Und sogleich<lb/> hat die kluge Presse und der gutgesinnte Wiener gegen den russischen Helfer einen<lb/> kleinen Verdacht zu erheben. „Die Nüssen haben heimlich mit Görgcy verhandelt,<lb/> es ist eine abgekartete Sache zwischen den Magyaren und Russen, nud um uns<lb/> zu ärgern ist das so von den Magyaren angezettelt worden." — Auch das ist<lb/> nichts als Geschwätz. „Kaiser Nicolaus unterhandelt nicht mit Empörern," wer sich<lb/> aber ans Gnade nud Ungnade ergibt, streckt die Waffen vor dem Feind, von dem<lb/> er die beste Behandlung zu erwarte» hat. Und wenn wir Oestreicher uns schä¬<lb/> men, daß nicht unsere Generäle, sondern fremde von den Magyaren „bevorzugt"<lb/> werde«, so hat diese Schaam allerdings ihren guten Grund, aber er ist wo anders<lb/> zu suchen, in unseren Generälen, in unserer Armee. Seit vorigem Jahre hat die<lb/> östreichische Armee sich in ihre» Führern, als die grausamste und blutdürstigste Sol¬<lb/> datenmasse gezeigt, welche seit dem dreißigjährigen Kriege in Europa gewüthet hat.<lb/> Die empörenden Greuelthaten, welche dnrch die gereizten Soldaten und beschränkten<lb/> Generäle in Italien, Wien und i» Ungar» verübt worden, siud fast ob»e Beispiel<lb/> in der neueren Kriegsgeschichte. Und diese rohe Nachsucht und Brutalität hat vo»<lb/> alle» Seiten die Erbitterung gegen die östreichische Armee, ja gegen die Person<lb/> unseres jungen Kaisers genährt, fast jede Heldenthat unserer Waffen ist beschmutzt<lb/> und entweiht durch einen Akt gemeiner Grausamkeit, welcher darauf folgte. Wie<lb/> man auch den nationalen Stolz der Italiener und Ungarn betrachten möge, der<lb/> Mäßigste Verstand wird sich nicht überzeugen können, daß massenhafte Hinrichtun¬<lb/> gen, persönliche Kränkungen und rüde Quälereien der Besiegten, dazu helfen können<lb/> uns den Geist dieser Völker zu versöhnen. Es gab, kein besseres Mittel uns noch<lb/> als Sieger ihnen verächtlich zu machen, den grimmigsten Haß »ut alle Tücke ihrer<lb/> Natur gegen uns aufzustacheln, als das Benehmen unserer Feldherrn gegen sie.<lb/> Kaum haben wir die bittere Empfindung über eine solche Ungeschicklichkeit vernom¬<lb/> men, so kommt eine neue. Beim Geburtstag des Kaisers, entsteht in Mailand<lb/> ein Straßentumult, der commandirende General läßt die Arretirten, welche meist<lb/> der besseren Classe der Gesellschaft angehören, öffentlich durch Stockschläge züch¬<lb/> tigen. Und unter den so Geschlagenen sind zwei Sängerinnen von 18—20 Jah¬<lb/> re». — Wahrlich es ist weit gekommen mit unserer militärischen Rechtspflege, und<lb/> es ist Zeit öffentlich dagegen aufzutreten, wenn nicht Alles zu Grunde gehen soll,<lb/> was in den Völkern Oestreichs noch von Selbstgefühl und Loyalität lebt; wenn<lb/> die Jngend unserer Majestät uicht durch das Brandmahl gemeiner Grausamkeit<lb/> auf ewig entweiht werden soll, so ist es hohe Zeit, gegen die jetzige militärische<lb/> Regierung Front zu machen. Sie ist der Zukunft Oestreichs eben so verderblich<lb/> als sie für seinen Ruf schmachvoll ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1473" next="#ID_1474"> An Ihnen ist es jetzt, Minister Bach, zu zeigen, daß das Recht noch einen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0431]
Thatsache etwas, was die Nöthe der Scham auf die Wangen unseres jungen Kai¬
sers und seiner Generäle treiben muß, es gab nichts was mehr demüthigend für
Oestreich war, als dieses Manöver der ungarischen Revolutionäre. Und sogleich
hat die kluge Presse und der gutgesinnte Wiener gegen den russischen Helfer einen
kleinen Verdacht zu erheben. „Die Nüssen haben heimlich mit Görgcy verhandelt,
es ist eine abgekartete Sache zwischen den Magyaren und Russen, nud um uns
zu ärgern ist das so von den Magyaren angezettelt worden." — Auch das ist
nichts als Geschwätz. „Kaiser Nicolaus unterhandelt nicht mit Empörern," wer sich
aber ans Gnade nud Ungnade ergibt, streckt die Waffen vor dem Feind, von dem
er die beste Behandlung zu erwarte» hat. Und wenn wir Oestreicher uns schä¬
men, daß nicht unsere Generäle, sondern fremde von den Magyaren „bevorzugt"
werde«, so hat diese Schaam allerdings ihren guten Grund, aber er ist wo anders
zu suchen, in unseren Generälen, in unserer Armee. Seit vorigem Jahre hat die
östreichische Armee sich in ihre» Führern, als die grausamste und blutdürstigste Sol¬
datenmasse gezeigt, welche seit dem dreißigjährigen Kriege in Europa gewüthet hat.
Die empörenden Greuelthaten, welche dnrch die gereizten Soldaten und beschränkten
Generäle in Italien, Wien und i» Ungar» verübt worden, siud fast ob»e Beispiel
in der neueren Kriegsgeschichte. Und diese rohe Nachsucht und Brutalität hat vo»
alle» Seiten die Erbitterung gegen die östreichische Armee, ja gegen die Person
unseres jungen Kaisers genährt, fast jede Heldenthat unserer Waffen ist beschmutzt
und entweiht durch einen Akt gemeiner Grausamkeit, welcher darauf folgte. Wie
man auch den nationalen Stolz der Italiener und Ungarn betrachten möge, der
Mäßigste Verstand wird sich nicht überzeugen können, daß massenhafte Hinrichtun¬
gen, persönliche Kränkungen und rüde Quälereien der Besiegten, dazu helfen können
uns den Geist dieser Völker zu versöhnen. Es gab, kein besseres Mittel uns noch
als Sieger ihnen verächtlich zu machen, den grimmigsten Haß »ut alle Tücke ihrer
Natur gegen uns aufzustacheln, als das Benehmen unserer Feldherrn gegen sie.
Kaum haben wir die bittere Empfindung über eine solche Ungeschicklichkeit vernom¬
men, so kommt eine neue. Beim Geburtstag des Kaisers, entsteht in Mailand
ein Straßentumult, der commandirende General läßt die Arretirten, welche meist
der besseren Classe der Gesellschaft angehören, öffentlich durch Stockschläge züch¬
tigen. Und unter den so Geschlagenen sind zwei Sängerinnen von 18—20 Jah¬
re». — Wahrlich es ist weit gekommen mit unserer militärischen Rechtspflege, und
es ist Zeit öffentlich dagegen aufzutreten, wenn nicht Alles zu Grunde gehen soll,
was in den Völkern Oestreichs noch von Selbstgefühl und Loyalität lebt; wenn
die Jngend unserer Majestät uicht durch das Brandmahl gemeiner Grausamkeit
auf ewig entweiht werden soll, so ist es hohe Zeit, gegen die jetzige militärische
Regierung Front zu machen. Sie ist der Zukunft Oestreichs eben so verderblich
als sie für seinen Ruf schmachvoll ist.
An Ihnen ist es jetzt, Minister Bach, zu zeigen, daß das Recht noch einen
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